Heinrich Staudinger
Heinrich „Heini“ Staudinger (* 5. April 1953 in Vöcklabruck) ist ein österreichischer Unternehmer. 2022 kandidierte er bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich.
Leben
Heinrich Staudinger wuchs in Schwanenstadt in Oberösterreich in einem katholischen Elternhaus[1] auf. Er begann in Wien diverse Studienrichtungen, u. a. Medizin und gründete 1980 mit dem Verkauf von Schuhen der dänischen Marke Earth Shoe ein Schuhgeschäft in Wien in der Lange Gasse im 8. Wiener Gemeindebezirk, welches sich zum Unternehmen GEA (später GEA / Waldviertler) entwickelte – mit Direktversand, Werksverkauf und Messen in Schrems, weiteren 34 Filialen in Österreich, 20 Filialen in Deutschland und einer Filiale in der Schweiz (August 2020).[2]
GEA/Waldviertler
1984 wurde in Schrems im Waldviertel eine selbstverwaltete Schuhfabrik Waldviertler Schuhwerkstatt – die die Waldviertler-Schuhe und andere Produkte produziert und entwickelt – gegründet, wo er als inzwischen ehemaliger Vertriebskunde ab 1991 Miteigentümer war und nun Mehrheitseigentümer ist. Die Fabrik wurde um eine Möbelwerkstatt erweitert. 2009 wurde in Schrems eine Halle aus dem Ergee-Konkurs gekauft, 2013 das leerstehende Hotel Post, das im Mai 2013 als Teil der GEA Akademie (wieder-)eröffnet wurde.[3][4]
Im GEA Verlag erscheint seit 2004 die Zeitschrift brennstoff, eine Weiterentwicklung von Beiträgen und Glossen in den seit „1997 ‚dank‘ einer Krise“[5] erscheinenden Werbeheften GEA Album.
2005 initiierte Staudinger die alternative Währung Waldviertler Regional.
Im Sommer 2013 kündigte er die GEA Formel Z an, einen „Verein zur Förderung von Kindern“.[6]
Genossenschaft
Seit Mitte der Nullerjahre befasst sich Staudinger mit der Idee, sein Unternehmen in eine Genossenschaft zu überführen. 2006 besuchte er die baskische Mondragon, und seit 2012, als er die TAZ-Leute kennenlernte, ist ihm „das Genossenschaftsmodell der TAZ Vorbild“.[7] 2014 gründete er die „Rückenwind COOP“ als „Förderungs- und Prüfungsverein gemeinwohlorientierter Genossenschaften“.[8]
Kreditfall Staudinger/Crowdfunding-Gesetz
Mit dem Kreditfall Staudinger wurde Heinrich Staudinger 2012 zur Staatsaffäre und erhielt internationale Aufmerksamkeit. Weil er von seiner Hausbank keinen Kredit mehr bekam, lieh er mit einer Art Crowdfunding Geld von seinen Freunden und Kunden. Daraufhin wurde gegen ihn von der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA ein Verwaltungsstrafverfahren eröffnet, da er durch die Aufnahme von Krediten unerlaubt das Geschäft einer Bank betrieb. In diesem Zusammenhang erhielt Staudinger argumentative Unterstützung von Christoph Leitl, dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Österreich.[9][10][11]
Am 17. Jänner 2014 wurde bekannt, dass auch eine letzte Gerichtsentscheidung gegen Heini Staudinger ausging. „Nach dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) bestätigte auch der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) die Rechtsmeinung der Finanzmarktaufsicht (FMA). Bis Ende Jänner 2014 gewährte die FMA Staudinger eine Nachfrist, um entweder das ausgeborgte Geld zurückzuzahlen oder alternative Lösungen vorzulegen.“[12] Staudinger hatte 3 Mio. Euro zur Finanzierung einer Photovoltaikanlage und einer Lagerhalle bei Privatleuten eingesammelt. Die FMA wurde in ihrer Rechtsmeinung bestätigt, dass es sich dabei um ein Bankgeschäft handle, wofür er eine Bankkonzession brauchen würde. „Nicht öffentliche Anleihe oder die Nachrangigkeitserklärung“ waren laut seinem Bruder und Anwalt Karl Staudinger die Alternativvarianten in Überlegung.[13][14] Laut Kurier vom 21. Jänner 2014 wollte Staudinger das rechtskonforme Nachrangigkeitsdarlehen – der GmbH bei 4 % Zinsen p. a. – anwenden und gab dazu noch eine persönliche Bürgschaft.[15]
Bundespräsidentenwahl 2022
Als Teilnehmer der Bundespräsidentenwahl in Österreich am 9. Oktober 2022 (Ergebnis: Wiederwahl von Alexander Van der Bellen) erhielt Staudinger 1,5 Prozent der Stimmen.[16] Staudinger führte keinen Wahlkampf im klassischen Sinne, sondern beschränkte sich auf wenige Auftritte und Interviews, bei welchen er mitunter durch eigenwillige Ansichten auffiel, aber auch als authentisch empfunden wurde. Als seine Kernthemen strich er eine kritische Haltung gegenüber Kapitalismus, Konzernen, Ressourcenverbrauch und Vermögensverteilung hervor.[17][18][19] In einem Interview auf puls 4 am 28. September 2022 sagte Staudinger zur MeToo-Bewegung, dass die Forderungen der politischen Correctness von der CIA entwickelt worden seien. Angesprochen auf den Russischen Überfall auf die Ukraine sah Staudinger die Ukraine und die NATO genauso in der Verantwortung wie Russland.[20]
