Hermann Reinmuth

Karl Hermann Reinmuth (* 19. Januar 1902 in Reichenbach, heute Ortsteil von Haselbachtal, Landkreis Bautzen; † 26. April 1942 in Sachsenhausen) war ein deutscher Jurist und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime mit dem Schwerpunkt der humanitären Hilfe für die notleidenden Familien politisch Inhaftierter.

Hermann Reinmuth als Student (um 1925)

Leben

Familie und beruflicher Werdegang

Das Pfarrhaus von Reichenbach (2020); Geburtshaus von Hermann Reinmuth
Die Geschwister Hermann und Maria Reinmuth mit ihren Eltern (1913)
Die Geschwister Reinmuth – v.l. Maria, Hermann und Clementine, vorn Heinrich jun. (1929)

Hermann Reinmuth war der älteste Sohn des evangelisch-lutherischen Pfarrers Heinrich Reinmuth[1] und dessen Ehefrau Amalie, geborene Mulert.[2] Zusammen mit seinen drei jüngeren Geschwistern

  • Maria, verehelichte Flux (1905–1996)
  • Clementine, verehelichte Küstner (1913–2007) und
  • Heinrich (1917–1980)

wuchs er in einem Elternhaus auf, das von christlichem Humanismus und starker Empathie für die konkreten seelischen und materiellen Nöte der Mitmenschen geprägt war. Bereits als Gymnasiast beschäftigte er sich stark mit den Ideen des religiösen Sozialismus, näherhin mit den Schriften Karl Barths. Ein Onkel mütterlicherseits war der Theologe Hermann Mulert.

Nach Abschluss seiner Reifeprüfung im Januar 1920 studierte er Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften an den Universitäten in Tübingen, Kiel und Leipzig. Während seines Studiums beschäftigte er sich insbesondere mit dem Arbeitsrecht, speziell mit Lohn- und Gewerkschaftsfragen. In den Semesterferien arbeitete er in der großstädtischen Industrie, bei der Eisenbahn und im Kohlebergbau und lernte dabei aus erster Hand die harten Bedingungen kennen, unter denen die Industriearbeiter in der von Inflation und Weltwirtschaftskrise geprägten Zeit der Weimarer Republik existieren mussten. 1926 wurde Reinmuth unter Erwin Jacobi magna cum laude promoviert. Thema der Arbeit war: Betrieb und Unternehmen, besonders im Betriebsrätegesetz und in der Reichsversicherungsordnung. Darin werden u. a. Fragen des gerechten Lohns und des Anteils der Arbeiterschaft am Eigentum auf Betriebsebene behandelt.

Nach Beendigung seiner Referendariatszeit in Dresden wurde er Gerichtsassessor in Bautzen. 1929 konnte er ans Polizeipräsidium in Oberhausen wechseln und wurde dort zum Regierungsassessor ernannt. Als solcher war er ab 1930 weiter im Landratsamt Düsseldorf tätig. Im März 1933 wurde er, nunmehr eine politisch missliebige Person, von den Behörden zur Wasserbaudirektion nach Königsberg abgeschoben, von da im September 1933 weiter nach Lüneburg, wo er als Mitarbeiter der Bezirksregierung mit verschiedenen Bereichen der Verwaltungsarbeit[3] in Berührung kam. Aufgrund der politischen Lage in Deutschland plante Reinmuth bereits ab 1933, den Staatsdienst zu verlassen und als selbständiger Jurist mit eigener Anwaltspraxis zu arbeiten. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2. August 1934 wurde von den Beamten des Reiches der persönliche Eid auf Adolf Hitler abverlangt. Dies bedeutete für die Beamtenschaft die direkte Unterordnung unter die Person Adolf Hitlers als obersten Dienstherrn. Reinmuth verweigerte diesen Eid gegenüber seinen Vorgesetzten, ließ sich jedoch von seinem Onkel Hermann Mulert dazu bewegen, die Eidformel wenigstens schriftlich zu unterzeichnen.[4]

