Guangdong

Guangdong, alternativ auch Kanton-Provinz oder Kwangtung (chinesisch 廣東省 / 广东省, Pinyin Guǎngdōng Shěng, Jyutping Gwong2dung1 Saang2, meist kurz 廣東 / 广东), ist eine Provinz im Süden der Volksrepublik China mit dem Delta des Perlflusses als Zentrum. Guangdong ist mit 126,01 Millionen Einwohnern (Stand 2020) die bevölkerungsreichste Provinz Chinas. Ihr Name bedeutet Weiter Osten und stammt aus der Zeit, als Guangdong gerade von den Chinesen besiedelt wurde und noch ein weites, unbewohntes Gebiet war. Die von diesem Namen abgeleitete Bezeichnung Kanton[3] wird im Westen für die Hauptstadt Guangzhou gebraucht, seltener für die Provinz selbst.[4][5][6][7][8] Weitere wichtige Städte in Guangdong sind Shantou, Shenzhen, Foshan, Dongguan, Zhanjiang und Zhuhai. Der Kurzname für Guangdong ist „Yue“ ( / , Yuè, Jyutping Jyut6).

广东省
Guǎngdōng Shěng
Abkürzung: (Pinyin: Yuè)
HauptstadtGuangzhou
Fläche

 – Gesamt
 – Anteil an der
VR China

Rang 15 von 33

179.800 km²
1,94 %
 

Bevölkerung

 – Gesamt 2020
 Dichte

Rang 1 von 33

126.012.510[1] Einwohner
700 Einwohner/km²

VerwaltungstypProvinz
GouverneurMa Xingrui
马兴瑞
Lage von Guǎngdōng Shěng in China
Lage von Guǎngdōng Shěng in China
ISO-3166-2-CodeCN-GD
Bezirksebene21 Städte[2]
Kreisebene62 Stadtbezirke, 34 Kreise, 20 Städte, 3 autonome Kreise[2]
Gemeindeebene1128 Großgemeinden, 445 Straßenviertel, 7 Nationalitätengemeinden, 4 Gemeinden[2]

Geographie

Guangdong liegt an der Küste des Südchinesischen Meeres und wird im Norden durch die Nanling-Berge begrenzt. Am Westende liegt die Leizhou-Halbinsel, vor deren Südspitze die Insel Hainan. Die Nachbarprovinzen sind Fujian, Guangxi, Hainan (gehörte bis 1988 zu Guangdong), Hunan, Jiangxi sowie die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macau. Letztere Städte zählen ebenfalls zum historischen Kulturraum Guangdong, die jüngere Verwaltungseinteilung ist jedoch direkte Folge des Kolonialismus.

Das südliche Territorium der Provinz wird in seiner Mitte vom Perlfluss geteilt. Er ist zwar nur 177 km lang, aber eine der bedeutendsten Schifffahrtsstraßen Chinas; er entsteht unter anderem durch drei größere Flüsse: Bei Guǎngzhōu geht der Westfluss (2197 km lang), in den bei Sanshui der Nordfluss (468 km lang) einmündet, in den Perlfuss über; südlich von Guangzhou mündet der Ostfluss (523 km lang) in das Ästuar ein. Die riesige Schwemmebene, die der Perlfluss hier um seine Mündung gebildet hat, ist eine wichtige landwirtschaftliche Region und in den letzten 20 Jahren ein Brennpunkt des Wirtschaftsbooms.

Die Oberflächengestalt Guangdongs ist zu etwa einem Viertel eben, insbesondere in den Küstenregionen. Ein weiteres Viertel ist sanftes Hügelland. Die restliche Hälfte besteht aus Bergen und Hochebenen, insbesondere im Norden. Die höchste Erhebung der Provinz ist der Shikengkong an der Grenze zu Hunan mit 1902 Metern.

