Hans Herbert Becker
Hans Herbert Becker (* 1. April 1914 in Limbach; † 19. Februar 2008 in Dortmund) war ein deutscher Pädagoge und Universitätsprofessor.[1]
Werdegang
Hans Herbert Becker wurde als Sohn des Friseurs Emil Otto Becker und seiner Ehefrau Frieda Ella (geb. Schindler) geboren. 1925 starben seine Eltern kurz nacheinander. 1928 bekam er eine Freistelle an der Fürstlich-Schönburgischen Deutschen Oberschule in Waldenburg (Sachsen). Er legte 1933 sein Abitur ab und studierte von 1933 bis 1937 Pädagogik, Psychologie, Philosophie, Deutsch und Englisch für das Lehramt am Pädagogischen Institut der Universität Leipzig. Becker hörte er Philosophie bei Theodor Litt und Hans-Georg Gadamer. In Leipzig wurde er mit der Arbeit zum Thema „Manneszucht und Persönlichkeit. Eine Grundfrage der Wehrmachterziehung“ promoviert.[2][3]
1937 wurde Becker für zwei Jahre zum Wehrdienst eingezogen. Im Oktober 1939 heiratete Becker die Pädagogin Irmtraud Gerlach. Sie bekamen bis 1942 zwei Kinder. Noch vor Ende seiner Wehrdienstzeit brach der Zweite Weltkrieg aus und Becker war in der Folge in verschiedenen Ländern im Kriegseinsatz, ab 1943 in Sizilien, wo er an Malaria erkrankte. Er kam in britische Kriegsgefangenschaft, aus der er im August 1945 entlassen wurde.[3]
Um zu seiner Familie nach Thüringen zurückzufinden, meldete er sich bei der sowjetischen Kommandantur. Da er kein Mitglied der NSDAP gewesen war, wurde er ab September 1945 als Lehrer an einer Schule in Uhlstädt eingesetzt. Im Wintersemester 1945/46 gab er Seminare an der Pädagogischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ende 1945 zog Becker mit seiner Familie nach Halle, wo er mit der christlichen Leitung der Franckeschen Stiftungen gute Kontakte pflegte. Nach langer Krankheit, der Geburt des dritten Kindes und dem Eintritt in die SED wurde er 1947 zum außerordentlichen Universitätsprofessor an der Pädagogischen Fakultät der Universität Halle berufen. Becker habilitierte 1954 an der Universität Halle mit dem Werk Zur Frage der Grundbegriffe in der Pädagogik. Ab 1954 war er dort an der Pädagogischen Fakultät Professor mit Lehrstuhl und übernahm 1955 die Leitung der Abteilung für Systematische Pädagogik und der Abteilung für Außerschulische Pädagogik. Nachdem Becker mit seinen wissenschaftlichen Positionen zunehmend aneckte und es mehrfach zu turbulenten Auseinandersetzungen kam, war das Leben in Halle schwierig geworden.[3]
1957 flüchtete die Familie getrennt in den Westen. Beckers Frau übernahm 1957 die Leitung des evangelischen Bugenhagen-Internats des Ostseegymnasiums in Timmendorfer Strand (Schleswig-Holstein). Becker selbst nahm einige Zeit pädagogische Aushilfsarbeiten an und bekam 1958 einen Forschungsauftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus dem der Text "Wissenschaftscharakter der Pädagogik" resultierte.[4] Aufgrund einer Denunziation haben sich Beckers Hoffnungen auf einen Lehrstuhl an der Universität Dortmund zerschlagen.[3]
Im Juni 1964 wurde er zum ordentlichen Professor für Allgemeine Pädagogik an die Pädagogischen Hochschule Ruhr (Abteilung Dortmund) berufen und 1968 zum Direktor des Instituts für Pädagogik und Philosophie ernannt. Von 1968 bis 1970 war Becker Mitglied des Senats, ab 1971 Prodekan der Abteilung Dortmund, von 1975 bis 1977 erneut Senatsmitglied und ab 1975 Mitglied des Lehrauftragsausschusses der Pädagogischen Hochschule Ruhr. Er emeritierte 1979, hielt aber bis 1985 Lehrveranstaltungen ab.[2][3]
Forschung
Becker bemühte sich insbesondere um eine Fassung der pädagogischen Grundbegriffe auf dialektisch-materialistischer Grundlage. Er war an der Theorieentwicklung in der Pädagogik maßgeblich beteiligt.[5]
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Zur Frage der Grundbegriffe in der Pädagogik. Habilitationsschrift. Halle 1954, DNB 480489815.
- Über Wesen und Gliederung wissenschaftlicher Pädagogik. Henn, Ratingen 1964, DNB 450294617.
- Hans Herbert Becker (Hrsg.): Anthropologie und Pädagogik. Neubearbeitet und erweitert. 3. Auflage. Klinkhardt, Bad Heilbrunn in Oberbayern 1977, ISBN 978-3-7815-0339-7 (Erstausgabe: 1967).
- Valentin Webefritz (Hrsg.): Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts. Ein deutscher Universitätsprofessor berichtet aus seinem Leben in Freiheit und Unfreiheit. Mit einem Geleitwort des Rektors der Universität Dortmund Albert Klein. Universitätsbibliothek, Dortmund 2002, ISBN 978-3-921823-27-9 (tu-dortmund.de [PDF]).
Literatur
- Horst Sladek: Harmonische und antinomische Menschenbildung in der DDR. Ein Beitrag zur bleibenden Bedeutung von Hans Herbert Beckers Verhältnisbestimmung von allgemeiner und beruflicher Bildung. In: Pädagogische Rundschau. Band 49, 1995, S. 79–85.
- Gerhart Neuner: Zwischen Wissenschaft und Politik. Ein Rückblick aus lebensgeschichtlicher Perspektive. Böhlau, Köln / Weimar / Wien : 1996, ISBN 978-3-412-06296-5 (d-nb.info).
- Ernst Cloer: Theoretische Pädagogik in der DDR. Eine Bilanzierung von außen. Deutscher Studien-Verlag, Weinheim 1998, ISBN 978-3-89271-758-4 (d-nb.info).
- Dietrich Benner, Horst Sladek: Vergessene Theoriekontroversen in der Pädagogik der SBZ und DDR 1946 bis 1991. Monographie und Quellenteil. Deutscher Studien-Verlag, Weinheim 1998, ISBN 978-3-89271-765-2 (d-nb.info).
- Gert Geissler: Rezension zu Dietrich Benner/Horst Sladek: Vergessene Theoriekontroversen in der Pädagogik der SBZ und DDR 1946 -1961. Monographie und Quellenteil. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1998. In: Zeitschrift für Pädagogik. Band 44. Beltz, Weinheim 1998, S. 940–943, urn:nbn:de:0111-pedocs-110799 (pedocs.de).
Einzelnachweise
- Traueranzeige in Westdeutsche Allgemeine Zeitung. 22. Februar 2008. Abgerufen am 29. Mai 2021.
- Uwe Wolfradt, Elfriede Billmann-Mahecha und Armin Stock: Becker, Hans Herbert. In: Deutschsprachige Psychologinnen und Psychologen 1933–1945., Springer-Verlag, 2015, S. 26–27.
- Hans Herbert Becker: Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts. Dortmund 2002, S. 8.
- Hans Herbert Becker: Wissenschaftscharakter der Pädagogik. In: Die Pädagogische Hochschule. Struktur und Aufgaben. Ratingen 1964, S. 97–112.
- Historische Bildungsforschung online - HBO Datenbank - Rezension. Abgerufen am 4. Juni 2021.