Herbert Hirche

Leben

Nach einer Tischlerlehre und Wanderschaft in den Jahren 1924 bis 1929 studierte Herbert Hirche von 1930 bis 1933 am Bauhaus in Dessau und in Berlin. Zu seinen Lehrern gehörten unter anderem Wassily Kandinsky und Ludwig Mies van der Rohe, in dessen Büro in Berlin er von 1934 bis 1938 als Mitarbeiter tätig war.

Von 1939 bis 1945 arbeitete Hirche für Egon Eiermann, nach 1945 für Hans Scharoun. Von 1945 bis 1948 war er Hauptreferent beim Planungsamt für den Wiederaufbau der Stadt Berlin. Im Jahr 1948 wurde er als Professor für Angewandte Kunst an die Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee berufen, die er jedoch 1950 wegen der „Formalismusdebatte“ verließ. Hirche war seit 1950 Mitglied im Deutschen Werkbund und seit 1959 im Verband Deutscher Industrie Designer, dessen Präsident er von 1960 bis 1970 war und der ihn anschließend „in Anerkennung seiner Verdienste, seines Engagements für den Berufsstand und das Berufsbild der Industrie-Designer in Deutschland zum Ehrenpräsidenten mit beratender Stimme“ wählte.[1] Von 1951 bis 1952 konzipierte er als Mitarbeiter des Hochbauamts der Stadt Mannheim die Gründung einer Hochschule für Gestaltung; zudem bereitete er den Architekturwettbewerb für das Nationaltheater Mannheim vor, an dem auf seine Initiative auch sein Lehrer Ludwig Mies van der Rohe teilnahm. 1952 wurde er in der Nachfolge des verstorbenen Architekten und Innenarchitekten Karl Wiehl (zeitgleich mit Herta-Maria Witzemann) auf eine Professur für Innenarchitektur und Möbelbau an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart berufen, die er bis 1975 innehatte.[2] Zwei Jahre lang, von 1969 bis 1971, war er Rektor der Akademie. Außerdem gehörte er seit 1961 dem Deutschen Rat für Formgebung an. Liberaler Gesinnung, modernen Kunstströmungen gegenüber aufgeschlossen, Rektor in einer hochschulpolitisch schwierigen Zeit, verlieh ihm 1977 die Stuttgarter Akademie die Ehrenmitgliedschaft. In seiner Laudatio bezeichnete ihn der damalige Rektor, Wolfgang Kermer, als „letzten Bauhäusler vom Weißenhof“.

Werk

Musikschrank Braun HM 6-81, 1958
Fernsehgerät Braun HF 1, 1958

Herbert Hirche war stets auch als freischaffender Architekt, Designer und Ausstellungsgestalter tätig. Er hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des Produkt- und Einrichtungsdesigns in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, wo er die Ideen der Bauhaus-Lehre einbrachte. Er entwarf Möbel und anspruchsvolle Industrieprodukte.

„Wenn etwas selbstverständlich und schön ist, dann ist es ein gutes Design.“[3]

Als das Unternehmen Braun sich designorientiert zu platzieren begann, beauftragte sie neben Hans Gugelot auch Herbert Hirche. Die erarbeitete Designhaltung wurde später von Dieter Rams fortgeführt. Musikschränke von Braun, entworfen von Herbert Hirche, gehörten in den späten 1950er Jahren in jede moderne Villa, viele Architekten empfahlen diese Geräte zur Ausstattung ihrer Gebäude.

Hirches Werk wurde auch auf nationalen und internationalen Messen und Ausstellungen gezeigt. Dazu gehören unter anderem die Triennale Mailand 1957 und die Weltausstellung in Brüssel 1958. Im Jahr 1964 wurden Beispiele seiner Arbeiten auf der documenta III in Kassel in der Abteilung Industrial Design gezeigt.

Sowohl seine Architektur, als auch die von ihm gestalteten Möbel und Industrieprodukte zeichneten sich durch Funktionalität und harmonische Proportionen auf der Basis meist kubischer Grundformen aus. Er entwickelte zerlegbare Wohnmöbel- und Büroeinrichtungssysteme, die von den Käufern selbst montiert werden konnten.