Audio
Film
- Nicole Scherg: Das Leben ist keine Generalprobe, Österreich 2016, Digital Video/DCP, 90 min., mit Unterstützung von BMUKK Innovative Film, ORF Film/Fernsehabkommen Innovation, Land Niederösterreich[23]
Weblinks
- Lebenslauf von Heinrich Staudinger auf globart.at
- Webpräsenz der Firma GEA/Waldviertler
- Doris Akrap, Heini Staudinger, Karl-Heinz Ruch: Warum der alternative Aufbruch vor 30 Jahren heute Früchte trägt und cool bleibt! Am Ball bleiben, taz.lab 2012 „Das gute Leben: Es gibt Alternativen“
- Joseph Gepp: Bürger gegen Banken: Eine Schuhfabrik gegen die Finanzmarktaufsicht – Falter 48/12
- Ralf Leonhard: Schuh-Hersteller Staudinger: „Gegen das Monopol der Banken!“, 7. Dezember 2012, taz
- Karl-Heinz Ruch: Postwachstum auf dem taz.lab: Wissen trifft Handeln – Panel mit Heini Staudinger und Niko Paech, 5. März 2013, taz.lab 2013 „Erfindet. So kann es nicht weitergehen“
- Gereon Asmuth: taz.lab 2013: Wo der Schuh drückt – Geld oder Leben? Der Schuhproduzent Heini Staudinger und der Volkswirt Niko Paech diskutieren über subversive Betriebswirtschaft, 20. April 2013, taz.lab 2013 „Erfindet. So kann es nicht weitergehen“
Einzelnachweise
- (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2024. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Webpräsenz der Firma GEA: GEA-Läden – Stand April 2016
-
Markus Lohninger: Heini kauft Hotel Post (Memento des vom 28. September 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. – Wiederbelebung / Aufatmen in der Granitstadt: Das einzige Hotel wird wieder geöffnet – und soll an Gea-Standard herangeführt werden, 20. Februar 2013, NÖN
Jürgen Zahrl: Schuhrebell macht altes Hotel flott – Heinrich Staudinger eröffnet im Waldviertel ein Literaturcafé – im alten Hotel "Post" / Trotz seines Streits mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) will Heinrich Staudinger seine Investitionslaune keinesfalls bremsen 26. März 2013, Kurier (auch im GEA brennstoff (Memento des vom 15. Dezember 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf w4tler.at/geaneu) - GEA Album, Nr. 87 – PDF (Memento vom 21. Juli 2013 im Internet Archive), 5,5 MB
- GEA Album, Nr. 67, S. 4 (download PDF (Memento des vom 21. Juli 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , 5,5 MB)
- „Formel Z“ als neuer Steuer-Trick, kurier.at, 22. August 2013
- Genossenschaft – Illusion und Wirklichkeit, GEA brennstoff Nr. 45 /16, Seite 15 – PDF: http://w4tler.at/wp-content/uploads/2014/10/Brennstoff_45_MASCHINE_LR.pdf
- rueckenwind.coop – Web von „Rückenwind COOP“
- Karl Leban: Waldviertler Behördenschreck hat Gesprächstermin in Wirtschaftskammer, 20. November 2012, Wiener Zeitung
- Franz Schellhorn: SuperMarkt: Ein Volkstribun namens "Heini", 24. November 2012, Die Presse
- FMA Hintergrundinformation (Memento des vom 27. November 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. – Heini Staudinger über den Konflikt mit der FMA, GEA Album Nr. 64, Herbst 2012
- „Schuhrebell“ Staudinger verliert Recht[s]streit, shoez.biz vom 19. Jänner 2014
- Waldviertler gegen FMA: Staudinger blitzt bei UVS ab. In: orf.at. 17. Januar 2014, abgerufen am 15. März 2024.
- Jürgen Zahrl: Waldviertler: Strafe für Schuhrebellen bestätigt. In: kurier.at. 17. Januar 2014, abgerufen am 11. Februar 2024.
- Jürgen Zahrl: Schuhrebell macht „Friedensangebot“. In: kurier.at. 21. Januar 2014, abgerufen am 11. Februar 2024.
- Bundespräsidentenwahl 2022. In: bundeswahlen.gv.at. Bundesministerium für Inneres, abgerufen am 11. Oktober 2022.
- Heinrich Staudinger: Der unfreiwillige Social-Web-Wahlkampf des Waldviertler Schusters. In: derstandard.at. 6. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2022.
- Lokalaugenschein: Staudinger im Wahlkampf. In: orf.at. 4. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2022.
- "Anstrengender Wahlkampf": So schnitt Schremser Heini Staudinger ab. In: noen.at. 10. Oktober 2022, abgerufen am 11. Oktober 2022.
- Hofburg-Kandidat Staudinger: Metoo-Bewegung "von CIA entwickelt", kurier.at, 29. September 2022, abgerufen am 6. Oktober 2022
- Bürgerrecht vor Bankenrecht Interview mit Michael Kerbler, 3. Oktober 2013.
- Heinrich Staudinger – Wirtschaftsrebell und Unternehmer Gestaltung: Ursula Burkert, 20. Juli 2014.
- daslebenistkeinegeneralprobe.at