Henriette Herz

Henriette Julie Herz (geborene de Lemos; * 5. September 1764 in Berlin; † 22. Oktober 1847 ebenda) war Schriftstellerin und eine der führenden Berliner Salonnièren der Frühromantik. Sie war mit dem Arzt und Schriftsteller Marcus Herz[1] verheiratet.

Henriette Herz, porträtiert von Anna Dorothea Therbusch, tief dekolletiert in freizügiger Manier à la francaise, 1778
Henriette Herz (1783), Büste von Johann Gottfried Schadow, Gipsguss von 1901
Henriette Herz, porträtiert von Anton Graff, 1792
Henriette Herz, Bleistiftzeichnung von Wilhelm Hensel, 1823

Leben

Henriette Herz entstammte einer sephardisch-jüdischen Familie, deren Vorfahren väterlicherseits vor der Inquisition aus Portugal nach Hamburg geflohen waren. Ihre Eltern waren Benjamin Benveniste de Lemos (1711–1789), ein anerkannter Arzt und Direktor des Jüdischen Krankenhauses in Berlin, und Esther de Charleville (1742–1817), Tochter eines jüdischen Arztes.[2] Henriette wurde vor allem in verschiedenen Sprachen sehr gut ausgebildet. Im Alter von zwölf Jahren wurde sie mit dem 17 Jahre älteren Arzt Marcus Herz verlobt und zwei Jahre später verheiratet. Ihre Schwester Johanna (Channa) de Lemos (um 1768–1846) heiratete 1784 den Arzt und Schriftsteller Simon Herz in Prenzlau,[3] der zumeist als Bruder des Marcus Herz bezeichnet wird, was mitunter bezweifelt wird.[4]

Marcus Herz, der sich voll der Aufklärung und insbesondere seinem Lehrer Kant verschrieben hatte, hielt in ihrem Hause Vorlesungen über dessen Philosophie und führte Gesprächskreise zu wissenschaftlichen und philosophischen Themen. Henriette, deren Schwerpunkt eher das Literarische war, sammelte schnell einen Kreis junger literaturinteressierter Männer und Frauen um sich, wobei Rang oder Titel keinen Unterschied machten.

Henriette Herz leistete mit der Begründung und Führung eines der bekanntesten literarischen Salons (1780–1803) Pionierarbeit. Zunächst empfing ihr Ehemann hochgestellte Gäste aus Politik und Kultur, während Henriette in einem Nebenzimmer ein Frauenkränzchen abhielt, das einen Tugendbund zur „Pflege der Freundschaft“ gründete und sich vorwiegend mit den Sturm-und-Drang-Werken Goethes beschäftigte. Damit wurde der Grundstein zum Goethekult gelegt. Aus diesen beiden Zirkeln entwickelte sich der führende Berliner Salon, in der neueren Literatur auch Doppelsalon genannt, gelegen in der Spandauer Straße nahe der Marienkirche. In dem berühmten Salon verkehrten neben Politikern, Wissenschaftlern und bildenden Künstlern bedeutende Literaten und Philosophen, z. B. Johann Gottfried Schadow,[5] der hier auch seine spätere Ehefrau Marianne Devidels kennenlernte, die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt, Clemens Brentanos Frau Sophie Mereau-Brentano, Jean Paul, Ludwig Börne, Rahel Levin (spätere Varnhagen) und Friedrich Schleiermacher. Friedrich Schlegel begegnete hier Dorothea Veit, der ältesten Tochter des Philosophen Moses Mendelssohn, die später seine Frau wurde. Unterschiedliche literarische Strömungen, Epochen und Gesellschaftskreise fanden hier zusammen und es war Henriette Herz’ Verdienst, Kontakte und Freundschaften auch zwischen vielen deutschen und französischen Gelehrten, Künstlern und Wissenschaftlern hergestellt zu haben.

Ehrengrab von Henriette Herz in Berlin-Kreuzberg

1803 starb ihr Mann. Daraufhin musste Henriette Herz ihre Geselligkeiten stark einschränken und sich anderen, so dem Kreis um Rahel Varnhagen, anschließen. Ab 1813 unterrichtete sie als Sprachlehrerin nur noch mittellose Kinder, ihr Ruhm aber blieb bestehen. Nach dem Tod ihrer Mutter ließ sie sich 1817 taufen und konvertierte zum protestantischen Glauben; im selben Jahr unternahm sie eine Reise nach Italien.