Soziales Engagement, Gewerkschaftsarbeit, politische Tätigkeit

Von frühester Kindheit an erlernte Hermann Reinmuth durch das Leben in der Familie, besonders aber durch das Vorbild der Mutter, die persönliche Verpflichtung zu tätiger Mitmenschlichkeit als einen selbstverständlichen Ausdruck christlicher Gesinnung. Sein waches Gespür für die Not arbeitsloser Familien und alleinstehender Mütter brachte ihn dazu, diesen Menschen große Teile seines persönlichen Einkommens für Hilfeleistungen zur Verfügung zu stellen. Während einer großen Hungersnot in China sammelte er Spenden und organisierte eine weltweite Hilfskampagne, für die er sich in Briefen und Appellen mit der Bitte um Unterstützung an bekannte Persönlichkeiten wie Albert Schweitzer, Fridtjof Nansen und Elsa Brandström wandte. In seiner Mutter und seiner Schwester Clementine sowie seinen Freunden Georg Sacke und Maria Grollmuß fand er tatkräftige Unterstützer für seine karitativen Unternehmungen. Aus sozialer Verantwortung engagierte er sich frühzeitig in der Bildungsarbeit der Gewerkschaften. Reinmuth warb in zahlreichen Vorträgen vor Mitgliedern des Metallarbeiterverbandes für den Ausbau des Arbeitsrechts und der betrieblichen Mitbestimmung. Er setzte sich für soziale Chancengleichheit und eine gerechte Lohn- und Eigentumsordnung sowie für die Durchsetzung des Achtstundentages ein.

Bereits während seiner Studienzeit war Reinmuth dem Sozialistischen Studentenbund beigetreten. Auf ausgedehnten Reisen durch Großbritannien und die Niederlande beschäftigte er sich mit der Sozialen Frage und den Folgen des Ersten Weltkrieges für die Arbeiterschaft. 1926 wurde er Mitglied der SPD und wechselte 1931 zur SAPD. Im Oktober 1933 begann er gemeinsam mit Maria Grollmuß und Willi Elsner finanzielle Hilfen und juristischen Beistand für die Angehörigen der politischen Gefangenen zu organisieren. Dabei knüpfte er Kontakte zur Bekennenden Kirche und über seinen Onkel Hermann Mulert zu den Quäkern in Deutschland. Gemeinsam mit dem jüdischen Rechtsanwalt Ernst Fraenkel setzte er sich für den verhafteten sächsischen Innenminister Hermann Liebmann ein. Den Erzbischof von Paderborn, Caspar Klein, gewann er, sich zugunsten eines zum Tode verurteilten Kommunisten an Reichsminister Hermann Göring zu wenden.

Ende 1933 kam über Maria Grollmuß der Kontakt zur Gruppe der Revolutionären Sozialisten um den ehemaligen Reichstagsabgeordneten Max Seydewitz in Prag zustande. Von Mai bis September 1934 reisten Reinmuth und Maria Grollmuß, getarnt als Urlauber, mehrfach nach Prag. Die Gespräche kreisten um die Reorganisation der Gewerkschaften, die Straffung der politischen Opposition und – worauf es Reinmuth besonders ankam – die Organisation von Sozialhilfen für politisch Verfolgte. Für dieses humanitäre Anliegen hoffte sich Reinmuth dank der Verbindungen, die Seydewitz besaß, weitere Hilfsquellen zu erschließen. So erklärte sich Reinmuth seinerseits einverstanden, nach Deutschland eingeschmuggelte Schriften der Revolutionären Sozialisten – als Zeitschrift mit dem Arbeitstitel Rote Blätter – zu verbreiten, obwohl er als Pazifist die auf gewaltsamem Umsturz basierenden Vorstellungen der Revolutionären Sozialisten ablehnte.

Die späteren Verhörprotokolle besagen, Reinmuth habe die Texte für die erste Ausgabe auf der Rückreise von Prag nach Lüneburg geschmuggelt, wo er sie Willi Elsner aus Hamburg zur Druckausfertigung übergeben habe. Elsner habe zwei Exemplare angefertigt, die er wiederum Reinmuth und Grollmuß zum Redigieren übergab. – Auf diese Darstellung stützt sich auch das spätere Urteil des Volksgerichtshofes. Aus anderen Unterlagen ergibt sich ein hiervon abweichendes Bild.[5]

Verhaftung durch die Gestapo

Am 7. November 1934 wurde, nach einer Denunziation, Maria Grollmuß in Radibor verhaftet. Bei der Überwachung ihres Postverkehrs wurde die Gestapo auf ihre politische Verbindung zu Reinmuth aufmerksam. Am 23. November 1934 erfolgte in seiner Wohnung die Verhaftung Reinmuths durch Beamte der Gestapo-Zentrale Harburg-Wilhelmsburg. Die zuständige Staatspolizei in Dresden entsandte eigens einen Mitarbeiter, der die Verhöre durchführte und die Durchsuchung von Reinmuths Büro und Wohnung veranlasste. Dabei wurden Briefe von Grollmuß und Elsner sowie ein Exemplar der Roten Blätter entdeckt und eine große Menge illegaler politischer Literatur beschlagnahmt.

