Heliophysik
Heliophysik (von der Vorsilbe „helio“, aus dem attischen Griechisch hḗlios, was Sonne bedeutet, und dem Substantiv „Physik“: die Wissenschaft von Materie und Energie und ihren Wechselwirkungen) ist die Physik der Sonne und ihrer Verbindung mit dem Sonnensystem.[2] Die NASA definiert[3] Heliophysik als 1. „den umfassenden neuen Begriff für die Wissenschaft von der Verbindung zwischen Sonne und Sonnensystem“, 2. „die Erforschung, Entdeckung und das Verständnis der Weltraumumgebung der Erde“ und 3. „die Systemwissenschaft, die alle miteinander verbundenen Phänomene in dem Bereich des Kosmos vereint, der von einem Stern wie unserer Sonne beeinflusst wird.“[4][5]
Die Heliophysik befasst sich mit den Auswirkungen der Sonne auf die Erde und andere Himmelskörpern im Sonnensystem sowie mit den sich verändernden Bedingungen im Weltraum. Sie befasst sich hauptsächlich mit der Magnetosphäre, Ionosphäre, Thermosphäre, Mesosphäre und der oberen Atmosphäre der Erde und anderer Planeten.
Die Heliophysik vereint die Wissenschaft von der Sonne, der Korona, der Heliosphäre und dem erdnahen Weltraum (engl. Geospace, d. h. der oberen Atmosphäre, Ionosphäre und Magnetosphäre[6]) und umfasst weiter eine Vielzahl astronomischer Phänomene, darunter „kosmische Strahlung, Weltraumwetter und Strahlung, Staub und magnetische Rekonnexion, Kernenergieerzeugung und interne Sonnendynamik, Sonnenaktivität und stellare Magnetfelder, Aeronomie und interplanetare Medien, Magnetfelder und globale Veränderungen“ sowie Wechselwirkungen zwischen dem Sonnensystem und der Milchstraße.[5]
Herkunft der Bezeichnung Heliophysik
Der Begriff „Heliophysik“ (russisch гелиофизика) wurde in der russischsprachigen wissenschaftlichen Literatur häufig verwendet. Die dritte Ausgabe der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (1969–1978) definiert „Heliophysik“ als „ein Zweig der Astrophysik, der Probleme in der Physik der Sonne untersucht“.[7] Im Jahr 1990 richtete die Höhere Bescheinigungskommission (russisch Высшая аттестационная комиссия), die für die höheren akademischen Abschlüsse in der Sowjetunion und später in den postsowjetischen Staaten zuständig war, ein neues Fachgebiet „Heliophysik und Physik des Sonnensystems“ ein. In der englischsprachigen wissenschaftlichen Literatur vor etwa 2002 wurde der Begriff Heliophysik sporadisch verwendet, um das Studium der „Physik der Sonne“ zu beschreiben.[8]
Als solcher war er eine direkte Übersetzung aus dem französischen „héliophysique“ und dem russischen „гелиофизика“. Um 2002 übernahmen Joseph M. Davila und Barbara J. Thompson vom Goddard Space Flight Center der NASA den Begriff in ihre Vorbereitungen für das Internationale Heliophysikalische Jahr (2007/08), das 50 Jahre nach dem Internationalen Geophysikalischen Jahr ausgerufen wurde und erweiterten damit die Bedeutung des Begriffs auf den gesamten Einflussbereich der Sonne (der Heliosphäre). Der US-amerikanische Physiker George L. Siscoe, ein früher Befürworter der neuen erweiterten Bedeutung, charakterisierte den Begriff wie folgt:
„Die Heliophysik [umfasst] die Umweltwissenschaft, eine einzigartige Mischung aus Meteorologie und Astrophysik, die einen Datenbestand und eine Reihe von Paradigmen (allgemeine Gesetze – vielleicht größtenteils noch unentdeckt) umfasst, die spezifisch für magnetisierte Plasmen und neutrale [Stoffe] in der Heliosphäre sind, die mit sich selbst und mit der Gravitation von Körpern und ihrer Atmosphären interagieren.“
Um das Jahr 2007 wurde Richard R. Fisher, der damalige Direktor der Sun-Earth Connections Division des Science Mission Directorate der NASA, vom NASA-Administrator aufgefordert, einen prägnanten neuen Namen für seine Abteilung zu finden, der „besser auf 'Physik' enden sollte“.[9] Er schlug den Namen „Heliophysics Science Division“ vor, der seitdem verwendet wird. Die Heliophysics Science Division verwendet den Begriff „Heliophysik“ für die Erforschung der Heliosphäre und der Objekte, die mit ihr in Wechselwirkung stehen – vor allem der Planetenatmosphären und Magnetosphären, der Sonnenkorona und des interstellaren Mediums.
