Höhle von Movile
Die Höhle von Movile ist eine im Jahr 1986 von Cristian Lascu zufällig bei Bohrarbeiten entdeckte Höhle in Rumänien, in der Nähe von Mangalia, am Südufer des Mangaliasees, wenige Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt. Sie bildete sich vor ca. 5,5 Millionen Jahren und ist seit mindestens 500.000 Jahren von der Oberfläche abgeschnitten. Die Höhlenatmosphäre enthält viel Schwefel und kaum Sauerstoff. Die Höhlenwände der Karsthöhle bestehen aus Lehm, welcher von einer 25 Meter dicken Schicht Kalkstein umschlossen ist. Der einzige Zugang zur Höhle ist eine Wasserader aus 400 Meter Tiefe, die schwefelhaltig ist. Im Innern der Höhle besteht ein außergewöhnliches Ökosystem, das über 60 urzeitliche Tierarten aufweist, die sich im Laufe der Zeit stark spezialisierten und beispielsweise Augen oder Farbpigmente in der Haut völlig zurückgebildet haben. Mehr als 30 der gefundenen Spezies sind dort endemisch. Die Überlebensfähigkeit dieses Systems wird durch Schwefelbakterien gewährleistet, die auf dem Wasser einen gallertartigen Überzug bilden. Auf dieser Masse bilden sich Pilze, welche von den Lebewesen in der Höhle abgeweidet werden. Unklar ist bislang noch, wie sich die Tiere in der Höhle an die sauerstoffarme Atmosphäre angepasst haben.[1][2]
Höhle von Movile
| ||
---|---|---|
Lage: | Mangalia, Schwarzes Meer, Rumänien | |
Höhe: | 3 m | |
Geographische Lage: | 43° 49′ 55″ N, 28° 36′ 2″ O | |
| ||
Typ: | Karsthöhle | |
Entdeckung: | 1986 | |
Besonderheiten: | Biotop mit autarken Lebensformen und mehreren endemischen Arten, hoher Schwefelwasserstoff-Gehalt der Höhlen-Atmosphäre mit trotzdem für Höhlenbiotope hoher Biomasseproduktion |
Sie ist neben der Cueva de Villa Luz im Bundesstaat Tabasco in Mexiko die einzige bekannte Höhle, in der Schwefelbakterien die Grundlage des Ökosystems bilden.
Chemie der Höhle
Die Luft in der Höhle unterscheidet sich stark von der Außenatmosphäre. Der Sauerstoffgehalt beträgt nur ein Drittel bis die Hälfte der Konzentration, die man in der Außenluft findet (7–10 % O2 in der Höhlenatmosphäre, verglichen mit 21 % O2 in der Außenluft), und etwa hundertmal mehr Kohlendioxid (2–3,5 % CO2 in der Höhlenatmosphäre, verglichen mit 0,04 % CO2 in der Außenluft). Sie enthält auch 1–2 % Methan (CH4) und sowohl die Luft als auch das Wasser der Höhle enthalten hohe Konzentrationen von Schwefelwasserstoff (H2S) und Ammoniak (NH3).[3]
Ökosystem der Höhle
Andrzej Falniowski und Kollegen hatten 1989 in der Höhle 69 verschiedene Spezies identifizieren können, 33 davon in der Höhle endemisch. Unter den Tieren befanden sich Egel, Spinnen, Pseudoskorpione,[4] ein zu den Riesenläufern gehörender Hundertfüßer,[5] Landasseln,[6] eine Skorpionswanze (Insekten) und sogar eine Schnecke.[2] Nepa anophthalma ist die einzige bekannte höhlenangepasste Skorpionswanze der Welt.[7] Nicht alle der Tiere leben seit Entstehen der Höhle dort. Eines der jüngsten gefundenen Tiere dort ist die einzige Schneckenart der Höhle, Heleobia dobrogica, die die Höhle seit etwas mehr als 2 Millionen Jahren bewohnt.[4][1][2]
Siehe auch
Literatur
- Jean Balthazar: Grenzen unseres Wissens. Orbis Verlag, München 2003, Seite 268, ISBN 3-572-01370-4.