Klima

Das Klima Guangdongs ist feucht bei subtropischen bis tropischen Temperaturen. Im bergigen Norden herrscht eine Jahresdurchschnittstemperatur von 19 °C, im Süden von 23 °C. Der kälteste Monat in Guangzhou ist der Februar mit durchschnittlich 14 °C, während es in den Sommermonaten durchschnittlich 29 °C warm ist. Die Niederschläge sind sehr ungleich verteilt, im Norden gibt es Regionen, die auf weniger als 1200 mm Jahresniederschlag kommen. Die feuchtesten Regionen bringen es hingegen auf mehr als 2800 mm im Jahr. Zeitlich sind die Niederschläge ebenfalls unregelmäßig verteilt. Die Wintermonate sind relativ trocken, dafür hört es im Frühling fast nicht mehr auf zu regnen (Pflaumenregen, 梅雨)[9]. Im Sommer besteht regelmäßig Taifungefahr (台风)[10], wobei August und September weitere zwei Monate mit hohen Niederschlagsmengen sind.

Administrative Gliederung

Die Provinz unterteilt sich in 21 bezirksfreie Städte:

Chaozhou (潮州市), Dongguan (东莞市), Foshan (佛山市), Guangzhou (广州市), Heyuan (河源市), Huizhou (惠州市), Jiangmen (江门市), Jieyang (揭阳市), Maoming (茂名市), Meizhou (梅州市), Qingyuan (清远市), Shantou (汕头市), Shanwei (汕尾市), Shaoguan (韶关市), Shenzhen (深圳市), Yangjiang (阳江市), Yunfu (云浮市), Zhanjiang (湛江市), Zhaoqing (肇庆市), Zhongshan (中山市), Zhuhai (珠海市)

Diese Städte untergliederten sich ihrerseits mit Stande Ende 2015 in 62 Stadtbezirke, 34 Kreise, 20 Städte und 3 Nationalitätengemeinden und 4 Gemeinden.[2]

In der folgenden Tabelle sind Städte von herausgehobener administrativer Bedeutung in Fettschrift markiert.

Administrative Karte Guangdongs Großregion # Region Chin. Hanyu pinyin Verwaltungs-
sitz
Fläche
(km²)
Einwohner
(2020)
Provinzunmittelbare Verwaltungszone
Perlflussdelta 9 Guangzhou[A 1] 广州市 Guǎngzhōu Shì Yuexiu 7.435 18.676.605
21 Shenzhen 深圳市 Shēnzhèn Shì Futian 2.007 17.494.398
Bezirksfreie Städte
Nord-
Guangdong
1 Qingyuan 清远市 Qīngyuǎn Shì Qingcheng 19.264 3.969.473
2 Shaoguan[A 2][11] 韶关市 Sháoguān Shì Zhenjiang 18.398 2.855.131
3 Heyuan 河源市 Héyuán Shì Yuancheng 15.644 2.837.686
4 Meizhou 梅州市 Méizhōu Shì Meijiang 15.925 3.873.239
Ost-Guangdong 5 Chaozhou 潮州市 Cháozhōu Shì Xiangqiao 3.083 2.568.387
Perlflussdelta 6 Zhaoqing 肇庆市 Zhàoqìng Shì Duanzhou 15.007 4.113.594
West-Guangdong 7 Yunfu 云浮市 Yúnfú Shì Yuncheng 7.762 2.383.350
Perlflussdelta 8 Foshan 佛山市 Fóshān Shì Chancheng 3.875 9.498.863
10 Dongguan 东莞市 Dōngguǎn Shì Nancheng[A 3] 2.512 10.466.625
11 Huizhou 惠州市 Hùizhōu Shì Huicheng 11.158 6.042.852
Ost-Guangdong 12 Shanwei 汕尾市 Shànwěi Shì Cheng 4.957 2.738.482
13 Jieyang 揭陽市 Jiēyáng Shì Rongcheng 5.269 5.577.814
14 Shantou[A 4][12] 汕頭市 Shàntóu Shì Jinping 2.123 5.502.031
West-Guangdong 15 Zhanjiang[A 5][13] 湛江市 Zhànjiāng Shì Chikan 11.693 6.981.236
16 Maoming 茂名市 Màomíng Shì Maonan 11.345 6.174.050
17 Yangjiang 阳江市 Yángjiāng Shì Jiangcheng 8.005 2.602.959
Perlflussdelta 18 Jiangmen 江門市 Jiāngmén Shì Pengjiang 9.553 4.798.090
19 Zhongshan 中山市 Zhōngshān Shì Dong[A 3] 1.770 4.418.060
20 Zhuhai 珠海市 Zhūhǎi Shì Xiangzhou 1.696 2.439.585
Hinweis: Offiziell gehören die Dongsha-Inseln zum Verwaltungsgebiet der Stadt Shanwei. De facto werden die Inseln aber von der Republik China (Taiwan) kontrolliert.
  1. Nationale zentrale Stadt
  2. Zentralstadt für Nord-Guangdong
  3. es handelt sich um keine offizielle Verwaltungseinheit
  4. Zentralstadt für Ost-Guangdong
  5. Zentralstadt für West-Guangdong