Die heliophysikalische Forschung steht in direktem Zusammenhang mit einem breiteren Netz physikalischer Prozesse, die ihre Reichweite natürlich über die engere Sichtweise der NASA hinaus erweitern, die sie auf das Sonnensystem beschränkt: Die Heliophysik reicht von der Sonnenphysik bis hin zur Sternphysik im Allgemeinen und umfasst mehrere Zweige der Kernphysik, Plasmaphysik, Weltraumphysik und Magnetosphärenphysik.
Die Heliophysik bildet die Grundlage für die Erforschung des Weltraumwetters und ist auch direkt an der Erforschung der Bewohnbarkeit von Planeten beteiligt. Diese vielfältigen Verbindungen zwischen der Heliophysik und den (astro-)physikalischen Wissenschaften werden in einer Reihe von Lehrbüchern zur Heliophysik[10] erforscht, die im Laufe von mehr als einem Jahrzehnt in von der NASA finanzierten Sommerschulen[11] für Nachwuchsforscher in diesem Fachgebiet entwickelt wurden.
Liste heliophysikalischer Missionen
- Ulysses (Raumsonde) (1990 bis 2009)
- Solar and Heliospheric Observatory (Zeitraum 1995 bis ca. 2025)
- Solar Terrestrial Relations Observatory, (gestartet 2006)
- Solar Dynamics Observatory (2010 gestartet)
- Parker Solar Probe (geplant für Dezember 2024)
Siehe auch
Literatur
- Karel Schrijver, Fran Bagenal, Tim Bastian et al: Principles Of Heliophysics: a textbook on the universal processes behind planetary habitability. 31. Oktober 2019, arxiv:1910.14022 (englisch).
- Heliophysics: The Solar and Space Physics of a New Era, Heliophysics Roadmap Team, 2009 in der Google-Buchsuche-USA
- George L. Siscoe, Carolus J. Schrijver: 1 – Perspective on heliophysics. Hrsg.: Cambridge University Press. 5. April 2013, Universal processes: “laws” of space weather (englisch, cambridge.org [abgerufen am 21. März 2024]).
Weblinks
- NASA Heliophysics. In: science.nasa.gov. Abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- Heliophysics (Memento vom 7. April 2010 im Internet Archive)
- Heliophysics Science Divison (HSD) (Memento vom 24. Februar 2010 im Internet Archive)
- 2007 – Das Internationale Jahr der Heliophysik (engl. International Heliophysical Year – IHY). In: cordis.europa.eu. 20. Februar 2007, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- Heliophysics Research. In: science.nasa.gov. Abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- What is heliophysics? In: heliophysics.ucar.edu. 2024, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- ESA Heliophysics. In: cosmos.esa.int. 2024, abgerufen am 20. März 2024 (englisch).
Einzelnachweise
- Heliophysics System Observatory (HSO). In: nasa.gov. 7. Juli 2017, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- Gough, D.O.: Our first inferences from helioseismology. In: Physics Bulletin. 1983, S. 502–507, bibcode:1983PhB....34..502G (englisch).
- Heliophysics: The New Science of the Sun-Solar System Connection. Recommended Roadmap for Science and Technology 2005–2035. In: ntrs.nasa.gov. 24. August 2013, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- The New Science of the Sun-Solar System Connection. (PDF) In: ntrs.nasa.gov. 24. August 2013, abgerufen am 21. März 2024 (englisch). S. 2
- Heliophysics: Evolving Solar Activity and the Climates of Space and Earth, herausgegeben von Carolus J. Schrijver, George L. Siscoe, Boston University, Cambridge University Press, 2010 in der Google-Buchsuche-USA Preface Xiii; ISBN 978-0-521-11294-9
- What is 'Geospace' . In: economictimes.indiatimes.com. 2024, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- Гелиофизика | это… Что такое Гелиофизика? (dt. Heliophysik | ist… Was ist Heliophysik?). In: dic.academic.ru. 1978, abgerufen am 21. März 2024 (russisch).
- Gough, D.O.: Heliophysics Gleaned from Seismology. ASP Conference Series. Nr. 462, September 2012, S. 429–454, arxiv:1210.1114, bibcode:2012ASPC..462..429G (englisch).
- Heliophysics – Interplanetary Weather: A New Paradigm. In: youtube.com. Abgerufen am 21. März 2024 (englisch). Richard Fisher spricht kurz nach der 1:30 Stunden Marke
- John A. (Jack) Eddy: Textbooks – The Sun, the Earth, and Near-Earth Space: A Guide to the Sun-Earth System. In: heliophysics.ucar.edu. 2024, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).
- NASA Heliophysics Summer School 2024. In: heliophysics.ucar.edu. 2024, abgerufen am 21. März 2024 (englisch).