Hark Bohm
Hark Bohm (* 18. Mai 1939 in Hamburg-Othmarschen) ist ein deutscher Schauspieler, Drehbuchautor, Filmregisseur, Produzent und emeritierter Professor für Film am Institut für Theater, Musiktheater und Film der Universität Hamburg.
Leben
Er wuchs als Sohn des Obersenatsrates Walter Bohm und der Studienrätin Hildegard Bohm auf der Nordseeinsel Amrum auf. Nach dem Abitur 1959 in Hamburg absolvierte er seinen Wehrdienst und begann dann ein Studium der Rechtswissenschaften und legte 1966 sein Erstes Juristisches Staatsexamen ab.[1] Durch seinen jüngeren Bruder Marquard Bohm kam er in Kontakt mit der Münchner Filmszene. Sein juristisches Referendariat in München brach Hark Bohm 1969 ab und befasste sich seitdem hauptberuflich in verschiedenen Funktionen mit Film. Er war Darsteller in einigen Fassbinder-Filmen. Dieser setzte ihn vorzugsweise für pedantische und autoritäre Rollen ein.
1971 gründete Hark Bohm mit anderen Autorenfilmern des Neuen Deutschen Films den Filmverlag der Autoren. In den folgenden Jahren war er Regisseur und Autor einiger Kurzfilme, bevor er mit Tschetan, der Indianerjunge einen preisgekrönten Spielfilm drehte. 1974 entstand seine eigene Produktionsfirma namens Hamburger Kino Kompanie. Sein größter Erfolg wurde Nordsee ist Mordsee. Es folgten diverse Filme, die vor allem sozialkritisch verstanden werden sollten. Gemeinsam mit dem Verhaltensforscher Erik Zimen realisierte er 1976 bis 1978 den Dokumentarfilm Wölfe.
1984 erschien mit Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen eine Verfilmung des Falles der Marianne Bachmeier, für deren Begnadigung er sich öffentlich eingesetzt hatte. 1986 griff er mit Der kleine Staatsanwalt erneut auf ein Justizthema zurück und spielte in der Titelrolle einen Staatsanwalt im aussichtslosen Kampf gegen Wirtschaftskriminalität. Mit Yasemin und Herzlich willkommen entstanden in den folgenden Jahren zwei Filme, die Liebesgeschichten erzählten.
Bernd Eichinger engagierte ihn im Jahr 2000 als Drehbuchautor und Regisseur für den TV-Zweiteiler Vera Brühne.
2015/16 schrieb Bohm zusammen mit Niki Stein die Drehbücher für die RTL-Fernsehserie Adolf Hitler,[2] basierend auf Thomas Webers Biografie Hitlers erster Krieg.[3]
Zusammen mit Fatih Akin und Lars Hubrich schrieb er das Drehbuch zur Verfilmung des Romans Tschick von Wolfgang Herrndorf.[4] Für das Drehbuch zu Aus dem Nichts (2017) wurden Akin und Bohm 2018 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Bei der Verleihung wurde Bohm auch der Ehrenpreis für „herausragende Verdienste um den deutschen Film“ überreicht.
Hark Bohm ist Mitbegründer des Hamburger Filmbüros (1979). Im selben Jahr initiiert er auch das Filmfest Hamburg zusammen mit Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Wim Wenders mit der sogenannten Hamburger Erklärung. 1993 gründete er das Filmstudium Hamburg an der Universität Hamburg – wo er ab 1992 auch eine Professur innehatte –, das 2004 in die Hamburg Media School integriert wurde. Hark Bohm ist Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. 2003 war er eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Filmakademie.
Familie
Hark Bohm ist der Bruder des Schauspielers Marquard Bohm (1941–2006). In erster Ehe war er mit Angela Luther verheiratet. Er und seine zweite Ehefrau Natalia adoptierten vier Kinder und betreuten zwei weitere Pflegekinder.[5] Eines seiner Adoptivkinder war der Schauspieler Uwe Bohm (1962–2022), der bereits als Jugendlicher in einigen seiner Filme Hauptrollen spielte, meist noch unter seinem Geburtsnamen Uwe Enkelmann.