Geschichte

Der größte Teil der heutigen Provinz, der zunächst zum Reich der nichtchinesischen Nan-Yue gehört hatte, fiel schon zur Zeit der Qin-Dynastie im 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung erstmals unter chinesische Herrschaft.

Nach dem Sturz des Kaiserreichs und dem Zusammenbruch der Staatsgewalt Anfang des 20. Jahrhunderts war Guangdong zunächst Hochburg der Kuomintang und Zentrum ihrer Gegenregierung, zwischen 1929 und 1936 allerdings regierte der Warlord Chen Jitang das Gebiet autonom, während 1931 auch Wang Jingwei in Kanton eine Gegenregierung bildete, ehe sich 1936 die Nationalregierung wieder durchsetzen konnte. Im Zweiten Weltkrieg besetzten Japaner die Provinzhauptstadt und Teile der Provinz, 1945 eroberten die Kuomintang die Provinz zurück, verloren sie jedoch 1949 an die Kommunisten.

Bevölkerung

Wohnhäuser am Perlfluss in Guangzhou

Demografie

Am Ende des Jahres 2015 hatte Guangdong eine ansässige Bevölkerung von 108,49 Millionen Einwohnern, was einer Bevölkerungsdichte von 604 Personen pro Quadratkilometer entspricht. Die Bevölkerung setzt sich aus 56,7294 Millionen Männern und 51,7606 Millionen Frauen zusammen, so dass auf 100 Frauen im Schnitt 109,6 Männer kommen.[1]

Guangdong gehört zu den am dichtesten besiedelten Provinzen Chinas. Die Bevölkerung steigt sehr stark an, so gab es zwischen 1990 und 2000 einen Zuwachs von 36,7 % und von 2000 bis 2010 einen nochmaligen Anstieg um 38,3 %. Die Ein-Kind-Politik galt bis zu ihrer Abschaffung am 1. Januar 2016 aber auch in Guangdong.

Im Jahre 2015 wuchs die Bevölkerung um 1,25 Millionen Menschen oder 1,17 %, wobei sich das Bevölkerungswachstum um 0,42 Prozentpunkte beschleunigte. 2013 lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 76,5 Jahren und damit über dem chinesischen Durchschnitt.[14] Die Geburtenrate lag im Jahre 2015 bei 11,12 pro Tausend Einwohner (oder 1,1995 Millionen Neugeborene), die Sterberate lag bei 4,32 pro Tausend oder 466 000 Personen. Das natürliche Bevölkerungswachstum beträgt somit 0,68 %; das darüber hinausgehende Wachstum ist auf Zuwanderung aus anderen Provinzen zurückzuführen.[1] Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums hat Guangdong bei der Volkszählung 2010 die Provinz Henan als bevölkerungsreichste Provinz abgelöst.[15]

Die Bevölkerung ist über das Gebiet der Provinz sehr ungleich verteilt. Im Perlflussdelta lebten am Jahresende 2015 58,7427 Millionen Menschen oder 54,15 % der Gesamtbevölkerung der Provinz. In der Osthälfte der Provinz lebten 17,2731 Millionen (15,92 % der Gesamtbevölkerung), in der Westhälfte 15,8335 Millionen (15,34 %) und im nördlichen Bergland 16,6407 Millionen Menschen (14,59 %). Die Bevölkerung des Perlflussdeltas wuchs gegenüber dem Vorjahr um 1,92 %, während sie im Bergland und im Westteil um jeweils knapp 0,5 % wuchs und im Ostteil um 0,08 % schrumpfte. Die beiden Megastädte Guangzhou und Shenzhen vereinten dabei 92,02 % des Bevölkerungswachstums im Perlflussdelta auf sich.[1]