- Serban M. Sarbu, Thomas C. Kane, Brian K. Kinkle: A Chemoautotrophically Based Cave Ecosystem. In: Science. 272. Jahrgang, Nr. 5270, 28. Juni 1996, S. 1953–1955, doi:10.1126/science.272.5270.1953, PMID 8662497.
- Daniela Wischer, Deepak Kumaresan, Antonia Johnston, Myriam El Khawand, Jason Stephenson, Alexandra M Hillebrand-Voiculescu, Yin Chen, J Colin Murrell: Bacterial metabolism of methylated amines and identification of novel methylotrophs in Movile Cave. In: The ISME Journal. 9. Jahrgang, Nr. 1, Januar 2015, S. 195–206, doi:10.1038/ismej.2014.102, PMID 25050523, PMC 4274414 (freier Volltext).
Weblinks
- The Movile Cave Project (en) im Internet Archive
- Grotte de Movilé (fr) im Internet Archive
- Life in Hell – Survivors of Darkness (Leben in der Hölle - Überlebende der Dunkelheit), Film (en) von Mona Lisa Production für arte.tv, Frankreich, mit Aufnahmen aus der Höhle von Movile und von Cristian Lascu (Minuten 1:00 - 15.00), sowie aus der Cueva de Villa Luz
- Filmausschnitt von ZDF Enterprises, mit Bewegtbildern aus der Höhle, verfügbar auf focus.de
Einzelnachweise
- Jasmin Fox-Skelly: The bizarre beasts living in Romania's poison cave In: BBC Earth, 4. September 2015
- Andrzej Falniowski, Magdalena Szarowska, Ioan Sirbu, Alexandra Hillebrand, Mihai Baciu: Heleobia dobrogica (Grossu & Negrea, 1989)(Gastropoda: Rissooidea: Cochliopidae) and the estimated time of its isolation in a continental analogue of hydrothermal vents, in: Molluscan Research 28(3), S. 165–170, 22. Dezember 2008, ISSN 1323-5818
- Deepak Kumaresan, Daniela Wischer, Jason Stephenson, Alexandra Hillebrand-Voiculescu, J. Colin Murrell: Microbiology of Movile Cave—A Chemolithoautotrophic Ecosystem. In: Geomicrobiology Journal. 31. Jahrgang, Nr. 3, 16. März 2014, S. 186–193, doi:10.1080/01490451.2013.839764.
- Oishimaya Sen Nag: Movile Cave - An Oddity Of Romania In: WorldAtlas, 25. April 2017
- Varpu Vahtera, Pavel Stoev, Nesrine Akkari: Five million years in the darkness: A new troglomorphic species of Cryptops Leach, 1814 (Chilopoda, Scolopendromorpha) from Movile Cave, Romania, in: ZooKeys 1004, 16. Dezember 2020, S. 1–26, doi:10.3897/zookeys.1004.58537. Dazu:
- Daniel Lingenhöhl: Der Herrscher der giftigen Höhle, auf: spektrum.de vom 22. Dezember 2020
- David Nield: Meet The 'King' of a Toxic Underground Ecosystem Unlike Anywhere Else on Earth, auf: sciencealert vom 19. Dezember 2020
- New Centipede Discovered on Top of Food Chain in Hellish Ecosystem of a Sulfur-Soaked Romanian Cave, auf: SciTechDaily vom 16. Dezember 2020
- Karen Graham: Movile Cave in Romania has an ecosystem unlike any other on Earth, in: DigitalJournal vom 25. Mai 2016, Quelle: Science
- Vasile Decu, Magdalena Gruia, S. L. Keffer, Serban Mircea Sarbu: Stygobiotic Waterscorpion, Nepa anophthalma, n. sp. (Heteroptera: Nepidae), from a Sulfurous Cave in Romania. In: Annals of the Entomological Society of America. 87. Jahrgang, Nr. 6, 1. November 1994, S. 755–761, doi:10.1093/aesa/87.6.755.