Gruppenpolarisierung

Gruppenpolarisierung (engl. group polarization) ist ein Begriff aus der Sozialpsychologie und bezeichnet die Beobachtung, dass die Ansichten von Individuen nach einer Diskussion oft extremer sind als vorher. Hatte eine Gruppenmehrheit vor der Diskussion bereits eine gemeinsame Tendenz, so wird diese durch die Diskussion verstärkt.[1]

So zeigte eine Untersuchung US-amerikanischer Schwurgerichtsurteile, dass in 215 von 225 Fällen die erste Abstimmung vor der Beratung bereits eine Tendenz zu „schuldig“ oder „nicht schuldig“ hatte und dass das (einstimmige) Urteil in 209 dieser 215 Fälle letztlich genau so lautete.[2] Das Ergebnis einer Gruppendiskussion, beispielsweise die Meinung über die Höhe einer Strafe oder die Steuererhöhung, fällt unter bestimmten Bedingungen extremer aus, als die durchschnittlichen Positionen/Tendenzen der einzelnen Gruppenmitglieder vor der Diskussion. Resultiert die Gruppenpolarisierung in einer Entscheidung, die riskanter war als zu erwarten, spricht man auch vom Risikoschub. Die Gruppenpolarisierung kann jedoch auch eine vorsichtigere, konservativere Entscheidung herbeiführen.[3]

Erklärung der Gruppenpolarisation

Eine Erklärung des Phänomens ist das Modell der überzeugenden Argumente: Jedes Individuum kennt vor der Diskussion einige Argumente, aufgrund derer seine Ansicht in eine gewisse Richtung tendiert. Diese Argumente sind jedoch oft unterschiedlich. Werden sie im Gespräch genannt, hört jedes Individuum weitere Gründe, die für seine Tendenz sprechen.[4][5]

Die Theorie des sozialen Vergleichs erklärt das Phänomen mit dem Wunsch der Individuen, von der Gruppe gemocht zu werden. Wer den Äußerungen der Anderen eine gewisse Tendenz entnimmt, stellt sich als besonders musterhaftes Gruppenmitglied dar, indem er diese in stärkerem Maße vertritt.

Beide Erklärungen wurden durch nachfolgende Untersuchungen gestützt.[6][7][8]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. S. Moscovici, M. Zavalloni: The group as a polarizer of attitudes. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 12, Nr. 2, 1969, S. 125–135.
  2. H. Kalven, H. Zeisel: The American jury. University of Chicago Press, London 1966.
  3. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. 6. Auflage. Pearson Studium, 2008, ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 293.
  4. Sentis Burnstein: Attitude polarization in groups. In: R. Petty, T. M. Ostrom, T. C. Brock (Hrsg.): Cognitive responses in persuasion. Erlbaum, Hillsdale, NJ 1981, S. 197–216.
  5. Vinokur Burnstein: Persuasive argumentation and social comparison as determinants of attitude polarization. In: Journal of Experimental Social Psychology. Band 13, 1977, S. 315–332.
  6. J. Blascovich, G. P. Ginsburg, T. L. Veach: A pluralistic explanation of choice shifts on the risk dimension. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 31, 1975, S. 422–429.
  7. D. J. Isenberg: Group polarization: A critical review and meta-analysis. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 50, 1986, S. 1141–1151.
  8. J. A. Zuber u. a: Choice shift and group polarization: An analysis of the status of arguments and social decision schemes. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 62, 1992, S. 50–61.

Literatur

  • Ch. Stangor: Social Groups in Action and Interaction. Pachology Press, New York/ Hove 2004, S. 202–209.
  • W. Stroebe, K. Jonas, M. Hewstone: Sozialpsychologie. Eine Einführung. Springer 2002.
  • H. Lamm, D. G. Myers: Group-induced polarization of attitudes and behavior. In: L. Berkowitz (Hrsg.): Advances in experimental social psychology. (Academic Press, NY). Vol. 11, 1978, S. 145–195.
  • D. M. Mackie: Social identification effects in group polarization. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 50, 1986, S. 720–728.
  • D. M. Mackie, J. Cooper: Group polarization: The effects of group membership. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 46, 1984, S. 575–585.
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