Durch die Unachtsamkeit eines Gefängnisaufsehers gelang Reinmuth am 25. November die Flucht aus dem Gestapo-Gefängnis. Einen Tag später wurde er durch einen Suchtrupp der Gestapo in der Nähe von Winsen wieder aufgegriffen und nach Dresden überführt, wo ihm aufgrund des Paragraphen 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 wegen „staatsfeindlicher Betätigung“ der Schutzhaftbefehl ausgestellt wurde. Unverzüglich, bereits zum 30. November 1934, schloss die Lüneburger Bezirksregierung Reinmuth von seinem Dienst aus und versetzte ihn in den einstweiligen Ruhestand. Nach wochenlangen täglichen Verhören erging am 21. Dezember 1934 an ihn der Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden, mit dem die Schutzhaft aufgehoben und in eine Untersuchungshaft umgewandelt wurde. Reinmuth wurde in die Gefangenenanstalt I überführt.[6] Dort befanden sich bereits seine Schwester Clementine und sein Freund Georg Sacke, die Anfang des Monats verhaftet worden waren.[7] Während der knapp einjährigen Untersuchungshaft lebte Reinmuth in völliger Isolation. Die Bitten der Angehörigen um Besuchserlaubnis wurden regelmäßig abgelehnt.

Prozess vor dem Volksgerichtshof

Am 7. September 1935 wurde Reinmuth die Anklageschrift zugestellt, die ihm, gemeinsam mit Grollmuß und Elsner, die Vorbereitung zum Hochverrat vorwarf. Nach einwöchiger öffentlicher Verhandlung beantragte die Staatsanwaltschaft für Reinmuth und Grollmuß zehn Jahre Zuchthaus. Elsner sollte eine geringere Strafe erhalten. Am 23. November 1935 sprach der II. Senat des Volksgerichtshofes in Berlin sein Urteil. Wegen des „Verbrechens der Vorbereitung zum Hochverrat unter erschwerenden Umständen“ wurde Reinmuth zu sieben Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt.[8]

Aberkennung der Doktorwürde

In Folge des verhängten Ehrverlustes strich die Stadtverwaltung Lüneburg Reinmuth aus ihrem Einwohnerverzeichnis und vermerkte in den Akten die Aussetzung seines Wahlrechts bis zum 23. November 1947. Die Juristische Fakultät der Universität Leipzig erklärte, ihm seine juristische Doktorwürde aberkennen zu wollen. Reinmuth, der zur Klärung dieser Frage von einer Anhörung ausging, fertigte zu seiner Verteidigung im Zuchthaus ein Rechtsgutachten mit dem Titel Äußerungen zu dem Urteil des Volksgerichtshofs vom 23. November für das Verfahren zur Entziehung des juristischen Doktortitels an, worin er die Widersprüche der Verhandlungsführung anprangerte und seine politischen Überzeugungen nochmals zusammenfassend darlegte und zu rechtfertigen suchte. Die Fakultät selber vertrat jedoch den Standpunkt, dass ein Entzug des Titels eine direkte Folge aus dem Strafrecht sei. Eine Anhörung fand deshalb gar nicht erst statt. Das Rechtsgutachten wurde nicht zur Kenntnis genommen.[9]