Henriette Herz starb 1847 im Alter von 83 Jahren in Berlin. Beigesetzt wurde sie auf dem Friedhof II der Jerusalems- und Neuen Kirche vor dem Halleschen Tor. Ein Kreuz aus schwarz gestrichenem Eisenguss ziert das Grab; entworfen hat es Karl Friedrich Schinkel.[6]

Ehrungen

Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Henriette Herz seit 1956 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung wurde im Jahr 2016 um die übliche Frist von zwanzig Jahren verlängert.[7]

Henriette Herz erfuhr eine späte Ehrung im Jahre 1999: Auf Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses erhielt ein bis dahin namenloser Platz in der Nähe des Hackeschen Markts den Namen Henriette-Herz-Platz; die feierliche Namensgebung erfolgte am 7. April 2000.[8]

Literatur

  • Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen, hrsg. von Joseph Fürst, Berlin: Wilhelm Hertz 1850 (Digitalisat).
  • Ludwig Geiger: Herz, Henriette. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 12, Duncker & Humblot, Leipzig 1880, S. 258–260.
  • Ernst Heilborn: Die Gute Stube – Berliner Gesellschaft im 19ten Jahrhundert. Rikola-Verlag, Wien/München/Leipzig 1922, S. 12–14 sowie S. 49–67 (Zeitzeugen, Porträt von Henriette Herz).
  • Ingeborg Drewitz: Herz, Henriette Julie, geborene de Lemos. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 728 f. (Digitalisat).
  • Walter F. Schirmer: Die große Jette. Henriette Herz und ihr Freundeskreis. In: Jahrbuch „Der Bär von Berlin“, hrsg. vom Verein für die Geschichte Berlins, 24. Jg., Berlin 1975.
  • Cornelia Saxe: Das gesellige Canapé – Die Renaissance der Berliner Salons. Ullstein Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-88679-331-1
  • Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen. Hrsg. v. Rainer Schmitz. Die Andere Bibliothek, Berlin 2013, ISBN 978-3-8477-0347-1.
  • Udo Quak: Henriette Herz. „Glücklich schöne Stunden hatte ich“ – Eine Biographie. 2014, ISBN 978-3-7375-1015-8; epubli.de
  • Hannah Lotte Lund: Biographien jüdischer Frauen: Plädoyer zur Wiederentdeckung einer berühmten Frau – Henriette Herz zum 250. Geburtstag. In: Medaon, 15/2014 (online).

Belletristik

  • Heinz Knobloch: Henriette Herz. In: Berliner Grabsteine. Buchverlag der Morgen, Berlin, 1987, S. 71/73
  • Klaas Huizing: Frau Jette Herz. Albrecht Knaus Verlag, München 2005, ISBN 3-8135-0209-0
Commons: Henriette Herz – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Henriette Herz – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. siehe (u. a.) Henriette Herz in der Deutschen Biographie.
  2. Dr. Benjamin Benveniste (De Lemos) Dr. Benjamin Benveniste (De Lemos) Male 1711–1789 (78 years). blankgenealogy.com
  3. Vgl. Schleiermacher digital sowie Jürgen Theil (Autor), Uckermärkischer Geschichtsverein zu Prenzlau e. V. (Hrsg.): Prenzlauer Stadtlexikon und Geschichte in Daten, Eigenverlag, Prenzlau 2005, S. 77.
  4. Louis Levin: Die jüdischen Studenten an der Universität Frankfurt a. d. Oder. In: Jahrbuch der jüdisch-literarischen Gesellschaft 16 (1924), S. 78 (Compact Memory).
  5. Schadow-Gesellschaft
  6. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 232.
  7. Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: November 2018). (PDF, 413 kB) Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, S. 35; abgerufen am 25. März 2019. Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstätten als Ehrengrabstätten des Landes Berlin. (PDF, 205 kB). Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 17/3105 vom 13. Juli 2016, S. 1 und Anlage 2, S. 6; abgerufen am 25. März 2019.
  8. Henriette-Herz-Platz. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
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