Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung
Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) ist als unabhängiger und interdisziplinärer Verein am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg angesiedelt. Es widmet sich der Erforschung, Dokumentation und Auswertung inner-, zwischen-, trans- und substaatlicher politischer Konflikte.[1]
Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung e.V. | |
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Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung | |
Kategorie: | Forschungseinrichtung |
Standort der Einrichtung: | Heidelberg |
Fachgebiete: | Konfliktforschung |
Grundfinanzierung: | Mitgliedsbeiträge, Spenden |
Leitung: | Vorstand bestehend aus Paul Dießelberg, Sarah Westedt, Rafael Uribe-Neira, Simeon Heimburg, Santiago Moncada, Katharina Valjak, Katharina Müller |
Mitarbeiter: | ca. 200 |
Homepage: | hiik.de |
Allgemeines
HIIK e.V. - der Verein
Das HIIK ging 1991 aus dem u. a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützten Forschungsprojekt KOSIMO (Konflikt-Simulations-Modell) hervor, welches von Frank R. Pfetsch (Universität Heidelberg) geleitet wurde. Seitdem engagiert sich das HIIK in der Förderung und Verbreitung des Wissens um Entstehung, Verlauf und Beilegung inner-, zwischen-, trans- und substaatlicher politischer Konflikte.[1]
In dem jährlich erscheinenden Konfliktbarometer werden die jeweils aktuellen Forschungsergebnisse veröffentlicht. Zudem aktualisiert und pflegt das HIIK fortlaufend seine Datenbank CONTRA.[1]
Mit zu Beginn nicht mehr als zwanzig Mitarbeitern, ist das HIIK heute auf ca. 200 überwiegend studentische Konfliktbearbeiter angewachsen. Die wissenschaftliche Expertise des HIIK wird dabei auch durch seine enge institutionelle und personelle Anbindung an das Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg sichergestellt.[2]
Konfliktbarometer
Das seit 1992 erscheinende Konfliktbarometer ist eine jährliche Analyse des globalen Konfliktgeschehens und die zentrale Publikation des HIIK. Gewaltlose und gewaltsame Krisen, Kriege, Staatsstreiche sowie Friedensverhandlungen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. In der Zusammenfassung des Verlaufs der weltweit stattfindenden Konflikte präsentiert das HIIK anschaulich die Entwicklungen des jeweiligen Jahres, die graphisch und in Form von Texten erläutert werden. Das Globale Konfliktpanorama beschreibt hierbei die generelle Entwicklung. Die einzelnen Regionalteile geben sodann in Form deskriptiver Texte einen Einblick in das Konfliktgeschehen in Asien und Ozeanien, Europa, den Amerikas, im subsaharischen Afrika sowie im Vorderen und Mittleren Orient und Maghreb.[3]
Die Heidelberger Methodik
Methodischer Ansatz seit 2011
Bis zum Jahr 2010 wurden für die Evaluation von Konflikten maßgeblich die erfassten Konfliktmaßnahmen und in Einzelfällen weitere Indikatoren wie Todesopfer und Flüchtlingszahlen herangezogen. Mit der überarbeiteten Heidelberger Methodik wird ab dem Beobachtungsjahr 2011 das konfliktwissenschaftliche Verfahren weiter ausdifferenziert und systematisiert.[4] So erfolgt zum einen die Bestimmung der Intensität eines Konflikts nun nicht mehr nur wie bisher auf der Ebene der Nationalstaaten und Kalenderjahre, sondern auch für die einzelnen politischen Einheiten auf subnationaler Ebene und auf der Grundlage der Kalendermonate. Zum anderen erfolgt die Bestimmung der Konfliktintensität nun durch eine Analyse mittels klar konzipierter Indikatoren zur Bewertung der Mittel und Folgen des Konfliktaustrags, die jedoch weiterhin auf dem Handeln und Kommunizieren der Konfliktakteure basiert.
Das Basiskonzept des politischen Konflikts
Nach der Heidelberger Konfliktmethodik ist ein politischer Konflikt eine Positionsdifferenz hinsichtlich gesamtgesellschaftlich relevanter Güter – den Konfliktgegenständen – zwischen mindestens zwei maßgeblichen direkt beteiligten Akteuren, die mittels beobachtbarer und aufeinander bezogener Konfliktmaßnahmen ausgetragen wird, welche außerhalb etablierter Regelungsverfahren liegen und eine staatliche Kernfunktion oder die völkerrechtliche Ordnung bedrohen oder eine solche Bedrohung in Aussicht stellen. Die drei Elemente Konfliktakteure, Konfliktmaßnahmen und Konfliktgegenstände bilden die konstitutiven Attribute eines politischen Konflikts.
Konfliktintensität
Ein weiteres wesentliches Merkmal politischer Konflikte ist die Intensität, mit der sie ausgetragen werden. Die Konfliktintensität ergibt sich aus dem Zusammenspiel der in einem geographischen Gebiet in einem bestimmten Zeitraum eingesetzten Konfliktmaßnahmen. Seit 2005 verwendet das HIIK eine fünfstufige Intensitätsskala. Die überarbeitete Methodik benennt die Intensitätsstufen nun als Disput, gewaltlose Krise, gewaltsame Krise, begrenzter Krieg und Krieg. Die gewaltsame Krise, der begrenzte Krieg und der Krieg bilden zusammen die Kategorie der Gewaltkonflikte, im Unterschied zu den gewaltfreien Konflikten (Disput und gewaltlose Krise).