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Alter zwischen 15 und 64 Jahren) lag am Ende des Jahres 2015 bei 80,4405 Millionen Menschen oder 74,15 % der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der Personen unter 15 Jahren lag bei 17,37 % (18,8467 Millionen Menschen), der Anteil der Personen über 64 Jahren lag bei 8,48 % bzw. 9,2028 Millionen Personen. Dadurch ergibt sich ein Jugendquotient von 23,43 (Anstieg gegenüber 2014 um 3,29 Punkte) und ein Altenquotient von 11,44 (Anstieg gegenüber 2014 um 0,61 Punkte) bzw. ein Abhängigenquotient von 34,87.[1]

Ethnisch setzt sich die Bevölkerung zu 98,6 % aus Han zusammen. Andererseits sind fast alle der nationalen Minderheiten Chinas in Guangdong vertreten, vor allem die Zhuang, Miao, Yao, She, Li, Yi und Gin sind seit langem in der Region heimisch, teils länger als die Han. Andere Gruppen, wie etwa Hui oder Mandschuren, sind erst später zugewandert.

Bevölkerungsentwicklung

Die folgende Tabelle zeigt die Bevölkerungsentwicklung der Provinz seit dem Jahre 1954. Im Jahr 1988 wurde die Insel Hainan als eigene Provinz von Guangdong abgespalten.

Jahr Einwohnerzahl[16]
Zensus 1954 34.770.059
Zensus 1964 42.800.849
Zensus 1982 59.299.220
Zensus 1990 62.829.236
Zensus 2000 85.225.007
Zensus 2010 104.303.132
Zensus 2020 126.012.510

Urbanisierung und Städte

Zu Ende des Jahres 2015 lebten 74,5435 Millionen Menschen bzw. 68,71 % der Bevölkerung in Guangdongs urbanen Räumen und 33,9465 Millionen Menschen (31,29 %) auf dem Land. Im Perlflussdelta lag die Urbanisierung bei 84,59 % und damit 0,47 Prozentpunkte über dem Wert von 2014. Im Osten der Provinz lag er bei 59,93 % (Anstieg um 0,38 Prozentpunkte), im Westen bei 42,01 % (Anstieg um 0,98 Prozentpunkte) und im Bergland bei 47,17 % (Anstieg um 0,8 Prozentpunkte). Insgesamt nahm die Stadtbevölkerung im Jahre 2015 um 1,6203 Millionen Menschen oder 2,22 % zu.[1]

Aufgrund der relativ hohen Urbanisierung hatte Guangdong 2020 bereits 15 Millionenstädte.[16] Die größten Städte der Provinz mit Einwohnerzahlen der eigentlichen städtischen Siedlung auf dem Stand der Volkszählung 2020 sind die folgenden:

Rang Stadt Einwohnerzahl Rang Stadt Einwohnerzahl
1 Shenzhen 17.444.609 8 Zhuhai 2.207.090
2 Guangzhou (Kanton) 16.096.724 9 Jiangmen 1.795.459
3 Dongguan 9.644.871 10 Zhanjiang 1.400.709
4 Foshan 9.042.509 11 Maoming 1.307.802
5 Zhongshan 3.841.873 12 Chaozhou 1.254.007
6 Shantou 3.838.900 13 Jieyang 1.242.906
7 Huizhou 2.900.113 14 Qingyuan 1.197.581

Sprache

Guangdong ist die Heimat der kantonesischen Sprache (广东话)[17] oder „Yue“ (粤语)[18]. Im Osten, an der Grenze zu Fujian, werden Dialekte gesprochen, die dem Min zuzurechnen sind, vor allem Teochew in den bezirksfreien Städten Chaozhou und Shantou; auch der Dialekt der Leizhou-Halbinsel ist dem Min zuzurechnen. Ferner sind Hakka in Guangdong vertreten, die ihre eigene Sprache haben. Die meisten Menschen in Meizhou sprechen Hakka. Auch das Kantonesische zerfällt in mehrere Unterdialekte.

Durch die massive Einwanderung aus anderen Provinzen hat sich Hochchinesisch neben der kantonesischen Sprache etabliert und wird von fast allen Bewohnern der Provinz verstanden sowie von allen Menschen, die einen gewissen Bildungsstand haben, auch gesprochen.

