Juristische Hochschule des MfS

Die Juristische Hochschule des MfS (offiziell und zur Tarnung: Juristische Hochschule Potsdam; abgekürzt JHS) war eine geheime Bildungseinrichtung für Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Sie wurde am 16. Juni 1951 als Schule des MfS gegründet und erhielt am 16. Februar 1965 den Status einer Hochschule für die juristische Ausbildung. Im November 1989 erfolgte die letzte Umbenennung in Hochschule des Amtes für Nationale Sicherheit.

Juristische Hochschule des MfS
— XX —
Aktivität 1951 bis 1990
Trägerschaft MfS
Ort Eiche-Golm
Land DDR
letzter Rektor Willi Opitz
Mitarbeiter 758 (Stand Oktober 1989)

Die Schule war kein rechtswissenschaftliches Ausbildungs- und Forschungsinstitut, sondern eine akademisierte Geheimdiensteinrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit mit sehr starker ideologischer Ausrichtung[1] und wird daher von dem Historiker Kowalczuk als eine der Ideologie-Hochschulen der DDR eingeordnet.[2] Sie stellte im Januar 1990 ihre Tätigkeit ein.[3]

Geschichte

Die Hochschule des MfS wurde 1951 in Eiche-Golm (Potsdam) gegründet und war dienstrechtlich der Hauptabteilung Kader und Schulung unterstellt. 1965 wurde sie in Juristische Hochschule Potsdam (JHS) umbenannt. Zwischen 1966 und 1989 erwarben dort rund 3300 Personen den Abschluss eines Diplomjuristen und 347 Personen wurden promoviert, darunter auch Alexander Schalck-Golodkowski.[4]

Die Existenz unterlag der Geheimhaltung und sie wurde daher nicht im offiziellen Hochschulverzeichnis der DDR aufgelistet. Zum Studium zugelassen wurden nur hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit.[5] Auf Prüfungszeugnissen, Urkunden oder im Schriftverkehr erschien die Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit als „Juristische Hochschule Potsdam“.[6]

Die Hochschule des MfS (bzw. „Juristische Hochschule“) ist nicht zu verwechseln mit der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft, die ihren Sitz ebenfalls in Potsdam hatte.

Die Gebäude der Hochschule sind heute als „Komplex II Golm“ Teil der 1991 gegründeten Universität Potsdam.

Die für Auslandsspionage zuständige Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) hatte ab 1988 eine eigene Ausbildungsstätte in Gosen bei Erkner, war aber als Sektion A in die JHS integriert.[7]

Gliederung

Der Studien- und Forschungsbereich bestand 1989 aus folgenden Sektionen:[8]

  • Marxismus/Leninismus
  • Politisch-operative Spezialdisziplin
  • Rechtswissenschaft
  • Sektion A (Schule der HV A in Gosen bei Berlin)
  • Institut für Internationale Beziehungen (Ausbildung von Kadern der Sicherheitsorgane befreundeter Staaten).

Personal

Stand: Oktober 1989

Heinz Meissner wurde von der Funktion als Stellvertreter für Ausbildung und Erziehung entbunden und ab 1. Oktober 1989 freigestellt für hauptamtliche Parteitätigkeit.

Fehlende wissenschaftliche Qualität

Die Hochschule verlieh den Titel eines Dr. jur. bzw. eines Dr. sc. jur.[9], ohne dass die für Promotionen geltenden wissenschaftlichen Anforderungen erfüllt wurden. So wurde ein Großteil der an der Hochschule des MfS erstellten Diplomarbeiten in Teamarbeit ohne wissenschaftliche Fundierung erstellt oder umfasste nur wenige Seiten.[10]

Die an der Hochschule des MfS erstellten Dissertationen unterlagen strengster Geheimhaltung. Somit war ein Austausch mit jedermann oder gar anderen Wissenschaftlern zu diesen Arbeiten nicht möglich und damit eine Überprüfbarkeit nicht gegeben, was einen fundamentalen Verstoß gegen die Werte der Wissenschaft darstellt.

Die von der Hochschule des MfS verliehenen akademischen Grade wurden zwar nicht aberkannt, ein dort erworbenes juristisches Diplom berechtigt jedoch nicht zur Neu- oder Wiederaufnahme eines „gesetzlich geregelten juristischen Berufes“.[11] In den Erläuterungen zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wird ausgeführt, dass eine Ausbildung an dieser Hochschule „nur dem Namen, nicht aber dem Inhalt nach ein juristisches Studium“[12] darstellte. Inhaber der MfS-Diplome können daher nur dann beispielsweise als Rechtsanwalt arbeiten, wenn sie bereits am 3. Oktober 1990 eine Zulassung als Rechtsanwalt in der DDR hatten.[2] Von einem Entzug bereits bestehender Rechtsanwaltszulassungen wurde abgesehen.

