Heilmittel
Ein Heilmittel ist ein Stoff (Heilstoff), Gegenstand oder Behandlungsverfahren, von dem eine heilsame Wirkung auf den Patienten ausgehen soll. Bis ins 19. Jahrhundert wurde das Wort Heilmittel (lateinisch Remedium[1][2]) synonym zu Arzneimittel, Arznei oder Medikament (lateinisch medicamentum) benutzt;[3] umgangssprachlich wird der Begriff auch heute noch oft so verwendet. Insbesondere im deutschen Sozialrecht des 20. Jahrhunderts hat sich die Bedeutung des Begriffs aber grundlegend gewandelt. Eine begriffliche Trennung zwischen Arzneimittel und Heilmittel wurde in Deutschland mit der Reichsversicherungsordnung von 1914 eingeführt. Auch die Gesetzgebung um 1981 trennte die Begriffe, um pflegerische und flankierende Mittel bzw. Maßnahme aus der Erstattungspflicht der Krankenkassen auszusondern.[4]
Heilmittel im deutschen Krankenversicherungsrecht
Rechtsgrundlage der Versorgung der Krankenversicherten mit Heilmitteln ist der § 32 SGB V.[5] Um was es sich bei Heilmitteln handelt, definiert das Gesetz nicht, es gibt aber dem Gemeinsamen Bundesausschuss den Auftrag, Näheres zur Heilmittelversorgung in einer Richtlinie nach § 92 SGB V zu bestimmen.
Nach der Heilmittel-Richtlinie[6] sind Heilmittel persönlich zu erbringende medizinische Leistungen. Im Einzelnen handelt es sich um Maßnahmen
- der Physiotherapie und der physikalischen Therapie
- der Podologischen Therapie
- der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie
- der Ergotherapie sowie
- der Ernährungstherapie
- der staatl. geprüften Heilpraktiker
Die Heilmittel-Richtlinie regelt, unter welchen Voraussetzungen die Maßnahmen ärztlich verordnet werden dürfen. Der als Teil II der Richtlinie angefügte Heilmittelkatalog definiert die verordnungsfähigen Heilmittel im Einzelnen.[7]
Heilmittel dürfen zu Lasten der Krankenkassen nur von zugelassenen Leistungserbringern von Heilmitteln (sog. Heilmittelerbringer) abgegeben werden. Welche Voraussetzungen für eine Zulassung vorliegen müssen, regelt § 124 SGB V - Zulassung. Zur bundeseinheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen hat der Gesetzgeber den Spitzenverband der Krankenkassen beauftragt, Zulassungsempfehlungen zu erarbeiten und fortlaufend zu aktualisieren (§ 124 Abs. 4 SGB V).
Nach den aktuellen Zulassungsempfehlungen[8] können folgende Leistungserbringer für die Abgabe von Heilmitteln zugelassen werden:
→ Physikalische Therapie: Masseure, Masseure und med. Bademeister, Physiotherapeuten / Krankengymnasten
→ Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie: Logopäden, staatlich anerkannte Sprachtherapeuten und weitere qualifizierte Berufsgruppen
→ Ergotherapie: Ergotherapeuten (Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten)
→ Podologie: Podologen, staatlich anerkannte medizinische Fußpfleger und weitere qualifizierte Berufsgruppen
→ Ernährungstherapie: Diätassistenten, Oecotrophologen, Ernährungswissenschaftler und weitere qualifizierte Berufsgruppen.
