Graue Literatur

Als graue Literatur, gelegentlich auch graue Materialien, bezeichnet man in der Bibliothekswissenschaft Publikationen, die nicht vom kommerziellen Verlagswesen kontrolliert werden[1] und nicht im Buchhandel erhältlich sind.[2] Sie werden meist von Institutionen oder Organisationen veröffentlicht. Dabei handelt es sich vor allem um: Regierungsstellen, Behörden, nationale und internationale Organisationen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Schulen, Museen, Bibliotheken, Firmen, Verbände, Vereine, Parteien und Gewerkschaften. Beispiele für solche graue Literatur sind: Forschungsberichte, Privatdrucke, Firmenschriften, Kongressberichte und bestimmte akademische Schriften. Privatdrucke werden teilweise auch im Auftrag und auf Kosten von Privatpersonen ohne kommerzielle Absicht hergestellt. Die Auflage ist oft sehr klein.

Deutsche Titel werden in Deutschland in der Deutschen Nationalbibliografie, Reihe B, veröffentlicht. Internetpublikationen werden dabei nicht vollständig von der Deutschen Nationalbibliografie erfasst.

Texte, die der grauen Literatur zuzuordnen sind, werden heute in hohem Maß in Form von elektronischen Veröffentlichungen publiziert.

Beispiele

Graue Literatur in der Forschung

Viele wissenschaftliche Arbeiten bleiben unveröffentlicht und sind nur direkt über die entsprechenden Institute erhältlich. Gründe dafür können sein, dass wissenschaftliche Mindestanforderungen (z. B. die statistische Signifikanz, Angemessenheit der Methodik, Qualität der Präsentation) nicht erreicht werden oder dass die Inhalte der Arbeit ideologischen Vorstellungen nachgehen und keinen Verlag finden.

Wenn man sich einen Überblick über den Stand der Forschung zu einem Themenbereich verschaffen will, bedient man sich häufig sogenannter Metaanalysen und Überblicksarbeiten (Review-Artikel). Bei Metaanalysen werden mehrere Statistiken mit kleineren Stichproben zu einer großen Stichprobe zusammengefasst und über deren Ergebnisse ein Mittelwert gebildet. Bei Überblicksarbeiten werden mehrere Forschungsarbeiten zu einem Thema zusammengefasst. Hier werden die Arbeiten allerdings nicht statistisch verarbeitet, sondern inhaltlich zueinander in Beziehung gesetzt und diskutiert.

Sofern nur veröffentlichte Arbeiten in Metaanalysen und Überblicksarbeiten einbezogen werden, können die wissenschaftlichen Ergebnisse zu einem Themenbereich übereinstimmender erscheinen, als sie tatsächlich sind. Im Extremfall könnten nicht existierende Unterschiede zwischen Gruppen oder beobachtete Zusammenhänge nur durch Zufall beobachtet worden sein, während Untersuchungen, in denen nichts dergleichen beobachtet werden konnte, niemals veröffentlicht wurden. Für Beobachtungen, die eigentlich durch Zufall erklärbar sind, würde dann fälschlicherweise eine Korrelation festgestellt und möglicherweise sogar ein falscher Kausalzusammenhang abgeleitet. Wenn einige unpopuläre Meinungen durch Zensur nicht zu Wort kommen, entsteht fälschlicherweise der Eindruck von Einhelligkeit, da Meinungsverschiedenheiten nicht berücksichtigt werden.

Dieser falsche Eindruck wird als Publikationsbias bezeichnet. Um einem möglichen Publikationsbias entgegenzuwirken, sollten unveröffentlichte Arbeiten mit einbezogen werden. „Das Ergebnis einer Metaanalyse ist selbstverständlich von der Auswahl der einbezogenen Primäruntersuchungen abhängig.“[3] Dasselbe gilt analog für Überblicksarbeiten (Reviews).

Darüber hinaus können auch Schriften, die wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügen (und womöglich auch gar keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben wollten), für die Forschung relevant sein, wenn sie etwa Informationen enthalten, die sonst nirgendwo publiziert sind oder nur dem Autor zugänglich waren. Dies kann z. B. bei familiengeschichtlichen Abhandlungen der Fall sein, wenn der Verfasser auf Material in Privatbesitz zurückgreifen konnte.

Einzelnachweise

  1. Grey Literature International Steering Committee: Richtlinien für die Erstellung wissenschaftlicher und technischer Berichte: Verfassen und Verbreiten grauer Literatur. (PDF) 2007, S. 1, abgerufen am 27. September 2018.
  2. Helmut Hiller, Stephan Füssel: Wörterbuch des Buches. 7. Auflage. Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-465-03495-7, S. 146, 258259.
  3. Jürgen Bortz, Nicola Döring: Forschungsmethoden und Evaluation. Springer Verlag, Heidelberg 2006, S. 674 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

4. Klaus Gantert: Bibliothekarisches Grundwissen. 9. Auflage. De Gruyter, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-032145-6. S. 78

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.