Wirtschaft

Guangdong ist die wirtschaftlich stärkste Provinz der Volksrepublik.[19] Seit 1989 hat Guangdong ihre führende Position in der Volkswirtschaft etabliert. Seit 2001 beträgt ihr Anteil an dem BIP der Volksrepublik mehr als elf Prozent. Fast 70 Prozent dieser Wertschöpfung fließen in den Export. Die Rolle der Provinz als „verlängerte Werkbank“ führte jedoch im laufenden Prozess des Strukturwandels zu zahlreichen Betriebsschließungen und Verlagerung von Unternehmen.[20]

Pro Kopf berechnet ist Guangdong hinter Zhejiang, Jiangsu, der Inneren Mongolei und Fujian die fünftreichste Provinz der Volksrepublik. So betrug das BIP pro Kopf im Jahre 2015 72.787 Yuan (ca. 10.958 $)[21]. Die Provinz hatte etwa 25 Jahre lang ein konstant hohes Wirtschaftswachstum vorzuweisen. Die Städte Guangzhou und Shenzhen gehören zu den aktivsten Wirtschaftszentren, das BIP jeder einzelnen der beiden Städte liegt zwar hinter jenem von Shanghai, aber noch vor Peking oder Tianjin.

Geschichte

Bis in die 1970er Jahre war Guangdong eine weder besonders arme noch besonders reiche Provinz. Die Bewohner der Gegend haben aber eine lange Tradition im (Außen)handel und gelten innerhalb Chinas als besonders geschäftstüchtig.

Als nach dem Tod von Mao die Wirtschaft liberaler gehandhabt wurde, war Guangdong die erste Provinz, in der inoffiziell mit Marktmechanismen experimentiert wurde. Im Jahre 1980 wurden in China vier Sonderwirtschaftszonen eingeführt, darunter waren mit Shenzhen, Zhuhai und Shantou drei in Guangdong. Auch andere Städte in Guangdong waren die ersten, die offiziell Märkte einführten, in denen die Preise nicht vom Staat vorgeschrieben wurden. Bis zum Jahr 1988 gehörte die Insel Hainan zu Guangdong, wurde dann aber von der Zentralregierung gegen den heftigen Widerstand Guangdongs zu einer selbständigen Provinz und zur fünften und größten Sonderwirtschaftszone des Landes gemacht.

Während viele der Reformen, die in Guangdong zuerst ausprobiert wurden, mittlerweile in ganz China eingeführt sind, ist die Provinz doch auf dem Weg in Richtung kapitalistische Marktwirtschaft am weitesten fortgeschritten, auch außerhalb der Sonderwirtschaftszonen. Der Boom, in dem sich die Provinz seitdem befindet, konnte auch nicht durch die SARS-Krise gebremst werden, deren Zentrum sich in Guangdong befand. Jedoch kam es seit Sommer 2015 verstärkt zu Streiks und Protestaktionen infolge von Betriebsschließungen, Pleiten und ausstehenden Lohnzahlungen.

Im Mai 1982 starben mehr als 430 Menschen in der Provinz durch eine Flutkatastrophe. Zehntausende wurden obdachlos.

Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist für 2,5 % des BIP[21] und für 40 % der Beschäftigung verantwortlich, beides für China sehr niedrige Werte. Etwa die Hälfte der Nutzfläche wird mit Reis bebaut, ein weiteres Viertel mit Gemüse, der Rest wird für den Anbau von Früchten, Zuckerrohr und Erdnüssen verwendet. Erdnüsse sind die wichtigsten Ölpflanzen Südchinas; Guangdong ist innerhalb des Landes führender Produzent von Bananen, Zitrusfrüchten und Mangos.

Die Viehzucht ist ebenfalls bedeutend, man hält insgesamt mehr als 20 Millionen Schweine und mehr als vier Millionen Rinder. Entgegen anderslautenden Meldungen hat die Zucht von Hunden, Katzen oder Ratten für den Verzehr eine vernachlässigbare wirtschaftliche Bedeutung. In der Fischerei stammen 94 % aller Süßwasser- und etwa 50 % aller Salzwasserfänge aus Zuchtbetrieben.

