Grigori Lipmanowitsch Sokolow

Grigori Lipmanowitsch Sokolow (russisch Григорий Липманович Соколов, wiss. Transliteration Grigorij Lipmanovič Sokolov; * 18. April 1950 in Leningrad) ist ein russisch-spanischer Pianist. Er gilt als einer der bedeutendsten Pianisten der Gegenwart.[2]

Grigori Sokolow (2015)

Leben

Grigori Sokolow während eines Konzerts im Kongresshaus Stadthalle Heidelberg (2015)

Bekanntheit erlangte der Absolvent des Konservatoriums von Leningrad durch den Sieg beim 3. Moskauer Tschaikowski-Wettbewerb 1966, der ihm nach einer Intervention des Jury-Vorsitzenden Emil Gilels unter großem Protest des Publikums zugesprochen wurde.[3][4]

Obwohl Sokolow in den 1970er und 1980er Jahren in der damaligen Sowjetunion eine beeindruckende Karriere machte, durfte er nur selten zu Konzertauftritten ins Ausland reisen, was ihn im Westen nur langsam bekannt werden ließ. Er gibt zudem ungern Interviews, spielt keine Aufnahmen in Studios ein und tritt nicht mit Orchester auf, da ihm die Probenzeiten für Orchesterkonzerte zu kurz sind.[5] Sokolow konzertiert ausschließlich auf Steinway-Flügeln, Modell D-274.[6] Gefürchtet ist seine penible Art, die Stimmung des Instruments auch kurz vor Konzertbeginn noch korrigieren zu lassen.

Inzwischen hat Sokolow über 1000 Konzerte gegeben, die oftmals begeisterte Kritiken erhielten, darunter in der Carnegie Hall in New York und im Wiener Musikvereinssaal. Der zurückhaltend auftretende Künstler veröffentlichte Platteneinspielungen bei dem kleinen französischen Label Opus 111, das zu dem Independent-Label Naïve Records gehört. Darunter sind Werke von Bach, Beethoven, Brahms und Chopin.

Seine Programmzusammenstellungen erinnern an die große Zeit der russischen Virtuosenschule, die u. a. auf Anton Rubinstein zurückgeht. So scheut sich Sokolow keineswegs, einen Abend mit Froberger zu beginnen und mit Skrjabin zu beenden.

Die Deutsche Grammophon veröffentlichte im Januar 2015 einen Mitschnitt von Sokolows Salzburger Festspielkonzert im Sommer 2008 unter dem Namen The Salzburg Recital. Die Veröffentlichung wurde in der Presse überaus positiv besprochen[7] und im Oktober 2015 mit dem Echo Klassik in der Kategorie Solistische Einspielung des Jahres ausgezeichnet. Im September 2015 sorgte Sokolow für Aufsehen, als er den italienischen Musikpreis Cremona Music Award vor dessen Verleihung zurückwies, was er in Form einer handschriftlichen Notiz auf seiner Webseite begründete.[8]

Die Musikkritikerin Julia Spinola (* 1962) schrieb 2010 nach einem Konzert in der Heidelberger Stadthalle: „Grigorij Sokolov ist einzigartig. Ein Pianist, dessen Genie die Möglichkeiten der Kategorisierung, des stilistischen Vergleichs und der metaphorischen Umschreibung auf so radikale Weise zu sprengen scheint, dass man sich beim Versuch einer Annäherung an seine Größe zunächst einmal schmerzhaft zurückgeworfen sieht auf die nicht einzulösende Notwendigkeit, für dieses pianistische Phänomen eine eigene Sprache erst erfinden zu müssen. Eine Kluft tut sich auf zwischen dem Kosmos des Gehörten und der Welt des Begriffs, kaum dass der letzte Ton im Konzertsaal verklungen ist.“[9] Die Musikkritikerin Dorothea Walchshäusl (* 1985) rühmte 2015 Sokolows „makellose, brillant virtuose Technik“, die „den Klang voll und satt […], aber nie massiv“ wirken lässt und dadurch eine „Freilegung höchster Musikalität“ ermöglicht.[10]

Sokolow ist verwitwet und lebt in Sankt Petersburg[11] und Verona.[12][13]

