Heimrichstisch

Der Heimrichstisch, abgeleitet vom Heymeltisch, gehegtes Gericht, befindet sich an der Damaschkestraße in Weimar. Ursprünglich in einer eingehegten Wiese befindlich, liegen dort heute Gartenanlagen. Der Heimrichstisch gehörte zur Flur der Wüstung Wallendorf,[1] an die sonst noch die in der Paul-Schneider-Straße befindliche Wallendorfer Mühle erinnert.[2][3][4] Die Tischplatte besteht aus grobkörnigem Granit, während die Steinbänke aus Travertin und Berkaer Buntsandstein bestehen.[5] Markant tritt am Tischsockel die Zahl „1600“ entgegen, vermutlich das Jahr seiner Errichtung. An diesem Ort hielten die Besitzer der Wallendorfer Flur bis 1852 Gericht.[6] Sie bildeten eine eigene Flurgenossenschaft, die sich 1877 auflöste.[7] Die Stadt übernahm diesen Stein von der sich auflösenden Flurgenossenschaft unter der Bedingung diesen „auf ewige Zeiten“ zu erhalten. Das geschah mit einem Beschluss vom 3. November 1876, wofür die Stadt aus der Wüstungskasse 60 Taler erhielt.[8] Es ist wie die gesamte Wüstung Wallendorf ein eingetragenes Bodendenkmal der Stadt Weimar.[9] Im Weimarer Stadtarchiv befindet sich zum Heimrichstisch u. a. die historische Aktenüberlieferung in Hinsicht auf die Verpachtung von Gemeindeareal, welches sich an den Heimrichstisch anschließt beziehungsweise unter der Rubrik „Denkmäler der Stadtaufsicht“.[10][11]

Heimrichstisch in Weimar

Eine Zeichnung von Alt-Wallendorf zeigt auch den Heimrichstisch, um dem sich eine Gruppe Männer versammelt hat.[12]

Mit dem Heimrichstisch(en) hatte es hinsichtlich der gerichtlichen Festbräuche seine besondere Bewandtnis, wovon u. a. Helene Böhlau Mitteilungen gemacht hat.[13] Das betraf den „Heimrich“ oder „Heymel“ bzw. das „Hegemahl“ oder „Hegemal“ (Flurgericht).[14] Ein solches Hegemal gab es auch anderenorts wie z. B. im Rheinland.[15] In Thüringen war es jedenfalls weit verbreitet.[16] Das Feldgericht u. a. in Frankfurt am Main hat die gleiche Bedeutung.[17][18][19] Helene Böhlau's Schilderungen zufolge gab es einst in der Umgebung Weimars mehrere Heimrichstische. Sie schreibt über einen im Rödchen[20], nicht jedoch von dem in Wallendorf. Außerdem nennt sie diesbezüglich „uralte Steintische“ und spricht nicht von einem „uralten Steintisch“.[21] Von den anderen derartigen Steintischen in der Umgebung Weimars, die Helene Böhlau erwähnt hat, ist wohl nichts (mehr) zu finden oder bekannt.