Sein Nachlass wird im Werkbundarchiv – Museum der Dinge Berlin aufbewahrt.

Literatur und Quellen

  • Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart. Zum 200jährigen Bestehen der Akademie. Die Lehrer 1946–1961. Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart, Stuttgart 1961, S. 78–81.
  • documenta III. Internationale Ausstellung (Katalog; Band 1 Malerei und Skulptur; Band 2 Handzeichnungen; Band 3 Industrial Design und Grafik) Kassel / Köln 1964.
  • herbert hirche. architektur innenraum design 1945-1978. Stuttgart 1978. (Katalog zu den Ausstellungen im Landesgewerbeamt Stuttgart 16. Februar – 30. März 1978, bauhaus archiv berlin 13. April – 14. Mai 1978, Haus Industrieform Essen 23. Juni – 22. Juli 1978, Institut für neue technische Form Darmstadt 20. Oktober – 26. November 1978; beiliegend Faltblatt mit Texten von Jürgen Hildebrandt, Wolfgang Kermer und Max Bill)
  • Michael Kasiske: Strahlend grau. Herbert-Hirche-Retrospektive im Werkbundarchiv. In: Bauwelt, 101. Jahrgang 2010, Heft 28 (vom 23. Juli 2010), S. 5.
  • Wolfgang Kermer: Geburtstage. (zum 65. Geburtstag von Herbert Hirche am 20. Mai 1975) In: Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart (Hrsg.): Akademie-Mitteilungen, Band 7 (für die Zeit vom 1. April 1975 bis 31. Mai 1976) Stuttgart 1976, S. 38.
  • Wolfgang Kermer: Humanes Design als Lebensaufgabe. Dem Architekten und Designer Herbert Hirche zum 75. Geburtstag. In: Stuttgarter Nachrichten, Nr. 115 vom 20. Mai 1985.
  • Harald Kimpel, Karin Stengel: documenta III 1964. Internationale Ausstellung. Eine fotografische Rekonstruktion. (= Schriftenreihe des documenta-Archivs, Band 12.) Edition Temmen, Bremen 2005, ISBN 3-86108-528-3.
  • Christian Marquart: Industriekultur, Industriedesign. Ein Stück deutscher Wirtschafts- und Designgeschichte. Die Gründer des Verbandes Deutscher Industrie-Designer. Berlin o. J. (um 1993), S. 105–135.
  • Clemens Niedenthal: Keine Anbiederung an den Konsumenten. In: Die Tageszeitung, Nr. 9252 vom 30. Juli 2010, S. 28.
  • Heide Rezepa-Zabel: Herbert Hirche. In: Sammlerjournal, Kunst, Antiquitäten, Auktionen, Jahrgang 2010, Heft 8, S. 32–39.
  • Reinhard A. Müller: Die Wilkhahn-Bauten in Bad Münder. Fabrikarchitektur eines Möbelproduzenten im 20. Jahrhundert. Dissertation, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2023. (doi:10.15488/13340)
  • Beispiele für seine Arbeiten. In: formguide.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Dezember 2012; abgerufen am 8. April 2023.
  • Nachruf der Kunsthochschule Berlin-Weißensee - Hochschule für Gestaltung
  • Herbert Hirche – Werkbundarchiv - Museum der Dinge. In: museumderdinge.de. Abgerufen am 8. April 2023.
  • Materialien von und über Herbert Hirche im documenta-Archiv

Einzelnachweise

  1. Akademie-Mitteilungen 3: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart: für die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis 31. März 1973. Hrsg. von Wolfgang Kermer, Stuttgart: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, April 1973, S. 7.
  2. Wolfgang Kermer: Daten und Bilder zur Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Edition Cantz, Stuttgart 1988. (= Verbesserter Sonderdruck aus: Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Eine Selbstdarstellung. Edition Cantz, Stuttgart 1988) o. P. [12], mit Abb.
  3. Herbert Hirche, zitiert in: nmz – Neue Musik Zeitung KIZ – Deutscher Kulturrat www.nmz.de vom 30. Januar 2002.
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