Gefangenschaft im Zuchthaus Waldheim

Reinmuth verbüßte seine Strafe im Zuchthaus Waldheim. Er wurde in den Zuchthauswerkstätten zum Tüten- und Pappschachtelkleben eingesetzt. Von Zeit zu Zeit durfte der promovierte Jurist auch in der Schreibstube Dienste verrichten. In Folge der schlechten Ernährung, des Luft- und Bewegungsmangels begann er ab dem Frühjahr 1940 zu kränkeln. Als sein Vater 1941 schwer erkrankte und starb, wurden alle Gesuche auf Besuchserlaubnis oder Teilnahme am Begräbnis abgelehnt. Reinmuth wurde am 23. November 1941 aus Waldheim entlassen, kam aber nicht frei, sondern wurde nach Dresden überstellt, wo ihm die für politisch Gefangene übliche Loyalitätserklärung gegenüber dem NS-Staat zur Unterschrift vorgelegt wurde. Reinmuth lehnte die Unterschrift jedoch aus Gewissensgründen ab. Daraufhin blieb er in Polizeihaft in Dresden bis 10. Februar 1942 und für eine Nacht in Leipzig; anderntags begann der bis zum 14. Februar dauernde Transport in das KZ Sachsenhausen.[10]

Tod

Grabstätte Familie Reinmuth

In Sachsenhausen war er als Schutzhäftling Nr. 41107 im Block 2 des Lagers untergebracht. Nach nur zwei Monaten erhielt die Familie am 27. April 1942 ein Telegramm, wodurch die Lagerleitung Mitteilung machte, dass Hermann Reinmuth am 26. April an Kreislaufschwäche verstorben sei. Ein weiteres Schreiben der Staatspolizei Dresden informierte darüber, dass Reinmuth im Krankenrevier des Lagers an Ruhr verstorben und sein Leichnam auf Befehl der Lagerleitung bereits eingeäschert worden sei.[11] Die Urne mit der Asche des Verstorbenen wurde der Familie auf dem Postweg zugestellt. Die Beisetzung erfolgte in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof Markkleeberg an der Seite seines Vaters.

Zitate

„In der Humanität sehe ich die Grundlage jeder und insbesondere der europäischen Kultur. Denn diese beruht m. E. darauf, daß sich Humanität und Toleranz, also die Achtung vor der Individualität anderer Menschen und Völker, im Laufe der Geschichte nach und nach so weit durchgesetzt haben, daß sie auch unter Anhängern von im übrigen verschiedenen Anschauungen als selbstverständliche Grundsätze a priori anerkannt werden.“

Hermann Reinmuth: Bekenntnis, niedergelegt in der Zuchthauszelle 1936. In: Hermann Reinmuth. Christ, Humanist, Gewerkschafter, Sozialist. Versuch einer Annäherung an ein vergessenes Opfer des NS-Regimes. Eine Erinnerung an den Beamten der Lüneburger Bezirksregierung, Nazi-Widerständler und KZ-Häftling.[12]

Nachlass

Der schriftliche Nachlass Reinmuths befindet sich im Staatsarchiv Leipzig unter der Bestandsnummer 21817 – darunter die etwa 150 Briefe aus seiner siebenjährigen Haft im Gefängnis, im Zuchthaus Waldheim und dem KZ Sachsenhausen; ihre Veröffentlichung wird angestrebt.

Ehrungen

Stolperstein für Hermann Reinmuth in Lüneburg
Gedenktafel für Hermann Reinmuth, Markkleeberg
  • 1975 am 8. Mai: Bestätigung der ununterbrochenen Zuerkennung des 1936 durch die nationalsozialistisch beherrschte Juristenfakultät Leipzig aberkannten Doktortitels durch den Wissenschaftlichen Rat der Karl-Marx-Universität Leipzig
  • 1986 Benennung der Freiwilligen Feuerwehr Reichenbach nach Dr. Hermann Reinmuth
  • 1987 Errichtung einer Gedenktafel auf dem Friedhof Reichenbach
  • 2009 Einsetzung eines Stolpersteins vor dem ehemaligen Dienstgebäude der Bezirksregierung Lüneburg, Am Ochsenmarkt 3
  • 2011 Benennung einer Straße in Leipzig-Gohlis in Reinmuthweg
  • 2015 Aufnahme in die Wanderausstellung Galerie der Aufrechten, bestehend aus 64 Porträtgemälden; die Porträts von Reinmuth und Maria Grollmuß schuf Hans Kutschke.
  • 2016 Aufstellung einer Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus Reinmuths in Lüneburg, Düvelsbrooker Weg 1[13]
  • 2019 Anbringung einer Gedenktafel auf dem Friedhof in Markkleeberg, Rathausstraße 51
  • Eintrag im Gedenkbuch der Stadt Leipzig
  • Eintrag im Ehrenbuch der Universität Leipzig

Werke

  • Betrieb und Unternehmen, besonders im Betriebsrätegesetz und in der Reichsversicherungsordnung. Dissertation. Leipzig 1926 (handschriftlich).