Einzelnachweise

  1. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Hrsg.): Weimar und seine Umgebung. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme im Gebiet von Weimar und Bad Berka (= Werte unserer Heimat. Band 18). Akademieverlag, Berlin 1971, S. 72.
  2. Gitta Günther, Wolfram Huschke, Walter Steiner (Hrsg.): Weimar. Lexikon zur Stadtgeschichte. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1998, S. 194.
  3. Gerd Seidel, Walter Steiner: Baustein und Bauwerk in Weimar (= Ständige Kommissionen Kultur der Stadtverordnetenversammlung Weimar und des Kreistages Weimar-Land in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Weimar (Hrsg.): Tradition und Gegenwart. Weimarer Schriften. Heft 32). Weimar 1988, ISBN 3-910053-08-4, S. 73.
  4. Dort befand sich bis 1989 ein Sühnekreuz, welches aber in diesem Jahr verschwunden ist.
  5. Gerd Seidel, Walter Steiner: Baustein und Bauwerk in Weimar (= Ständige Kommissionen Kultur der Stadtverordnetenversammlung Weimar und des Kreistages Weimar-Land in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Weimar (Hrsg.): Tradition und Gegenwart. Weimarer Schriften. Heft 32). Weimar 1988, ISBN 3-910053-08-4, S. 22.
  6. Zu den Funktionsträgern eines solchen Gerichtes siehe Heimbürger.
  7. Am 14. August 1671 wurde die Verordnung zur Abhaltung des Hegemahls (Gerichtshandlung) in der Stadt und den Fluren Wallendorf, Lützendorf und Kleinroda erlassen. Manfred Hartung: Vorbemerkungen zu Siedlungsformen und Wüstungen. (PDF; 302 kB) Chronik Weimar-Nord – Wüstungen in Weimar-Nord. In: weimar-nord.de. Ortsteilrat Weimar-Nord, Dezember 2013, S. 7, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2021; abgerufen am 19. Juli 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/weimar-nord.de
  8. Karl Kuhn: Aus dem alten Weimar. Skizzen und Erinnerungen. Bergmann, Wiesbaden 1905, OCLC 795356081, S. 172.
  9. Eingetragene Bodendenkmale nach § 2 Abs. 7 und § 4 Abs. 1 ThürDSchG. (PDF; 30 kB) In: stadt.weimar.de. 11. Februar 2015, S. 1, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. August 2018; abgerufen am 19. Juli 2019 (Nr. 6: Wüstung Wallendorf mit Richtertisch).
  10. Heimrichstisch. In: archive-in-thueringen.de. Neues Archiv (NA) – Archivportal Thüringen, abgerufen am 13. Oktober 2018 (Suche nach Phrase).
  11. Heimrichstisch. In: archive-in-thueringen.de. Neues Archiv (NA) – Archivportal Thüringen, abgerufen am 13. Oktober 2018 (Suche nach Systematik).
  12. Die Zeichnung befindet sich im Besitz der Klassikstiftung Weimar unter KSW, Museen, Inv.-Nr. Gr.-2008/25522. Auf der Zeichnung ist der Heimrichstisch rechts zu sehen.
  13. Helene Böhlau: Altweimarische Liebes- und Ehegeschichten. Antigonos, Paderborn 2013, S. 38 (Erstausgabe Weimar 1897; Scan in der Google-Buchsuche).
  14. Carl Gräbner: Die Grossherzogliche Haupt- und Residenz-Stadt Weimar, nach ihrer Geschichte und ihren gesammten gegenwärtigen Verhältnissen dargestellt. Verlag Bernhard Friedrich Voigt, Weimar 1836, S. 289 (Scan in der Google-Buchsuche).
  15. Franz Steinbach: Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen (=Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen: Geisteswissenschaften Hft. 87), Wiesbaden 1960, S. 39.
  16. https://fwb-online.de/lemma/ackergericht.s.2n
  17. Adelung: Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Bd. 1, Sp. 159.
  18. Es gab das Feldgericht vom Kühhornshof, von dem sich noch ein kleines Relikt erhalten hat. Es ist ein Relief mit einem Fuchs und der Laute.
  19. Udo Manfred Hagner: Zwischen Heimbürge und Schultheiß, Hegemal und Instruction : die Dorfgemeinde und ihre Verfassung im Territorium der Fürstentümer Reuß bis zum Erlass der Gemeindeordnungen von 1850 (Reuß j.L.) bzw. 1871 (Reuß ä.L.), Verlag Beier & Beran, Langenweißbach 2014 (zugl. Diss. Jena 2014).
  20. Sie meint ein kleines Waldgebiet, welches als Bürgerrödchen bezeichnet wird. Das gegenüber der Ettersburger Straße gelegene Herrenrödchen, an welchen sich die Straße Am Herrenrödchen anschließt, dürfte hingegen nicht gemeint sein.
  21. Helene Böhlau: Altweimarische Liebes- und Ehegeschichten. Antigonos, Paderborn 2013, S. 38 (Erstausgabe Weimar 1897; Scan in der Google-Buchsuche). Wörtlich heißt es hier: „Um Weimar, unter alten Linden, da findet man noch hie und da uralte Steintische, die das Volk jetzt »Heinrichstische« nennt, Heimrichstische, die aus alten Irrblöcken gehauen, an denen einst Gericht gehalten wurde.“

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