Heinrich Schickhardt

Heinrich Schickhardt (oder Schickard; * 5. Februar 1558 in Herrenberg; † 14. Januar 1635 in Stuttgart) war ein Hofbaumeister des Herzogtum Württembergs und ein bedeutender Baumeister der Hochrenaissance Deutschlands. Für Kunsthistoriker und Kunstgeschichte ist Schickhardt von herausragender Bedeutung. Sein umfangreiches, akribisch geführtes Werkverzeichnis blieb als bedeutende Hinterlassenschaft bis heute erhalten. Er ist ein bedeutender Vertreter der schwäbischen Linie der Schickhardt-Familie.

Porträt von Heinrich Schickhardt

Leben

Heinrich Schickhardt entstammte einer Herrenberger Handwerkerfamilie, sein Großvater Heinrich Schickhardt der Ältere schuf das Chorgestühl der Herrenberger Stiftskirche. Nach seiner Gesellenzeit wurde er 1578 Gehilfe des württembergischen Hofbaumeisters Georg Beer, mit dem er am Neuen Lusthaus Stuttgart und ab 1586 am Jagdschloss in Hirsau arbeitete. Außerdem war er mit Beer ab 1590 am Wiederaufbau von Schiltach beteiligt.

Herzog Friedrich I. zog ihn nach seinem Regierungsantritt 1593 immer häufiger zu Bauprojekten heran. Von Friedrich bekam Schickhardt unter anderem den Auftrag zum Ausbau der Residenzstadt Mömpelgard (Montbéliard); dort ist der Schwabenhof, an dem er 1599/1602 baute, erhalten geblieben. 1599 begann er mit dem planmäßigen Bau von Freudenstadt im Schwarzwald, wobei dort größtenteils die vom Herzog favorisierte Planvariante nach „Mühlbrettsystem“ anstelle der von Schickhardt vorgeschlagenen schachbrettartigen Grundkonzeption ausgeführt wurde. 1599/1600 begleitete er den Herzog nach Rom und führte ein genaues Reisetagebuch, nachdem er bereits 1598 das Land bereist hatte. In Italien interessierte sich Schickhardt für den dortigen Festungsbau und die Anlage von Planstädten. Er besuchte Livorno und die Festung Casale und machte die Bekanntschaft mit dem Festungsbaumeister Bonaiuto Lorini, dem Erbauer von Palmanova.

Zurück in Württemberg baute er von 1600 bis 1602 die Ulrichsbrücke über den Neckar in Köngen, die bis heute erhalten blieb. 1608 wurde Heinrich Schickhardt zum herzoglich-württembergischen Landbaumeister ernannt. Er war der wichtigste Baumeister der Renaissance in Südwestdeutschland. Er war am Wiederaufbau von Oppenau und Vaihingen an der Enz nach Stadtbränden beteiligt und erbaute zahlreiche Kirchen, unter anderem in Göppingen und Heidenheim an der Brenz. Er war an zahlreichen Schlossbauten beteiligt, errichtete aber auch viele Bäder, Brunnen, Keltern und Bürgerhäuser. Als sein Hauptwerk gilt der Neue Bau in Stuttgart (1600/1609). Dieser Prachtbau der deutschen Renaissance brannte 1757 ab und wurde deshalb 1778 abgebrochen.

Neben Bauten plante Schickhardt auch die Schiffbarmachung des Neckars zwischen Stuttgart und Heilbronn, wofür er das gesamte Gebiet kartografieren ließ und Verhandlungen mit niederländischen und italienischen Wasserbautechnikern sowie mit der Reichsstadt Heilbronn führte.

Am 14. Januar 1635, inmitten des Dreißigjährigen Krieges, wurde Schickhardt in Stuttgart von Soldaten erstochen, weil er sich anschickte, die Vergewaltigung einer Angehörigen durch diesen Soldaten zu verhindern.[1]

Bauten (chronologisch)