Sokolow erhielt 2022 „in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände“ die spanische Staatsbürgerschaft.[14]

Zitat

„Die Kunst ist ein Paralleluniversum zur Wirklichkeit.“

Grigori Sokolow in einem Interview mit Christine Lemke-Matwey: Die Zeit / 28. Januar 2016[15]

Auszeichnungen und Ehrungen

Aufnahmen (Auswahl)

Tonträger

DVD

Literatur

  • Carsten Dürer: Grigory Sokolov: Von der Freiheit des Künstlers. (4/2000) In: Carsten Dürer (Hrsg.): Gespräche mit Pianisten. Staccato-Verlag, Düsseldorf 2002, ISBN 3-932976-18-5, Seiten 368 bis 376.
  • Jan Brachmann: Grigori Sokolow wird 70. Das Unwiederbringliche als Fest. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. April 2020.
Commons: Grigori Lipmanowitsch Sokolow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Chartquellen: DeutschlandÖsterreichSchweiz
  2. Für Christine Lemke-Matwey ist er gar „der bedeutendste Pianist der Welt“; vgl. ihren Beitrag Grigory Sokolov. „Die Musik hört niemals auf“, in: Die Zeit, 30. April 2015 (online)
  3. Tom Service: The drama continues at the Tchaikovsky Competition in Moscow. The Guardian, 29. Juni 2011, abgerufen am 15. Januar 2016 (englisch).
  4. Alessandra Stanley: Musical Tradition of Acrimony. The New York Times, 2. Juni 1994, abgerufen am 15. Januar 2016 (englisch).
  5. James Rhodes: The greatest living pianist. The Spectator, März 2011, abgerufen am 10. Januar 2016 (englisch).
  6. Ich spiele alles, was ich liebe (Memento vom 15. Januar 2016 im Internet Archive) (PDF), Steinway Magazin für Freunde von Steinway in Austria, März 2005
  7. Pressestimmen German (Memento vom 10. Januar 2015 im Internet Archive), Deutsche Grammophon
  8. Grigory Sokolow lehnt Preis ab. Klassik Radio, 29. September 2015, archiviert vom Original am 2. Oktober 2015; abgerufen am 27. Oktober 2015.
  9. Julia Spinola: Wie man in Musik verschwindet, in: FAZ Nr. 94, 23. April 2010, S. 37.
  10. Dorothea Walchshäusl: Die fabelhafte, eigenwillige, wundersame Welt des Grigory Sokolov, in: crescendo, Februar 2015.
  11. Andreas Kunz, Mario-Felix Vogt: Der Zauberer (Memento vom 10. Januar 2016 im Internet Archive), Februar 2015, Fono Forum
  12. Managing Migration: Point-Based System, Thirteenth Report of Session 2008-09, Volume II. House of Commons, 2009 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  13. Harriet Smith: Icons – Grigory Sokolov. Gramophone, 22. März 2016, abgerufen am 2. Juni 2016 (englisch).
  14. El Gobierno concede la nacionalidad española al pianista ruso Grigory Sokolov Nachrichtenagentur EFE. Abgerufen am 8. August 2022.
  15. Man spielt jeden Tag anders, auf zeit.de
  16. Stephen Wigler: Pianist mistakes his slow style for profundity. The Baltimore Sun, 14. Juli 1992, abgerufen am 15. Januar 2016 (englisch).
  17. Jahrgang 2016. Preis der deutschen Schallplattenkritik, abgerufen am 10. Dezember 2016.
  18. Gramophone Hall of Fame (Memento vom 17. August 2016 im Internet Archive), Gramophone (englisch)
  19. Werner Theurich: Ausnahmepianist Sokolov: Nix für Feiglinge. Spiegel Online, 9. Februar 2014, abgerufen am 13. Januar 2016.
  20. Werner Theurich: Ausnahmepianist Sokolov: Grundsanierter Schubert, aberwitziger Beethoven. Spiegel Online, 10. Januar 2016, abgerufen am 13. Januar 2016.
  21. Meret Forster: Klavierkonzert Nr. 1 von Frédéric Chopin. BR-Klassik, 2. April 2016, abgerufen am 1. Juni 2016.
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