Hermann Bahlsen (Fabrikant, 1859)

Hermann Bahlsen (* 14. November 1859 in Hannover; † 6. November 1919 in Hannover) war ein deutscher Unternehmer in der Lebensmittelindustrie sowie Erfinder des Leibniz-Butterkekses und Gründer der Süßwaren-Fabrik Bahlsen.

Biografie

Herkunft und Ausbildung

Hermann Bahlsen entstammte einer in Hannover alteingesessenen Tuchhändler- und Goldschmiedefamilie. Nachdem er als junger Mann in Genf eine kaufmännische Lehre absolviert hatte, arbeitete er zunächst in seiner Heimatstadt und dann in London. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begann er, die „Cakes“, die er in England kennengelernt hatte, auch auf dem Kontinent zu vermarkten.

Unternehmensgründung

1888 wurde er Teilhaber einer Fabrik für englische Cakes und Biskuits in Hannover. Ein Jahr später gründete er seinen eigenen Betrieb an der Friesenstraße, die „Hannoversche Cakesfabrik H. Bahlsen“. Die Zahl der Mitarbeiter stieg innerhalb weniger Jahre von 10 auf über 100 und bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs auf etwa 1700. 1893 hatte Bahlsen die Idee, für seine Buttercakes, die er im Gegensatz zu seinen Konkurrenten nicht lose, sondern in Tüten abgepackt verkaufte, mit einem Leibniz-Zitat zu werben, was den Umsatz innerhalb kürzester Zeit steigerte.

Erfolgsrezept

Bahlsen-Keksfabrik von 1911 in Hannover
Bahlsen-Butterkeks mit 52 „Zähnen“ und dem typischen Leibniz-Schriftzug

Zum Erfolg der Bahlsen-Produkte trug auch die 1903 patentierte Verpackung bei, die lange Haltbarkeit garantierte. Auf diesen Vorzug spielte auch das um die Jahrhundertwende entworfene Firmenlogo an, das einer ägyptischen Hieroglyphe nachempfunden ist: Das ägyptische Wort djed (von Bahlsen zu TET vereinfacht) bedeutet „Dauerhaftigkeit“, „Ewigkeit“ oder „unvergänglich“. Auf die Idee mit der Hieroglyphe hatte ihn Museumsdirektor Friedrich Tewes gebracht. Zuvor hatte Bahlsen für seine Kekse ein anderes Logo verwendet, das ein springendes Pferd zeigte. Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago errangen die Tet-Kekse 1893 eine Goldmedaille. Ein weiteres Merkmal der Kekse neben der Hieroglyphe sind bis heute die 52 „Zähne“ (heraldisch „Dornen“), die 15 eingestanzten Punkte auf der Vorderseite und der typische Leibniz-Schriftzug. Bahlsen beauftragte immer wieder renommierte Künstler mit Entwürfen, wie Emanuel Josef Margold von der Wiener Werkstätte. Auch Kurt Schwitters und Lotte Pritzel arbeiteten am Image des Leibnizkekses.

Innovativ waren auch Bahlsens Produktionsmethoden; als erster Hersteller in Europa setzte er ab 1905 auf Fließbandfertigung.

1911 oder 1912 fand die Eindeutschung des englischen Wortes „cakes“ zu „Keks“, um die Bahlsen lange als Erfinder des Wortes[1] gekämpft hatte, Eingang in den Duden.

Ähnlich wie Heinz Appel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Begriff „Delikatessen“ durch seine Wortschöpfung „Feinkost“ ersetzte, machte erst die enge Verbindung zwischen Schöpfergeist und Kunst die Markenartikel der hannoverschen Familienunternehmen „zu etwas Besonderem“. Dazu schrieb Klaus Wiborg, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Der Stil, der die schöpferische Investition und die geistige Unternehmerpersönlichkeit hinter der alltäglichen Ware ahnen läßt, hat sich auf Dauer als werbewirksamste Verkaufsförderung erwiesen“.[2]

