Hans Schuster (Sportwissenschaftler)

Leben

Schuster war nach dem Zweiten Weltkrieg als Neulehrer tätig, danach studierte er bis 1951 an der Karl-Marx-Universität Leipzig,[1] 1956 schloss er an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig seine Doktorarbeit (Thema: „Der Kampf des Arbeiter-Turnerbundes um die Gewinnung und die proletarische Erziehung der Jugend vor dem ersten imperialistischen Weltkrieg: 1893–1914“) ab.[2] Nachdem Schuster in Berlin beim Staatlichen Komitee für Körperkultur und Sport gearbeitet hatte, trat er zu Jahresbeginn 1960 die Stelle als Leiter der DHfK-Forschungsstelle an. 1965 trat er eine Professur für Leistungssport an. Von 1965 bis 1967 war er Rektor der DHfK.[3] Schuster war einer der Hauptinitiatoren der Einrichtung des Forschungsinstituts für Körperkultur und Sport (FKS) an der DHfK, deren Leitung er von seiner Gründung 1969 bis 1990 innehatte. Schuster befasste sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit unter anderem mit Aspekten des Nachwuchsleistungssports,[4] dem Ausdauertraining,[5] der Leistungsanalyse im Spitzensportbereich[6] und sportlicher Leistungsentwicklung.[7] Schusters eigener Einschätzung nach erhielten insbesondere zwei seiner Forschungsgebiete große Bedeutung: Er beschäftigte sich intensiv mit der Ausarbeitung von Zielen, Aufgaben und Methodik als Grundlage für Programme des Kinder- und Jugendtrainings sowie mit den Grundlagen der Trainingsplanung und -auswertung wie die Bestimmung der Inhalte von Rahmentrainingsplänen.[8] Er analysierte die politische Bedeutung von Leistungssport,[9] darunter die von Olympischen Spielen und erachtete den Leistungssport als Teil des „Klassenkampfes“.[10] Schuster wird zugerechnet, die Entwicklung des Leistungssports in der Deutschen Demokratischen Republik entscheidend mitbestimmt zu haben. Andreas Ritter bezeichnete ihn in seiner 2002 vorgelegten Dissertation als „Vordenker des DDR-Leistungssportsystems“.[11] Nach Einschätzung Alfons Lehnerts erwarb sich Schuster weltweit einen „exzellenten Ruf als langjähriger Direktor des Forschungsinstituts für Körperkultur und Sport in Leipzig“.[1]

Im April 1957 wurde Schuster auf der Gründungskonferenz des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) in den Vorstand gewählt, ab 1966 gehörte er dem Präsidium des DTSB an.[12] Auf internationaler Ebene gehörte Schuster von 1960 bis 1969 dem Forschungskomitees des Weltrats für Körperkultur und Sport an.

In den Büchern „Doping in der DDR: Ein historischer Überblick zu einer konspirativen Praxis“ von Giselher Spitzer,[13] „Doping im Spitzensport - Sportwissenschaftlichen Analysen zur nationalen und internationalen Leistungsentwicklung“ von Andreas Singler und Gerhard Treutlein[14] sowie „Hormone und Hochleistung: Doping in Ost und West“ von Klaus Latzel und Lutz Niethammer findet Schuster Erwähnung in Zusammenhang mit Dopingforschung und in Zusammenhang mit der Praxis der Verabreichung von Dopingmitteln an Leistungssportler, unter anderem von Anabolika, in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren. Von Spitzer wird Schuster als „Begründer des Anabolika-Dopings“ bezeichnet.[15] So sei von Schuster von 1964 „eine (zunächst dezentrale) anabole Phase“ eingeleitet worden, heißt es in Spitzers Beitrag „Entstehung und Funktionsweise des DDR-Zwangsdopings: Doping in einem geschlossenen System und die Grenzen der biologischen Leistungsfähigkeit“ in dem von Latzel und Niethammer herausgegebenen Buch.[16] „Nachdem der zivile Sport seiner Initiative zur Verwendung anaboler Steroide nicht gefolgt war, war Schuster in seiner Funktion als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS mit dem Decknamen GMS 'HANS' an den Minister für Staatssicherheit Erich Mielke herangetreten, den er laut Akten für das neuartige Hormondoping interessieren konnte“.[16] Bei Singler und Treutlein heißt es, Schuster habe „für die Verbreitung des Anabolikadopings in der DDR gesorgt“.[14]

