Hambergit

Hambergit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Borate (ehemals Carbonate, Nitrate und Borate, siehe Klassifikation). Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Be2[OH|BO3], ist also chemisch gesehen ein Beryllium-Borat mit Hydroxidionen als zusätzlichen Anionen.

Hambergit
Hambergitkristall auf Albit aus Paprok, Nuristan, Afghanistan (Kristallgröße: 2,3 cm × 1,1 cm × 1 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Hb[1]

Chemische Formel Be2[OH|BO3][2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Borate (ehemals Carbonate, Nitrate und Borate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

V/L.02
V/L.02-010

6.AB.05
25.01.01.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[3]
Raumgruppe Pbca (Nr. 61)Vorlage:Raumgruppe/61[2]
Gitterparameter a = 9,76 Å; b = 12,20 Å; c = 4,43 Å[2]
Formeleinheiten Z = 8[2]
Häufige Kristallflächen {110}, {021}, {010}, {100}, {210}[4]
Zwillingsbildung nach {110} mit netzartiger Struktur[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7,5
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,347 bis 2,372; berechnet: 2,365[4]
Spaltbarkeit vollkommen nach {010}, gut nach {100}[4]
Bruch; Tenazität uneben; spröde
Farbe farblos, weiß, grauweiß bis gelblichweiß
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,554 bis 1,560[5]
nβ = 1,587 bis 1,591[5]
nγ = 1,628 bis 1,631[5]
Doppelbrechung δ = 0,074[5]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = 87° (berechnet)[5]

Hambergit entwickelt meist tafelige, prismatische oder dipyramidale Kristalle mit nach der c-Achse gestreiften Oberflächen, die einen glasähnlichen Glanz aufweisen und bis zu 30 Zentimeter lang[4] werden können. Er kommt aber auch in Form körniger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form ist Hambergit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine grauweiße bis gelblichweiße Farbe annehmen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt.

Mit einer Mohshärte von 7,5 gehört Hambergit zu den harten Mineralen und ist ähnlich dem Referenzmineral Quarz (7) in der Lage, Fensterglas zu ritzen.

Etymologie und Geschichte

Hambergit wurde erstmals bei Salbutangen nahe Helgeroa in der zur norwegischen Provinz Vestfold gehörenden Kommune Larvik entdeckt und 1890 durch Waldemar Christofer Brøgger beschrieben, der ihn nach dem schwedischen Mineralogen, Geographen und Entdecker des Minerals Axel Hamberg (1863–1933) benannte.

Klassifikation

In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Hambergit zur gemeinsamen Mineralklasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort zur Abteilung der „Gerüstborate mit [BO2]1− bis [B6O10]2−“, wo er zusammen mit Rhodizit die „Hambergit-Rhodizit-Gruppe“ mit der System-Nr. V/L.02 und dem weiteren Mitglied Londonit bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Hambergit dagegen in die neu definierte Klasse der „Borate“ und dort in die Abteilung der „Monoborate“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Art des Boratkomplexes und der möglichen Anwesenheit weiterer Anionen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „BO3 mit zusätzlichen Anionen; 1(Δ) + OH usw.“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 6.AB.05 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Hambergit wie die veraltete Strunz’sche Systematik in die Klasse der „Carbonate, Nitrate und Borate“ und dort in die Abteilung der „Wasserfreien Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 25.01.01 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Borate mit Hydroxyl oder Halogen“ zu finden.