Das Lusthaus in Stuttgart, 1589
Die Ulrichsbrücke in Köngen von 1602 über den Neckar
Die Neugründung Freudenstadt im „Dreizeilenplan“ von Schickhardt
1579–81Schloss Stammheim (Stuttgart)
1586–89Erweiterung des Esslinger Rathauses
1590Wiederaufbau der Stadtanlage von Schiltach nach Stadtbrand
1592Pfarrkirche in Freudenstadt-Grüntal: Planung Georg Beer, Bauleitung H. Schickhardt
1592Schloss Deufringen in Deufringen unter dem Schorndorfer Obervogt Jakob von Gültlingen
1593Umbau des Schlosses Hochberg in Remseck
1595Haus mit hydraulischer Pumpe für die Wasserversorgung des Schlosses in Montbéliard
1595–97Logis des gentilshommes im Schloss von Montbéliard
1596Umbau des Stiftsfruchtkastens in Stuttgart
1596–97Badhaus in Bad Boll
1598–1605Planung der Erweiterung des Schlosses Hellenstein in Heidenheim einschließlich einer Schlosskirche im Renaissance-Stil als Querkirche, ausgeführt durch Elias Gunzenhäuser
1598–1607Collège universitaire in Montbéliard
1598–1608Neues Stadtviertel, genannt La Neuveville, in Montbéliard
1599Gründung von Freudenstadt als Planstadt nach Schickhardts „Dreizeilenplan“
1599–1601Evangelische Kirche in Aidlingen-Dachtel
1599–1602Modellbauernhof, genannt La Souaberie, in Montbéliard
1600Kelter in Hedelfingen
1600Umbau des Schlosses Wildberg
1600Direktoriumsgebäude des Collegium Illustre in Tübingen
1600Schloss Nippenburg bei Schwieberdingen
1600–02Steinbrücke über den Neckar in Köngen
1601–07Evangelische Kirche Saint-Martin in Montbéliard (Mömpelgard)
1602–03Evangelische Stadtkirche in Hornberg
1604Neues Schloss in Altensteig
1604–30Stiftsgebäude des Augustinerchorherrenstift Backnang (Entwurf)
1605Prinzenbau in Stuttgart
1605Verlängerung des Baues des Schlosses Waldenbuch
1606Pfarrhaus in Hildrizhausen
1606–07Unteres Schloßportal in Tübingen
1606–08Fertigstellung der von Elias Gunzenhäuser geplanten und errichteten Stadtkirche Freudenstadt nach dessen Tod 1606
1608Erneuerung der Obergeschosse des Schlosses in Poltringen
1609–10Gut Seehaus in Leonberg
1609–14Ausbau und Erweiterung des Schlosses Leonberg
1610Umbau der Allerheiligenkapelle in Esslingen
1610–11Georgskirche in Horkheim
1610–11Planung der neuen Neckarbrücke in Plochingen[2]
1610–12Planung zur Langhaus-Erweiterung der Lambertuskirche (veränderte Ausführung durch örtliche Baumeister) und Neubau des Pfarrhauses in Pfaffenhofen
1612Drahtmühle zu Christophstal
1612Pfarrhaus in Benningen am Neckar
1612Umbau des Schlosses Hochdorf in Remseck am Neckar
1612–13Umgestaltung der Stadtkirche in Cannstatt
1613Turmerhöhung der Stadtpfarrkirche in Metzingen
1613Wiederaufbau des Konigsbronner Pfleghofs in Pfullendorf
1614Achteckgeschosse des Turms der Pfarrkirche St. Michael in Backnang
1614Pfarrhaus in Tailfingen
1615Gesamtplanung des Wiederaufbaus der Stadt Oppenau nach dem Stadtbrand
1615–17Schloss Mauren in Ehningen
1617Langhaus der Ev. Stadtkirche St. Martin in Gochsheim
1617Entwurf des Neptunbrunnens in Tübingen, ausgeführt von Georg Miller
1617–18Erhöhung des Christophsbades in Göppingen
1617–19Turmaufsatz der Pfarrkirche St. Clemens in Horrheim
1617–20467 m Wasserstollen durch Kalktuffbarre. Fischteich-Nutzung des „Bodenlosen Sees“ bei Seeburg (Bad Urach)
1618Fruchtkasten der Herrenalber Pflege in Vaihingen an der Enz
1618–19Evangelische Stadtkirche Göppingen
1618–21Evangelische Pfarrkirche Adolzfurt
1619Evangelische Stadtkirche Vaihingen an der Enz: Wiederherstellung der 1618 ausgebrannten Kirche – Kirche 1693 erneut bis auf die Außenmauern abgebrannt und 1698–1701 wiederhergestellt
1621Erweiterung der Michaelskirche in Stuttgart-Degerloch
1621Erweiterung der Michaelskirche in Heidenheim
1621Evangelische Ulrichskirche (Siglingen) – nur Planung
1621Evangelische Pfarrkirche in Sternenfels-Diefenbach
1623–24Evangelische Stadtkirche Bad Wildbad, 1742 abgebrannt, 1747–50 ersetzt durch Neubau
1624Turm der evangelischen Pfarrkirche in Oberensingen
1625Evangelische Kirche Pfedelbach-Untersteinbach
1625Fruchtkasten in Dornstetten
1625Turmhelm der Pfarrkirche in Ebersbach an der Fils
1625Backnanger Stadthaus
1631Turmaufsatz der Pfarrkirche in Laichingen
1634Turmhelm der Klosterkirche Denkendorf

Ehrungen

Verschiedentlich wurden Schickhardt auch solche Bauten zugeschrieben, an denen er selbst aber wohl nur geringen Anteil hatte. Bekannte Beispiele sind die Stadtkirche und das Kaufhaus (sog. Schickhardtbau) in Freudenstadt, die beide mit einiger Sicherheit von Elias Gunzenhäuser erbaut wurden.[3]

Nach Schickhardt wurden verschiedenenorts Straßen und Schulen benannt.

