Heinz-Dieter Kallbach
Heinz-Dieter Kallbach (* 11. September 1940 in Essen) ist ein ehemaliger deutscher Verkehrspilot. Im Guinness-Buch der Rekorde hat er einen Eintrag für die Landung eines Langstreckenjets auf einer kurzen Grasbahn.
Leben
Heinz-Dieter Kallbach ist der Sohn einer Arbeiterfamilie aus Essen, die 1942 aus Angst vor Luftangriffen zurück in ihre Heimat, die Lausitz zog. Kallbach wuchs im südbrandenburgischen Lauchhammer-Ost auf. Er begann 1955 eine Lehre als Dreher und meldete sich 1957 zur Nationalen Volksarmee. In Brandenburg-Briest und Dessau lernte er das Fliegen auf dem Doppeldecker Antonow An-2 und der zweimotorigen IL-14.
Weil seine Schwiegermutter im Westen lebte, war ihm eine Laufbahn als Pilot bei den Luftstreitkräften der DDR nicht möglich. Heinz-Dieter Kallbach wechselte 1961 als Pilot zur Deutschen Lufthansa (DDR), der späteren Interflug.
Bei der Interflug wurde Kallbach Instrukteur für die Antonow An-24 und wurde später Chefausbilder für die viermotorige Iljuschin Il-18. Solidaritätsflüge mit Hilfsgütern für Entwicklungsländer führten ihn mit der IL-18 quer durch Afrika und Asien. Er flog auch Flugplätze an, die normalerweise nicht von großen Fluggesellschaften bedient wurden.[1]
Ab 1978 flog er die vierstrahlige Iljuschin Il-62 und wurde 1983 Staffelleiter der IL-62-Flotte. Am 23. Oktober 1989 landete Kallbach einen Langstreckenjet dieses Typs (Kennzeichen DDR-SEG) auf der nur 850 Meter langen Grasbahn des Landeplatzes Stölln (siehe Iljuschin Il-62 auf dem Flugplatz Stölln/Rhinow).[2] Das Flugzeug war ein Geschenk der Interflug an die Stadt, in der Otto Lilienthal bei einem seiner Flugversuche abstürzte und in der Folge ums Leben kam. Die Landung wurde sorgfältig geplant, dafür etliche Bäume in der Einflugschneise gefällt und das Flugzeug, unter anderem durch eine Reduktion der Landemasse von 85 auf 75 Tonnen, entsprechend präpariert. Eine regulär betriebene IL-62 benötigt für eine übliche Landung im Linienverkehr mit Passagieren und Gepäck eine Piste von circa 2.500 m Länge.[3]
Während der Zeit der Wende wurde Heinz-Dieter Kallbach auf das moderne Muster Airbus A310 umgeschult.[4] Nach dem Ende der Interflug heuerte er ab November 1990 bei der Charterfluggesellschaft Germania an und flog Urlauber mit einer Boeing 737. Neben seinem Job als Verkehrsflieger steuerte er in seiner Freizeit auch noch einen „Rosinenbomber“ Douglas DC-3 und das Wasserflugzeug Cessna 206.
Am 27. März 2000 drang während des Fluges mit der Flugnummer LT 1407 der Fluggesellschaft Germania im Auftrag der LTU mit Kallbach als Flugkapitän ein Mann mit Selbstmordabsichten in das Cockpit der Boeing 737-700 ein und versuchte mit Gewalt, die Maschine zum Absturz zu bringen. Er verletzte den Flugkapitän mit Schlägen und Fußtritten und setzte mit Tritten gegen die Steuerelemente auch den Autopiloten außer Funktion. Nach einem sechs Minuten dauernden Kampf konnte der Attentäter überwältigt werden. Heinz-Dieter Kallbach war mit Hämatomen übersät, sein Kiefer und mehrere Rippen waren geprellt. Die Boeing 737 steuerte er dann sicher zum Zielflugplatz, die Germania feierte ihn als Helden.[5][6]
Im Jahr 2005 arbeitete er im Auftrag der Germania für die Billigfluggesellschaft Hapag-Lloyd Express. Nachdem Heinz-Dieter Kallbach 2005 in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus die hohe Arbeitsbelastung von Piloten bei Billigfluggesellschaften ansprach, wurde er von der Germania wenige Tage vor seinem planmäßigen Ruhestand suspendiert.[7]
Bereits am 28. September 2001 hatte Heinz-Dieter Kallbach einen DC-3-Rosinenbomber von Coventry nach Berlin überführt, mit dem in den Folgejahren – in Erinnerung an die Luftbrücke 1948/49 – Rundflüge mit Passagieren durchgeführt wurden. Am 19. Juni 2010 verunfallte die Maschine mit einem anderen Piloten am Steuer in der Nähe des Flughafens Schönefeld, wobei einige Passagiere verletzt und das Flugzeug erheblich beschädigt wurde. Bereits kurze Zeit später wurde ein Verein mit dem Zweck der Ermöglichung des Wiederaufbaus der Maschine gegründet. Heinz-Dieter Kallbach wurde Ehrenvorsitzender dieses Vereines. Inzwischen ist der Wiederaufbau der DC-3 aufgrund unkalkulierbarer Kostensteigerungen infolge strengerer gesetzlicher Vorgaben aufgegeben worden.[8]
Noch immer erhält Heinz-Dieter Kallbach seine private Fluglizenz, so dass er fliegerisch in Übung bleibt. Außerdem bildet er Flugschüler im Simulator aus.[9]
Literatur
- Günter Heribert Münzberg: Mayday über Saragossa. Heinz-Dieter Kallbach – Deutschlands legendärster Flugkapitän. Leipzig 2007, ISBN 978-3-939611-21-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Uwe Spranger: Attentäter, Feldpisten, Brände. Märkische Oderzeitung, 4. Juli 2015, abgerufen am 20. September 2019.
- Eine Lady landet, abgerufen am 20. September 2019
- Iljuschin Il-62 „Lady Agnes“, auf dem Segelflugplatz am Gollenberg bei Stölln (52° 44′ 43″ N, 12° 23′ 2″ O )
- Interview mit Heinz-Dieter Kallbach, abgerufen am 20. September 2019
- Rainer W. During: Ein offenbar psychisch Kranker stürmte das Cockpit einer LTU-Maschine. Tagesspiegel, 28. März 2000, abgerufen am 12. Juni 2022.
- Überfall in der Luft mit Cottbusern an Bord. Lausitzer Rundschau, 6. November 2008, abgerufen am 12. Juni 2022.
- Tatjana Meier: Kein empfehlenswerter Job. Focus, 11. Januar 2017, abgerufen am 20. September 2019.
- Sebastian Steinke: Berliner Rosinenbomber fliegt nie mehr. Flug Revue, 25. Februar 2019, abgerufen am 20. September 2019.
- Interview mit Heinz-Dieter Kallbach, abgerufen am 20. September 2019