Die Zulassung wird von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen erteilt (§ 124 Abs. 5 SGB V).[9]
Die fortlaufende Sicherstellung der ordnungsgemäßen Leistungserbringung von Heilmitteln durch die zugelassenen Leistungserbringer erfolgt auf der Grundlage von Rahmenempfehlungen des Spitzenverbandes der Krankenkassen und Verträgen zwischen Berufsverbänden der Leistungserbringer und Verbänden der Krankenkassen § 125 SGB V.[10] Die Rahmenempfehlungen regeln u. a. die gesetzliche Zuzahlung, Versorgungsabläufe, Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Weiterbildung und Vorgaben für Vergütungsstrukturen. Die Verträge präzisieren diese Vorgaben dann für den Vertragspartnerbereich. Wie in § 124 SGB V festgelegt, begründet der Vertrag mit geeigneten Leistungserbringern noch keinen konkreten Vergütungsansprüche. Der Versicherte und nicht die Krankenkasse wählt dann einen konkreten Leistungserbringer aus.[11]
Heilmittel im österreichischen Recht
Das österreichische Sozialrecht bestimmt im Paragraph 136 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, dass Heilmittel „die notwendigen Arzneien und die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen“ umfassen. Damit gehören in Österreich auch Arzneimittel zu den Heilmitteln. Unterschieden werden Heilmittel von Heilbehelfen, zu denen Brillen, orthopädische Schuheinlagen, Bruchbänder und sonstiges zählen.
Heilmittel im Schweizer Recht
Auch in der Schweiz hat der Begriff Heilmittel eine deutlich andere rechtliche Bedeutung als in Deutschland. Heilmittel ist dort ein Oberbegriff für Arzneimittel und Medizinprodukte; beide Produktgruppen werden im Heilmittelgesetz geregelt und von der auch Schweizerisches Heilmittelinstitut genannten Swissmedic zugelassen und überwacht.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Theodor Husemann: Arzneimittel. In: Ewald Geissler, Josef Moeller (Hrsg.): Real-Encyclopädie der gesammten Pharmacie. Handwörterbuch für Apotheker, Ärzte und Medicinalbeamte, Band 1. Wien/Leipzig 1886, S. 635 f. („Arzneimittel“ oder Medicamenta bzw. Pharmaca als Unterabteilung der „Heilmittel“ oder Remedia bzw. Iamata).
- Gundolf Keil (Hrsg.): Das Lorscher Arzneibuch.; Band 1: Faksimile der Handschrift Msc. Med. 1 der Staatsbibliothek Bamberg. Band 2: Übersetzung […] von Ulrich Stoll und Gundolf Keil unter Mitwirkung von Albert Ohlmeyer. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, ISBN 3-8047-1078-6, Band 2, S. 57.
- Vgl. auch Rudolf Schmitz: Der Arzneimittelbegriff der Renaissance. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil: Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1, S. 1–21, hier: S. 3–6.
- Rudolf Schmitz: Der Arzneimittelbegriff der Renaissance. 1984, S. 3.
- Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477
- Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL) in der Fassung vom 19. Mai 2011, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 96 (S. 2247) vom 30. Juni 2011 in Kraft getreten am 1. Juli 2011, zuletzt geändert am 21. September 2017, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 23.11.2017 B1) in Kraft getreten am 1. Januar 2018
- vgl. Abschnitt H in „Selbstständig im Gesundheitswesen“ von Ernst Boxberg und Frank Rosenthal, medhochzwei Verlag Heidelberg, ISBN 978-3-86216-016-7
- Abschnitt ambulante Leistungen
- „Die Abgabe von Heilmitteln“ von Frank Rosenthal, Asgard Verlag Sankt Augustin, ISBN 3-537-34922-X
- „Handbuch für Leistungserbringer von Heil- und Hilfsmitteln“ von Frank Rosenthal, Asgard Verlag Sankt Augustin, ISBN 3-537-53799-9
- Siehe auch Dierk Stelzer: Sind Dienstleistungsaufträge im Rahmen des Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung nach "nationalem transformierten" öffentlichen Vergaberecht bundesweit öffentlich auszuschreiben bzw. in „Öffentlicher Ausschreibung“ oder anderweitig zu vergeben? – die Ausschlussproblematik im Hinblick auf das „nationale transformierte“ öffentliche Vergabeverfahrensrecht in Gestalt der Vergabearten bei Dienstleistungsaufträgen von Heilmitteln in der GKV, Teil 1. In: Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht (ZESAR), 2004, S. 460–470, Teil 2: ZESAR, 2005, S. 21–31.