Die Heinrich-Schickhardt-Straße

Ein Kulturweg des Europarats wurde 1992 nach Heinrich Schickhardt benannt. Die Heinrich-Schickhardt-Kulturstraße verläuft ost-westlich von Göppingen und Vaihingen/Enz über Freudenstadt nach Blamont.[4] Entlang der Strecke sind viele Werke Schickhardts zu besichtigen.

Veröffentlichungen

  • Schickhar[d]t, Heinrich: Beschreibung einer Reiß, welche ... Friderich Hertzog zu Würtemberg vnnd Teck, ... im Jahr 1599 selb neundt, auß dem Landt zu Würtemberg, in Italiam gethan. Mömpelgard, 1602 (Digitalisat). Nachgedruckt in: Schickhar[d]t, Heinrich: Rayß in Italien. Herrenberg: Kulturkreis, 1986, S. 1–213. Außerdem: Dirk Jonkanski: Heinrich Schickhardts Reiseaufzeichnungen aus Italien. Herausgabe und Kommentar, Dissertation TU Berlin 1991.

Quellen

  • Nachlass von Heinrich Schickhardt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, N 220. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=6668
  • Inventar von Heinrich Schickhardt mit Verzeichnis seiner Werke in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Cod. hist. fol. 562. http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz306956896; Druckausgabe: André Bouvard/Denise Rietsch (Bearb.): Inventarium 1630 - 1632 - Inventar der Güter und der Werke eines Architekten der Renaissance / Heinrich Schickhardt. Braun, Karlsruhe 2013, ISBN 978-3-7650-8616-8.
  • Wilhelm Heyd (Bearb.): Handschriften und Handzeichnungen des herzoglich württembergischen Baumeisters Heinrich Schickhardt. Stuttgart 1902.

Literatur

  • August Wintterlin: Schickhardt, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 31, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 170–174.
  • Julius Baum: Forschungen über die Hauptwerke des Baumeisters Heinrich Schickhardt in Freudenstadt, Mömpelgard und Stuttgart, sowie über die Schlösser in Weikersheim und Aschaffenburg. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 185), Heitz, Straßburg 1916.
  • Adolf Schahl: Heinrich Schickhardt – Architekt und Ingenieur. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, 18, 1959, S. 15–85.
  • Ehrenfried Kluckert: Heinrich Schickhardt. Architekt und Ingenieur. Eine Monographie. Herrenberg 1992.
  • Sönke Lorenz; Wilfried Setzler (Hrsg.): Heinrich Schickhardt. Baumeister der Renaissance / Heinrich Schickhardt. Maître d’oeuvre de la Renaissance. Leinfelden-Echterdingen 1999, ISBN 3-87181-411-3.
  • Robert Kretzschmar (Hrsg.): Neue Forschungen zu Heinrich Schickhardt. Beiträge einer Tagung des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins und des Hauptstaatsarchivs Stuttgart am Samstag, dem 15. Januar 2000 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017845-8.
  • Robert Kretzschmar: Heinrich Schickhardt in Hohenlohe; in: Württembergisch Franken, Jahrbuch Bd. 86/2002, Schwäbisch Hall 2002, S. 227–247
  • Ursula Kümmel (Hrsg.): Heinrich Schickhardt und Esslingen am Neckar. Ausgewählte Beiträge anlässlich der Erneuerung des Alten Rathauses 1995 bis 2002. Esslingen am Neckar 2003.
  • Harald Schukraft: Schickhardt, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 725–727 (Digitalisat).
  • Claus Bernet: Heinrich Schickhardt. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 26, Bautz, Nordhausen 2006, ISBN 3-88309-354-8, Sp. 1319–1342.
  • Robert Kretzschmar, / Sönke Lorenz (Hg.): Leonardo da Vinci und Heinrich Schickhardt. Zum Transfer technischen Wissens im vormodernen Europa. Stuttgart: Kohlhammer, 2010.
  • Ulrich Zimmermann: Ein Wunderwerk des Kirchenbaus? Heinrich Schickhardts Göppinger Stadtkirche im Wandel der Jahrhunderte; in: Schwäbische Heimat, 72. Jg., Heft 1/2021, Stuttgart 2021, S. 42–48.
Commons: Heinrich Schickhardt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Joachim Peterke: Geschichte der Gemeinde Hegnach. Hrsg.: Joachim Peterke im Auftrag der Gemeinde Hegnach. Emil Scheel, Buch- und Offsetdruckerei, Oeffingen/Stuttgart 1969, S. 87 und 101.
  2. Wurster, Otto: Heimatgeschichte Plochingen. 1949 S. 431.
  3. Seeger, Christoph: „Es muß nicht immer Schickhardt sein!“ Zur Bedeutung Heinrich Schickhardts für den Kirchenbau in Württemberg zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In: Kretzschmar, Robert (Hg.): Neue Forschungen zu Heinrich Schickhardt. (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 151), Stuttgart: Kohlhammer 2002, S. 111–143.
  4. Heinrich-Schickhardt-Kulturstraße – Die Straße In: heinrich-schickhardt-kulturstrasse.de, abgerufen am 9. Oktober 2018.
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