Literatur

  • Kurt Nowak: Hermann Reinmuth. Opfer für die Opfer (=Christ in der Welt, Heft 45). Union Verlag, Berlin 1978.
  • Kurt Nowak: Hermann Reinmuth (1902–1942). In: Karl-Joseph Hummel, Christoph Strohm (Hrsg.): Zeugen einer besseren Welt. Christliche Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2000, ISBN 978-3-374-01812-3.
  • Hermann Reinmuth. In: Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.): Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. Schüren Verlag, Marburg 2000, ISBN 978-3-89472-173-2.
  • Kurt Nowak: Hermann Reinmuth (1902–1942). In: Gerald Wiemers (Hrsg.): Sächsische Lebensbilder, Band 5 (=Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Bd. 22). Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Leipzig und Stuttgart 2003, ISBN 978-3-515-08417-8.
  • Manfred Unger: Dr. Hermann Reinmuth (1902–1942). Widerstand aus christlichen Motiven. In: Thomas Henne, Anne-Kristin Lenk, Thomas Brix (Hrsg.): Die Aberkennung von Doktorgraden an der Juristenfakultät der Universität Leipzig 1933–1945. Universitäts-Verlag, Leipzig 2007, ISBN 978-3-86583-194-1.
  • Björn Mensing: Reinmuth, Hermann, Dr. jur. In: Harald Schultze, Andreas Kurschat (Hrsg.): „Ihr Ende schaut an ...“. Evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2008, ISBN 978-3-374-02370-7.
  • Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Lüneburg (Hrsg.): Hermann Reinmuth. Christ, Humanist, Gewerkschafter, Sozialist. Versuch einer Annäherung an ein vergessenes Opfer des NS-Regimes. Eine Erinnerung an den Beamten der Lüneburger Bezirksregierung, Nazi-Widerständler und KZ-Häftling. Selbstverlag, Lüneburg 2012. Download als PDF-Datei
  • Käthe Gudemann: Stolpersteine in Lüneburg. Gegen das Vergessen. Geschichtswerkstatt Lüneburg, Lüneburg 2017, ISBN 978-3-9804521-9-9.