Soziales Engagement

Der Unternehmer Bahlsen zeigte gegenüber seinen Beschäftigten hohes soziales Engagement. 1912 richtete er eine Betriebskrankenkasse ein und stellte Arzt-, Kranken- und Fürsorgepersonal zur Verfügung. Er stiftete auch Treueprämien. In den Jahren 1916 und 1917 ließ Bahlsen durch den von ihm geförderten Künstler Bernhard Hoetger Pläne für die Retortenstadt TET-Stadt in Hannover entwickeln, die nicht verwirklicht wurden. Sie sollte zugleich Wohn- und Arbeitsstätte für die Beschäftigten der Bahlsen-Werke werden; der vorgesehene Name TET-Stadt bezog sich auf das Markenzeichen, mit dem die Bahlsen-Produkte bis heute versehen sind.

Bahlsen plante um 1918 mit dem Architekten Carl Arend das Großprojekt Familienbad Weißer Berg in Mardorf; „vielleicht ist ein Grund für fehlende Umsetzung der Tod von Bahlsen 1919“. Das Gelände wurde 1921 von der Hannoverschen Bank (seit 1922 Deutsche Bank) übernommen.[3]

Bahlsen-Familiengrab in Hannover, links Grabplatte Hermann Bahlsen als Ausschnittvergrößerung

Nach dem Tod des Gründers Hermann Bahlsen übernahmen seine Söhne Werner Bahlsen, Klaus Bahlsen und Hans Bahlsen die Unternehmensleitung. Der vierte Sohn Gerhard Bahlsen (1905–1975) wurde lediglich Miteigentümer und war hauptsächlich als Verleger und Schriftsteller tätig.[4] Er wurde in einem Familiengrab auf dem Neuen St.-Nikolai-Friedhof in Hannover im Stadtteil Nordstadt beerdigt.

Literatur

  • Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 1, S. 268
  • Bahlsen (Hrsg.): 1889–1994. H. Bahlsens Keksfabrik KG. Hannover, 1964.
  • Otto Heinrich May (Hrsg.): Niedersächsische Lebensbilder. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Bremen, Band 6.) Lax, Hildesheim / Leipzig 1969, S. 91–107.
  • Rudolf Hillebrecht, Hansi Kessler, Toni Schneider u. a. (Red.): Hermann Bahlsen. H. Bahlsens Keksfabrik KG, Hannover 1969.
  • Titus Arnu: Hermann Bahlsen. (= Made in Germany) Ullstein-Buch 35943, Berlin 1999, ISBN 3-548-35943-4.
  • Waldemar R. Röhrbein: Bahlsen, (4) Hermann. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 36.
  • Helmut Knocke, Hugo Thielen: Bahlsen, Hermann. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, passim
  • Uwe Lehmensiek: Von der Cakes-Fabrik zur Bahlsen-Gruppe. Zur Betriebs- und Belegschaftsgeschichte der Firma Bahlsen. (= Projekt Arbeiterbewegung in Hannover, Arbeitspapiere des Projekts Arbeiterbewegung in Hannover, Ausgabe Nr. 18.) Offizin-Verlag, Hannover 1996, ISBN 3-930345-05-6.
  • Waldemar R. Röhrbein: Bahlsen, (4) Hermann. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 43.
Commons: Hermann Bahlsen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Katharina Bracher: Sie weinte viel in Sitzungen: das öffentliche Scheitern der Verena Bahlsen. nzz.ch, abgerufen am 20. November 2022.
  2. Peter Struck: Appel. In: Hannover in 3 Tagen. Ein kurzweiliger Kulturführer. Schlütersche, Hannover 2008, ISBN 978-3-89993-659-9, S. 33, 55, 59; hier: S. 55; online über Google-Bücher
  3. Horst Kohlmann, Friedrich Dankenbring (Vorsitzende): A - Chronik für Mardorf am Steinhuder Meer. (von dort über Unterabschnitt A7 im Download des PDF-Dokuments A7 Die Zeit 1918 – 1932), zuletzt abgerufen am 9. Dezember 2013
  4. https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=116039493
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