Bergbau

Guangdong besitzt einige Offshore-Ölfelder, die für die Rohölgewinnung Chinas von hoher Bedeutung sind. Die für den Fremden sichtbarste bergbauerische Tätigkeit ist der Abbau von Gestein für die boomende Baustoffindustrie; man ist im Begriff, ganze Berge zu sprengen und abzubauen, um Gestein für die Bautätigkeiten zu gewinnen.

Industrie

Fabrik in der Nähe von Guangzhou

Die Industrie erwirtschaftet etwa die Hälfte des BIP der Provinz[21] und beschäftigt 26 % aller Arbeitskräfte. Guangdong ist die Provinz mit der höchsten Zahl an Industriebetrieben, ebenso ist der Anteil von privaten Unternehmen in Guangdong am höchsten, im Jahr 2000 waren nur 17 % der Unternehmen staatlich (33 % im Landesdurchschnitt). Es dominiert die Leichtindustrie, die für mehr als die Hälfte des Gesamtproduktionswertes steht. Dies illustriert die Bedeutung von Guangdong als Hinterhof von Hongkong und, zu einem geringeren Anteil, von Macau und Taiwan. Fast die gesamte Industrie Hongkongs ist seit den 1980er Jahren nach Guangdong übergesiedelt.

Wichtigste Produkte sind Textilien, Papier, Baustoffe, Nahrungsmittel, Elektronik (vor allem Smartphones) und Haushaltsgeräte. Einen großen Wachstumsschub erlebte auch die Fahrzeugindustrie. Die Energieversorger bringen mit zehn Prozent der Gesamtproduktion unter allen Provinzen Chinas den höchsten Anteil an Elektrizität auf den Markt; dies geschieht meist mit Wärmekraftwerken.

Dienstleistungen und Tourismus

Mit Dienstleistungen wird etwa 49,1 % des BIP verdient.[21] Wichtigste Wirtschaftszweige sind Transport, Telekommunikation und Post sowie in zunehmendem Maße Finanzdienstleistungen. Der Tourismus spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle; so hat Guangdong die höchste Zahl an Touristen und auch die höchsten Einnahmen vorzuweisen, ohne besondere Sehenswürdigkeiten zu haben. Dies illustriert die Rolle der Tagestouristen aus Hongkong und die Rolle der ausländischen Geschäftsleute, die sich aus bürokratischen Gründen meist als Touristen deklarieren.

Außenhandel

Keine Provinz importiert und exportiert so viel wie Guangdong. Speziell die Sonderwirtschaftszonen wurden ursprünglich mit dem Ziel eingerichtet, für den Export billig zu produzieren und dadurch der gesamten Wirtschaft dringend benötigte ausländische Devisen zur Verfügung zu stellen. So wird in Guangdong für den amerikanischen und europäischen Markt produziert, wobei die Rohstoffe dafür nicht selten aus den Zielmärkten importiert werden. Etwa 30 % der Exporte der Volksrepublik kommen aus Guangdong. Die Import- und Exportwarenmesse in Guangzhou ist die größte des Landes. Sie findet jedes Jahr im April und September statt.

Infrastruktur

Für den Transport hat in Guangdong das Straßennetz die höchste Bedeutung. Die Dichte an Autobahnen und Landstraßen erster Klasse ist in keiner anderen Provinz Chinas so hoch wie in Guangdong; in das Straßennetz werden auch weiterhin enorme Geldsummen investiert. An schiffbaren Wasserstraßen gibt es insgesamt etwa 13.700 Kilometer.

Das Eisenbahnnetz ist hingegen sehr dünn; die existierenden Strecken werden aber sehr stark genutzt. Wichtigste Linien sind die Nord-Süd-Verbindung (Beijing-Guangzhou-Bahn / Peking-Kanton-Bahn, die nach Shenzhen und Hongkong weiterführt) und die West-Ost-Verbindung, hier vor allem die Guangzhou-Shantou-Bahn und die Strecke von Guangzhou nach Nanning. Die Strecke zwischen Guangzhou und Shenzhen gehört zu den modernsten Eisenbahnstrecken Chinas.