Kristallstruktur

Hambergit kristallisiert im orthorhombisch in der Raumgruppe Pbca (Raumgruppen-Nr. 61)Vorlage:Raumgruppe/61 mit den Gitterparametern a = 9,76 Å, b = 12,20 Å und c = 4,43 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[2]

Hambergit zählt zu den Gerüstboraten, dessen Kristallstruktur aus ebenen [BO3]3−-Gruppen besteht. Die Be-Ionen sind tetraedisch von je drei O2−-Ionen der [BO3]-Gruppen und einem (OH)-Ion umgeben (koordiniert). Die Struktur kann daher über die O2− als ein, den SiO2-Modifikationen ähnliches, Tetraederfachwerk angesehen werden.[6]

Bildung und Fundorte

Hambergit (weiß) mit grünem Turmalin (Verdelith) aus der „Little Three Mine“, Ramona (Kalifornien), USA (Größe: 3,7 × 1,9 × 1,2 cm)
Netzartig verzwillingter Hambergit aus dem Pamirgebirge in Tadschikistan (Gesamtgröße: 5,7 × 4,6 × 2,3 cm)

Hambergit bildet sich in magmatischen Gesteinen, dabei vorzugsweise in granitischen, selten auch in alkalischen Pegmatiten. Er kann aber auch aus hydrothermalen Lösungen in Pegmatithohlräumen ausfällen. Als Begleitminerale können unter anderem Beryll, Danburit, verschiedene Apatite, Spodumen, Zirkon, Fluorit, verschiedene Minerale der Feldspatgruppe oder auch Quarz auftreten.

Als seltene Mineralbildung konnte Hambergit nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand: 2013) rund 70 Fundorte als bekannt gelten.[7] An seiner Typlokalität Salbutangen nahe Helgeroa fand sich Hambergit in einem etwa 10 bis 20 Zentimeter breiten Dyke, bestehend aus Nephelin-Syenit-Pegmatit. Daneben konnte das Mineral noch mehreren Fundpunkten im Langesundsfjord in der Kommune Larvik und an einigen Fundpunkten in der Kommune Porsgrunn in Norwegen gefunden werden.

Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Hambergitfunde ist unter anderem die „Little Three Mine“ bei Ramona (Kalifornien), wo tafelige Kristalle von bis zu 20 Zentimetern Länge zutage traten. Immerhin bis zu 11 Zentimeter lange Kristalle konnten nahe Imalo und Anjanabonoina in der Region Vakinankaratra auf Madagaskar gefunden werden.[8]

Weitere Fundorte sind unter anderem Tasmanien in Australien; Hunan in der Volksrepublik China; die Toskana in Italien; die Nordwest-Territorien von Kanada; Antananarivo auf Madagaskar; der Shan-Staat in Myanmar (Birma); an den Flussregionen Dudh Kosi und Seti in Nepal; Telemark Fylke und Vestfold in Norwegen; die nördlichen Regionen von Pakistan; Ost-Sibirien und die nördlichen Regionen von Russland; Tadschikistan; Böhmen und Mähren in Tschechien; sowie Kalifornien, Nevada und Wisconsin in den USA.[9]

Verwendung

Klare Steine von Edelsteinqualität werden überwiegend in Facettenform geschliffen und zu Schmucksteinen verarbeitet. Der Bekanntheitsgrad von Hambergit-Schmuck ist allerdings nach wie vor gering. Farblose Varietäten können leicht mit Bergkristall, Danburit, Euklas, Leukogranat (seltene farblose Varietät) und Zirkon verwechselt werden.[10]

Siehe auch

Literatur

  • Waldemar Christofer Brøgger: Die Mineralien der Syenitpegmatitgänge der südnorwegischen Augit- und Nephelinsyenite, 16. Hambergit. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 16, 1890, S. 65–67 (rruff.info [PDF; 293 kB; abgerufen am 22. Dezember 2018]).
  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 727.
  • Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 560–561.
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 592 (Erstausgabe: 1891).
Commons: Hambergite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 330.
  3. David Barthelmy: Hambergite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 22. Dezember 2018 (englisch).
  4. Hambergite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 66 kB; abgerufen am 22. Dezember 2018]).
  5. Hambergite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 22. Dezember 2018 (englisch).
  6. Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 560–561.
  7. Mindat – Anzahl der Fundorte für Hambergit
  8. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 134.
  9. Fundortliste für Hambergit beim Mineralienatlas und bei Mindat
  10. Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16. überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5, S. 196.
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