2019 schlug Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, vor, dass frühere Stasi-Offiziere einen Doktorgrad mit dem Zusatz Stasi führen müssen. Weil eine Aberkennung aufgrund des Einigungsvertrages nicht möglich sei, sollten sie wenigstens zu dem Zusatz verpflichtet werden. Die Arbeiten seien „Anleitungen zur Verletzung der Menschenrechte“ gewesen.[13]

Verbindungen zum Institut der Zollverwaltung der DDR

Die Hochschule des MfS unterhielt enge Verbindungen zum Institut der Zollverwaltung der DDRHeinrich Rau“ in Plessow (von 1965 bis Dezember 1980 Fachschule). Diese Kontakte wurden besonders in den 1970er und 1980er Jahren durch den Direktor des Instituts Dieter Rutsch und dessen Ersten Stellvertreter und späteren Nachfolger Horst Bischoff ins Leben gerufen und bis zur Wende immer weiter vertieft.

Literatur

  • Günter Förster: Die Juristische Hochschule des MfS (MfS-Handbuch). Hrsg.: BStU. Berlin 1996, ISBN 3-942130-22-X. bstu.bund.de (PDF)
  • Günter Förster: Die Dissertation an der „Juristischen Hochschule“ des MfS. Eine annotierte Bibliographie (Dokumente – Reihe A). Hrsg.: BStU. Berlin 1997. bstu.bund.de (PDF)
  • Günter Förster: Bibliographie der Diplomarbeiten und Abschlußarbeiten an der Hochschule des MfS (Reihe A: Dokumente Nr. 1/1998). Hrsg.: BStU. Berlin 1998. bstu.bund.de (PDF)
  • Günter Förster: Die Juristische Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit. Die Sozialstruktur ihrer Promovenden, Münster 2001, ISBN 3-8258-4589-3.
  • Stefan Gerber: Zur Ausbildung von Diplomjuristen an der Hochschule des MfS. Berlin 2000, ISBN 3-8305-0008-4.
  • Jens Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit. Personalstruktur und Lebenswelt 1950–1989/90, Berlin 2000, ISBN 3-86153-227-1.
  • Jens Gieseke: Doktoren der Tschekistik. Die Promovenden der „Juristischen Hochschule“ des MfS. 1994, ISBN 3-942130-54-8; stasi-unterlagen-archiv.de (PDF; 0,1 MB).
  • Waldemar Hirch: Die wissenschaftliche Darstellung der „Zersetzung“ in Abschlussarbeiten an der Juristischen Hochschule Potsdam. In: ders.: Zersetzung einer Religionsgemeinschaft. Niedersteinbach 2001, ISBN 3-00-006250-5. (web.archive.org Auszüge online)
  • Jörn-Michael Goll: Kontrollierte Kontrolleure: Die Bedeutung der Zollverwaltung für die politisch operative Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Göttingen 2011

Einzelnachweise

  1. Günter Förster: Die Juristische Hochschule des MfS (MfS-Handbuch) (PDF) Hrsg.: BStU. Berlin 1996, ISBN 3-942130-22-X.
  2. Ilko-Sascha Kowalczuk: „Sie sind wieder da“ - Vom Stasi-Offizier zum Rechtsanwalt. Bundeszentrale für politische Bildung, 2005; abgerufen am 29. Dezember 2008.
  3. Günter Förster: Die Juristische Hochschule des MfS (MfS-Handbuch). (PDF) Hrsg.: BStU. Berlin 1996, S. 36
  4. Uwe Müller: Mit der Stasi zum Doktortitel. In: welt.de. 18. November 2013, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  5. „Doktoren der Tschekistik“ – Die Juristische Hochschule des MfS erhält das Promotionsrecht. Stasi-Unterlagen-Archiv, Themenbeitrag.
  6. uni-potsdam.de
  7. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Hrsg.): Hauptverwaltung A (HV A). Aufgaben – Strukturen – Quellen. (MfS-Handbuch). Berlin 2013, S. 268.
  8. Roger Engelmann, Bernd Florath, Helge Heidemeyer, Daniela Münkel, Arno Polzin, Walter Süß: Das MfS-Lexikon. 4. aktualisierte Auflage, Ch. Links Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-96289-139-8, S. 183 ff.; stasi-unterlagen-archiv.de
  9. Ordnung JHS 2/87 über die Verleihung der akademischen Grade "doctor juris" (Dr. jur.) - Promotion A - und "doctor scientiae juris" (Dr. sc. jur.) - Promotion B.
  10. Dr. jur. stasi. In: Süddeutsche Zeitung. 16. November 2013, S. 6.
  11. Einigungsvertrag Anlage I, Kapitel III, A III Sachgebiet A (Rechtspflege) Abschnitt III, Nr. 8 Buchst. y, jj
  12. BT-Drs. 11/7817 (PDF; 4,0 MB) Erläuterungen zu den Anlagen zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 – Einigungsvertrag; S. 23.
  13. Bundesbehörde legt Arbeiten offen. Welt Online.

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