Die Überseehäfen von Guangzhou, Zhanjiang, Shantou und Shenzhen gehören zu den wichtigsten des ganzen Landes; speziell Guangzhou ist der drittgrößte Hafen Chinas und der schnellwachsende Hafen Shenzhens tritt immer mehr in Konkurrenz zum Hongkonger Hafen.

Die Dichte an internationalen Flughäfen ist im Delta des Perlflusses immens; mit Guangzhou, Shenzhen, Hongkong und Macau befinden sich vier Flughäfen in einem Umkreis von etwa 200 Kilometern. Weitere nennenswerte Flughäfen befinden sich in Shantou, Meizhou und Zhanjiang.

Die Abdeckung mit Telekommunikationseinrichtungen ist fast nirgendwo in China so weit fortgeschritten wie in Guangdong; auch in abgelegenen Gebieten kann man leicht IDD-Telefone finden und fast das ganze Territorium der Provinz ist vom Mobilfunknetz abgedeckt.

Bildung

Trotz der hohen Zuwanderung aus viel ärmeren Gebieten, speziell auch einer Landbevölkerung, ist die Analphabetismusquote mit unter vier Prozent sehr niedrig. Guangdong verfügt über eine hohe Anzahl an Universitäten. Die Sun-Yat-sen-Universität in Guangzhou wird zu den zehn besten Universitäten des Landes gezählt.