Einzelnachweise

  1. Heinrich Reinmuth (*16. August 1873 in Glauchau; †28. September 1941 in Markkleeberg) war evangelischer Theologe und Pfarrer von Reichenbach (1900), Mittelsaida (1906) und Syhra (1913). Die Emeritierung erfolgte 1933. Die Familie lebte seitdem in der Siedlung Am Wolfswinkel in Markkleeberg.
  2. Amalie Reinmuth, geborene Mulert (*11. April 1876 in Niederbobritzsch; †25. Mai 1964 in Markkleeberg).
  3. Reinmuth wurde in der Schulabteilung, der Domänenabteilung, der Forstverwaltung und als Bearbeiter von Verwaltungsstreitverfahren eingesetzt.
  4. Dies wurde ihm während seines Prozesses vor dem Volksgerichtshof 1935 schwer angelastet. Der Vorwurf lautete: Er habe den Staat nicht aus innerstem Willen unterstützt, habe sich bei der Gruppenvereidigung der Lüneburger Beamten im Hintergrund gehalten, die Eidformel nicht mitgesprochen und die Schwurhand nicht erhoben. Vgl.: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Lüneburg (Hrsg.): Hermann Reinmuth. Christ, Humanist, Gewerkschafter, Sozialist. Versuch einer Annäherung an ein vergessenes Opfer des NS-Regimes. Eine Erinnerung an den Beamten der Lüneburger Bezirksregierung, Nazi-Widerständler und KZ-Häftling. Selbstverlag, Lüneburg 2012, S. 12.
  5. Laut einem Vermerk von Clementine Küstner habe ihr Reinmuth während einer Pause zwischen Verhandlung und Urteilsspruch mitgeteilt, dass in Wahrheit nicht er, sondern Elsner die Roten Blätter aus dem Ausland eingeführt habe. Da diese Blätter jedoch von der Gestapo bei Reinmuth entdeckt worden seien, habe er die Tat auf sich genommen, weil er mit dem Todesurteil rechne und Elsner doch Familie habe. (Vgl.: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Lüneburg (Hrsg.): Hermann Reinmuth. Christ, Humanist, Gewerkschafter, Sozialist. Versuch einer Annäherung an ein vergessenes Opfer des NS-Regimes. Eine Erinnerung an den Beamten der Lüneburger Bezirksregierung, Nazi-Widerständler und KZ-Häftling. Selbstverlag, Lüneburg 2012, S. 18). Hiermit steht die folgende Feststellung von Max Seydewitz im Einklang: „Willi Elsner, der zwar dieselbe Verbindung wie Grollmuß und Reinmuth mit mir gehabt und mich auch in Prag besucht hatte, dem das jedoch vom Volksgerichtshof nicht nachgewiesen werden konnte, wurde (…) zu einem Jahr sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.“ (Vgl. Max Seydewitz: Es hat sich gelohnt zu leben. Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 335.)
  6. Dieses Gefängnis befand sich in Dresden in der George-Bähr-Straße 5.
  7. Clementine Reinmuth wurde 1935 vorläufig aus der Haft entlassen. Hermann Reinmuth gelang es, die Verfahren gegen Sacke und seine Schwester von seinem Verfahren abzutrennen. Deswegen fand deren Prozess am 1. November 1935 vor der Strafkammer des Landgerichts Leipzig statt, an dessen Ende der Freispruch aus Mangel an Beweisen stand.
  8. Grollmuß erhielt 6 Jahre Zuchthaus und sechs Jahre Ehrverlust, Elsner wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis und zwei Jahren Ehrverlust verurteilt.
  9. 1975 initiierte der Theologe Kurt Nowak an der Karl-Marx-Universität in Leipzig einen bis dahin singulären Akt der Aufarbeitung von NS-Unrecht und setzte aufgrund gründlicher Recherchen eine Nichtigkeitserklärung der Aberkennung des akademischen Doktorgrades für Reinmuth seitens der Universität durch.
  10. Hermann Reinmuth erwähnt in einer Postkarte vom 9. Februar 1942 aus Dresden an seine Eltern die Details über seinen Transport: „Eben erfahre ich, dass ich morgen, Dienstag, d. 10. vermutlich über Leipzig nach Sachsenhausen komme. Da der Transport ev. längere Zeit dauert u. ich vielleicht auch in S. nicht gleich schreiben darf, sorgt Euch bitte nicht, wenn Ihr aus diesen techn. Gründen längere Zeit jetzt keine Nachricht von mir bekommt ...“ – Aus dem ersten Brief aus dem KZ Sachsenhausen, geschrieben am 22. Februar 1942, einem Sonntag, und übrigens erst am 26. Februar postalisch abgestempelt: „Meine Lieben! Bin seit 14. Februar hier u. gesund u. munter, was ich bes. von Dir, meine liebe Mutter, auch sehr hoffe.“ – Die weiteren vier Briefe aus dem KZ schrieb er nach jeweils 2 Wochen sonntags, den letzten also am 19. April 1942.
  11. Aufgrund hartnäckigen Nachfragens wurden den Angehörigen erst später die näheren Umstände mitgeteilt. So sei Reinmuth am 16. März wegen einer Bein- und Fußvereiterung in die Krankenstation eingeliefert und am 20. März operiert worden. Nach gelungener Operation habe sich jedoch eine Darmstörung eingestellt. Die Diagnose lautete auf Ruhr.
  12. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Lüneburg (Hrsg.): Hermann Reinmuth. Christ, Humanist, Gewerkschafter, Sozialist. Versuch einer Annäherung an ein vergessenes Opfer des NS-Regimes. Eine Erinnerung an den Beamten der Lüneburger Bezirksregierung, Nazi-Widerständler und KZ-Häftling. Selbstverlag, Lüneburg 2012, S. 8.
  13. Diese Gedenktafel wurde im Januar 2020 durch Vandalen zerstört und im Mai 2020 durch die Stadt Lüneburg neu errichtet. Vgl. Unbeugsamer wird nicht vergessen, Landeszeitung für die Lüneburger Heide vom 4. Mai 2020.
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