Filmografie (Auswahl)
Als Schauspieler
- 1969: Rote Sonne
- 1969: Die Revolte
- 1970: Der amerikanische Soldat
- 1970: Der große Verhau
- 1972: Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte
- 1972: Händler der vier Jahreszeiten
- 1973: Angst essen Seele auf
- 1974: Fontane Effi Briest
- 1975: Faustrecht der Freiheit
- 1975: Angst vor der Angst
- 1976: Der starke Ferdinand
- 1976: Bomber & Paganini
- 1976: Adolf und Marlene
- 1978: Despair – Eine Reise ins Licht
- 1978: Die Ehe der Maria Braun
- 1979: Die dritte Generation
- 1979: 1 + 1 = 3
- 1979: Der Durchdreher
- 1980: Berlin Alexanderplatz
- 1980: Lili Marleen
- 1980: Panische Zeiten
- 1980: Endstation Freiheit
- 1981: Lola
- 1984: Der Beginn aller Schrecken ist Liebe
- 1985: Paradigma
- 1985: Nicht nichts ohne Dich
- 1986: Das Go! Projekt
- 1987: Der kleine Staatsanwalt (zugleich Regisseur)
- 1988: Linie 1
- 1989: Erdenschwer
- 1989: Treffen in Travers
- 1989: Beim nächsten Mann wird alles anders
- 1989: Das Spinnennetz
- 1990: Herzlich willkommen
- 1992: Schtonk!
- 1992: Ruby Cairo
- 1993: Justiz
- 1995: Das Versprechen
- 1995: Underground
- 1996: Gespräch mit dem Biest – Conversation with the Beast
- 1997: Knockin’ on Heaven’s Door
- 1997: Der Hauptmann von Köpenick
- 1998: Härtetest
- 1998: Tatort – Bildersturm
- 1999: ’Ne günstige Gelegenheit
- 2001: Invincible – Unbesiegbar (Invincible)
- 2002: Islandfalken (Fálkar)
- 2006: True North
- 2007: Underdogs
- 2007: Die Todesautomatik
- 2008: Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen
- 2008: Was wenn der Tod uns scheidet?
- 2008: Der Architekt
- 2008: Leo und Marie – Eine Weihnachtsliebe
- 2011: Wer wenn nicht wir
- 2011: Kissenschlacht
- 2015: Der Liebling des Himmels
- 2017: Beutolomäus und der wahre Weihnachtsmann
- 2019: Der Goldene Handschuh
- 2019: Tatort: One Way Ticket
- 2019: Und der Zukunft zugewandt
- 2021: Zimmer mit Stall: Schwein gehabt
Als Regisseur und Drehbuchautor
- 1972: Tschetan, der Indianerjunge
- 1973: Ich kann auch ’ne Arche bauen
- 1974: Wir pfeifen auf den Gurkenkönig
- 1976: Nordsee ist Mordsee
- 1978: Moritz, lieber Moritz
- 1980: Im Herzen des Hurrican
- 1984: Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen
- 1985: Wie ein freier Vogel – Como un pajaro libre
- 1987: Der kleine Staatsanwalt
- 1988: Yasemin
- 1990: Herzlich willkommen
- 1997: Für immer und immer
- 2001: Vera Brühne
- 2002: Atlantic Affairs
- 2016: Tschick (nur Drehbuch)
- 2017: Aus dem Nichts (nur Drehbuch)
Auszeichnungen
- 1973: Preis der AG der Filmjournalisten (Bester Spielfilm des Jahres) für Tschetan, der Indianerjunge
- 1988: IFF Chicago: Preis (Bestes Drehbuch) für Yasemin
- 1989: Filmband in Gold (Regie) für Yasemin
- 2018: Zwei Deutsche Filmpreise (Ehrenpreis sowie Drehbuchpreis für Aus dem Nichts)
Literatur
- Regisseur und Drehbuchautor Hark Bohm. In: Susanne Wiedmann: Amrum. Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50231-2, S. 33–46.
- Peer Moritz: Hark Bohm – Regisseur, Autor, Schauspieler, Produzent. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 24, 1994
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 1: A – C. Erik Aaes – Jack Carson. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 446.
Weblinks
- Literatur von und über Hark Bohm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hark Bohm bei filmportal.de
- Hark Bohm bei IMDb
- Hark Bohm bei Crew United
- „Glückwunsch. Dem Filmemacher Hark Bohm zum 70“, Die Welt, 18. Mai 2009
Interviews
- „Ich versuche heute, von Studenten zu lernen“ (Memento vom 25. Februar 2003 im Internet Archive), Die Welt, 6. Januar 2003
- „Roter Teppich für Hark Bohm. Filmstudium feiert heute sein zehntes Jubiläum“, Hamburger Abendblatt, 15. Januar 2003
Einzelnachweise
- Hark Bohm im Munzinger-Archiv, abgerufen am 8. März 2022 (Artikelanfang frei abrufbar)
- Jörg Thomann: Serie über Hitler: „Warum eigentlich nicht?“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. Februar 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 5. Juni 2016]).
- Hitler (AT). In: www.ufa-fiction.de. Abgerufen am 5. Juni 2016.
- Fatih Akin: Tschick. 1. Januar 2000, abgerufen am 5. Juni 2016.
- Regisseur Hark Bohm über die „natürliche Gier, Adoptivvater zu sein“, Interview mit Till Stoldt in Die Welt, Online-Fassung vom 22. August 2004