Commons: Guangdong – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 罗健波 (Luo Jianbo): 人口语言. In: 广东年鉴 – Guangdong-Jahrbuch. 广东年鉴编纂委员会 – Redaktioneller Ausschuss des Guangdong-Jahrbuchs, 2016, abgerufen am 19. Februar 2018 (chinesisch (vereinfacht)).
  2. 何锋军 (He Fengjun): 行政区划. In: 广东年鉴 – Guangdong-Jahrbuch. 广东年鉴编纂委员会 – Redaktioneller Ausschuss des Guangdong-Jahrbuchs, 2016, abgerufen am 19. Februar 2018 (chinesisch (vereinfacht)).
  3. Das Exonym Kanton (englisch Canton) stammt historisch aus dem 19. Jahrhundert vom Begriff Kwangtung ab – siehe Umschriftsystem der chinesischen Post. Kwangtung ist letztlich die lateinisierte Lautumschreibung vom südchinesischen Provinz Guangdong (chinesisch 廣東 / 广东, Pinyin Guǎngdōng, Jyutping Gwong1dung1). Der Chinahandel zur Zeit der Qing-Regierung im 19. Jahrhundert wurde zum Großteil ausschließlich über Guangzhou (廣州 / 广州) der Hauptstadt des südchinesischen Provinz Guangdong abgewickelt. Aufgrund sprachliche Missverständnisse wurde der Begriff „Kanton“ (Canton) ursprünglich für den Provinz (historisch: Kwangtung, heute: Guangdong) selbst mit dem Provinzhauptstadt (Guangzhou) verwechselt und weiter verbreitet. Heute steht die geografische Bezeichnung bzw. Exonym „Kanton“ (Canton) allgemein für die Provinzhauptstadt Guangzhou, obwohl der Begriff etymologisch und historisch ursprünglich vom Kwantung (廣東 / 广东) – veraltete Bezeichnung der südchinesischen Provinz Guangdong – abstammt. Im historischen Kontext steht der Begriff Kanton (englisch Canton) in manchen Fällen daher auch für den gesamten Provinz Guangdong in Südchina. Die Straße Canton Road in Kowloon bei Hongkong wird beispielsweise im Chinesischen mit Guangdong Dao廣東道 / 广东道, Guǎngdōng Dào, Jyutping Gwong2dung1 Dou6, also etwa „Guangdong-Weg“ aber nicht als „Guangzhou-Weg“ – geschrieben.
  4. Bezeichnung „Kanton“. In: duden.de. Abgerufen am 25. August 2021.
  5. Thomson, J. (John), 1837–1921.: Canton, Kwangtung (Guangdong) province, China: a young woman. Photograph by John Thomson, 1869. In: wellcomecollection.org. Archiviert vom Original am 27. Februar 2021; abgerufen am 25. August 2021 (englisch, historische Nutzung der Bezeichnung Kwantung, Canton und Guangdong): „China through the lens of John Thomson, 1868–1872, Beijing: Beijing World Art Museum, 2009, S. 125 (reproduced)“
  6. Begriff „Kanton“. In: dwds.de. Abgerufen am 25. August 2021 (Kanton tritt auf mit südchinesisch).
  7. Archdiocese of Guangzhou [Canton]. In: catholic-hierarchy.org. Abgerufen am 25. August 2021 (englisch, historische Nutzung der Bezeichnung Kwantung, Canton und Guangdong): „11 May 1848 Erected Diocese of Macau Prefecture Apostolic of Kouangtong (Kwangtung, Guangdong) (erected); 6 April 1914 Elevated Prefecture Apostolic of Kouangtong (Kwangtung, Guangdong) Vicariate Apostolic of Canton [Guangzhou]“
  8. Guangdong vs Canton – What’s the difference? In: wikidiff.com. Abgerufen am 25. August 2021 (englisch).
  9. Der Pflaumenregen (梅雨, méiyǔ, Jyutping mui4jyu5), in China Meiyu in Japan als Tsuyu bekannt
  10. Taifun (颱風 / 台风, táifēng, Jyutping toi4fung1), alljährlicher Sturmtief in den pazifischen Regionen Asiens.
  11. 印发粤北地区经济社会发展规划纲要(2011—2015年)的通知 – „Bekanntmachung über den Entwurf und die Verteilung des Plans für wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Region Nord-Guangdong (2011–2015)“. In: zwgk.gd.gov.cn. 广东省政府网 – Webseite der Provinzregierung von Guangdong, abgerufen am 21. August 2018 (chinesisch (vereinfacht)).
  12. 印发粤东地区经济社会发展规划纲要(2011—2015的通知 – „Bekanntmachung über den Entwurf und die Verteilung des Plans für wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Region Ost-Guangdong (2011–2015)“. In: zwgk.gd.gov.cn. 广东省政府网 – Website der Provinzregierung von Guangdong, archiviert vom Original am 21. August 2018; abgerufen am 27. Dezember 2023 (chinesisch (vereinfacht)).
  13. 印发粤西地区经济社会发展规划纲要(2011—2015的通知 – „Bekanntmachung über den Entwurf und die Verteilung des Plans für wirtschaftliche und soziale Entwicklung für die Region West-Guangdong (2011–2015)“. In: zwgk.gd.gov.cn. 广东省政府网 – Website der Provinzregierung von Guangdong, archiviert vom Original am 21. August 2018; abgerufen am 27. Dezember 2023 (chinesisch (vereinfacht)).
  14. 中国统计年鉴-2013 – „Statistisches Jahrbuch China 2013“. In: stats.gov.cn. Abgerufen am 6. Mai 2018 (chinesisch (vereinfacht)).
  15. Willy Lam: 2010 Census Exposes Fault Lines in China’s Demographic Shifts. Hrsg.: Jamestown Foundation. China Brief 11, Nr. 8, 6. Mai 2011 (englisch, online [abgerufen am 18. Juli 2019]).
  16. CHINA: Guăngdōng – Provinz Guangdong. Präfekturebene, Die größten Städte, Städte & Kreise. In: citypopulation.de. Abgerufen am 11. Dezember 2017 (deutsch, englisch, Einwohnerzahlen, Karten, Grafiken, Wetter und Web-Informationen).
  17. Die kantonesischen Sprache (廣東話 / 广东话, Guǎngdōnghuà, Jyutping Gwong2dung1waa2)
  18. Die kantonesischen Sprache wird auch Yue (粵語 / 粤语, Yuèyǔ, Jyutping Jyut6jyu5  „Sprache der Yue-Region oder des Yue-Volks) genannt.
  19. Coastal Region – Guangdong. Investment. In: chinaknowledge.com. 2014, archiviert vom Original am 14. Mai 2016; abgerufen am 25. August 2021 (englisch).
  20. M. Müller: In China steigt die Nervosität. NZZ, internat. Ausgabe, 9. Dezember 2015, S. 7.
  21. Guangdong Wirtschaft und Soziale Entwicklung 2009. Statistisches Amt Guangdong, archiviert vom Original am 10. August 2011; abgerufen am 19. April 2010 (chinesisch (vereinfacht)).

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