Gewaltniveau | Alte Bezeichnung | Bezeichnung seit 2011 |
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gewaltfreie Konflikte | Latenter Konflikt | Disput |
Manifester Konflikt | Gewaltlose Krise | |
Gewaltkonflikte | Krise | Gewaltsame Krise |
Schwere Krise | Begrenzter Krieg | |
Krieg | Krieg |
Gewaltsame Konflikte entstehen sehr oft aus nicht gewaltsamen Konflikten. Ebenso gilt, dass gewaltsame Konflikte nicht durch einen plötzlichen Frieden beendet werden, sondern sich die Spannungen schrittweise und mit Schwankungen abbauen. Das Konfliktbarometer verfolgt einen Konflikt, auch wenn er nicht mehr gewaltsam ausgetragen wird und prüft, ob das Ende einer gewaltsamen Auseinandersetzung tatsächlich das Ende des Konfliktes ist. Eine Beschränkung der Untersuchungen allein auf gewaltsame Konflikte würde den Blick auf jene Konflikte verstellen, die friedlich gelöst wurden. Doch erst die Erfassung und Analyse jener Fälle, in denen das Krisenmanagement den Ausbruch von Gewalt verhindern konnte, ermöglicht einen umfassenden und verständnisvollen Blick auf die Welt und ihre Konflikte.
Ermittlung der Konfliktintensität
Dispute sind politische Konflikte, die vollständig ohne den Einsatz physischer Gewalt ausgetragen werden. In gewaltlosen Krisen wird mit Gewalt gedroht oder Gewalt gegen Sachen eingesetzt, ohne dass dabei die physische Schädigung von Personen in Kauf genommen wird. In den drei Stufen des Gewaltkonflikts – gewaltsame Krise, begrenzter Krieg und Krieg – wird physische Gewalt gegen Personen (und oftmals auch gegen Sachen) eingesetzt. Während in gewaltsamen Krisen Gewalt vergleichsweise sporadisch auftritt, ist sie in den hochgewaltsamen Konflikten – dem begrenzten Krieg und dem Krieg – in ihrem Einsatz massiv und in ihren Folgen gravierend. Zur Operationalisierung der gewaltsamen Konfliktintensitäten werden die Mittel und Folgen des Gewalteinsatzes betrachtet. In der Dimension der Mittel werden die Art der eingesetzten Waffen sowie die Zahl des eingesetzten Personals (z. B. Soldaten, Rebellen, Demonstranten) betrachtet. In der Dimension der Folgen des Gewalteinsatzes ist der Blick auf die Zahl der Todesopfer und der Flüchtlinge gerichtet sowie auf das Ausmaß der Zerstörung.
Die Bestimmung der Konfliktintensität erfolgt für jeden Kalendermonat und für jede subnationale Einheit (z. B. Provinz), die von dem jeweiligen Konflikt betroffen ist. Zur Darstellung im Konfliktbarometer und zur graphischen Veranschaulichung werden diese Angaben zu Aussagen über die maximale Konfliktbelastung in einem Land in einem Kalenderjahr aggregiert. Zur weiteren Präzisierung dieser aggregierten Einschätzung wird zusätzlich die Gesamtzahl der Todesopfer und Flüchtlinge in einem Jahr in einem Konflikt herangezogen: Gewaltsame Krisen und begrenzte Kriege werden um jeweils ein Intensitätslevel hochgestuft, wenn ausgesprochen viele Todesopfer oder Flüchtlinge zu beobachten waren; begrenzte Kriege und Kriege werden um ein Intensitätslevel heruntergestuft, wenn die Zahlen in dieser Hinsicht niedrig waren.
Reichweite
Für das Jahr 2014 wurde dem HIIK der Peter-Becker-Preis für Friedens- und Konfliktforschung zugesprochen.
Siehe auch
Weblinks
Publikationen (Auswahl)
- HIIK (2019): Conflict Barometer 2018. disputes - non violent crisis - violent crisis - limited wars - wars - No. 27, Heidelberg
- Nicolas Schwank, Thomas Wencker, Christoph Trinn (2013): Der Heidelberger Ansatz der Konfliktdatenerfassung. Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung 2 (1), S. 32–63
- Nicolas Schwank, Christoph Trinn (2010): Muster und Entwicklungstrends politischer Konflikte im Spiegel des Conflict Information System (CONIS) Heidelberg, in: Feichtinger, Walter / Dengg, Anton (Hrsg.): Kein Feind in Sicht. Konfliktbilder und Bedrohungen der Zukunft (Wien: Böhlau), S. 65–87.
- Aurel Croissant, Uwe Wagschal, Nicolas Schwank, Christoph Trinn (2009): Kulturelle Konflikte seit 1945. Die kulturellen Dimensionen des globalen Konfliktgeschehens (Baden-Baden: Nomos), 296 S.