Einzelnachweise

  1. Alfons Lehnert: Gedenken: Prof. em. Dr. Hans Schuster. (PDF) In: BEITRÄGE ZUR SPORTGESCHICHTE, HEFT 29/ 2009. Abgerufen am 31. Januar 2019.
  2. Hans Schuster: Der Kampf des Arbeiter-Turnerbundes um die Gewinnung und die proletarische Erziehung der Jugend vor dem ersten imperialistischen Weltkrieg : 1893–1914 /. 1956 (uni-leipzig.de [abgerufen am 31. Januar 2019]).
  3. Rektoren der DHfK. In: Gerhard Lehmann, Lothar Kalb, Norbert Rogalski, Detlev Schröter und Günther Wonneberger (Hrsg.): Deutsche Hochschule für Körperkultur Leipzig 1950-1990. Meyer & Meyer, Aachen 2007, ISBN 978-3-8403-0034-9, S. 12.
  4. Zu einigen aktuellen Anliegen der sportartspezifischen Leitung des Nachwuchsleistungssports. In: Theorie und Praxis des Leistungssports. 1973, abgerufen am 31. Januar 2019.
  5. Einige Grundlagen des Ausdauertrainings (Thematisches Heft). In: Theorie und Praxis des Leistungssports. 1970, abgerufen am 31. Januar 2019.
  6. Leistungs- und Ergebnisanalyse der XXI. Olympischen Sommerspiele 1976. In: Theorie und Praxis des Leistungssports. 1977, abgerufen am 31. Januar 2019.
  7. DIE ZUKUENFTIGEN MOEGLICHKEITEN SPORTLICHER LEISTUNGSENTWICKLUNG DURCH EINE HOEHERE EFFEKTIVITAET DER TRAININGSBELASTUNG. In: Theorie und Praxis des Leistungssports. 1987, abgerufen am 31. Januar 2019.
  8. Vor 50 Jahren – Gründung der Forschungsstelle an der DHfK Gespräch mit HANS SCHUSTER. (PDF) In: Beiträge zur Sportgeschichte, Heft 22. 2006, abgerufen am 31. Januar 2019.
  9. Zur Rolle und Funktion des sozialistischen Leistungssports in der DDR. In: Theorie und Praxis des Leistungssports. 1973, abgerufen am 31. Januar 2019.
  10. Hans Schuster, Gerhard Oehmigen: Zur sportpolitischen Einschätzung der Olympischen Sommerspiele 1972. In: Theorie und Praxis des Leistungssports. Band 11(1973)8, 1973, S. 316.
  11. Andreas Ritter: Wandlungen in der Steuerung des DDR-Hochleistungssports in den 1960er und 1979er Jahren. (PDF) 2002, abgerufen am 31. Januar 2019.
  12. Horst Röder: ZUR KOOPERATION VON SPORTPRAXIS UND SPORTWISSENSCHAFT IM LEISTUNGSSPORT DER DDR. (PDF) In: Beiträge zur Sportgeschichte. SPORT UND GESELLSCHAFT e. V., Heft 42, abgerufen am 31. Januar 2019.
  13. Giselher Spitzer: Doping in der DDR: Ein historischer Überblick zu einer konspirativen Praxis. Genese - Verantwortung - Gefahren (Doping, Enhancement, Prävention in Sport, Freizeit und Beruf). Sportverlag Strauß, 1998, ISBN 3-86884-017-6, S. 230, 231, 336 f.
  14. Andreas Singler, Gerhard Treutlein: Doping im Spitzensport - Sportwissenschaftlichen Analysen zur nationalen und internationalen Leistungsentwicklung. Meyer & Meyer Sport, Aachen 2012, ISBN 978-3-89899-192-6.
  15. Klaus Latzel, Lutz Niethammer: Hormone und Hochleistung: Doping in Ost und West. Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-20123-4, S. 79.
  16. Giselher Spitzer: Entstehung und Funktionsweise des DDR-Zwangsdopings: Doping in einem geschlossenen System und die Grenzen der biologischen Leistungsfähigkeit. In: Klaus Latzel, Lutz Niethammer (Hrsg.): Hormone und Hochleistung: Doping in Ost und West. Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-20123-4, S. 70.
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