Gottesfreunde

Gottesfreunde bezeichnet eine religiöse Bewegung im Umfeld der deutschen Mystik des 14. Jahrhunderts, die sich nicht in festen Strukturen organisierte und daher im Einzelnen schwer abgrenzbar ist.

Unspezifische Verwendung des Begriffs

Der Begriff „Gottesfreunde“ geht auf die Bibel zurück. Dort werden beispielsweise Abraham und Moses wegen ihres gottgefälligen Lebens als „Freunde Gottes“ bezeichnet (Exodus 33,11; 2. Chronik 20,7).[1] Der Begriff kommt ebenfalls im Johannesevangelium (Joh 15,15) vor: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, […] sondern ich habe euch Freunde genannt.“ Ferner wird im Prolog zum Lukas-Evangelium (Luk 1.,3) "Theophilos" erwähnt, was wiederum als ein Verweis auf einen "Gottesfreund" gedeutet werden sollte. Er wird dann bei Gregor von Nazianz und Augustinus im Sinne einer christlichen Theologie und Spiritualität verwendet. Im Mittelalter wird der Begriff als Beinamen für biblische Gestalten und für die „wahrhaft Frommen“ verwandt, also jene, die sich von der Welt abkehren und zu Gott hinwenden. In diesem unspezifischen Sinn bezeichneten sich im Mittelalter eine Vielzahl von Personen und Gruppen als „Gottesfreunde“. So etwa die häretischen Bogumilen auf dem Balkan. Aber auch „rechtgläubige“ Christen verwendeten den Begriff. So spielen etwa in der Mystik von Jan van Ruysbroek die Kategorien „geheime Freunde“ und „verborgene Söhne“ Gottes eine Rolle.

Die „Gottesfreunde“ im 14. Jahrhundert

Der Begriff „Gottesfreunde“ impliziert die historischen Voraussetzungen und den Aspekt der Selbstzuschreibung rund um Rulman Merswin und seinen Schüler Nikolaus von Löwen, die sich folgendermaßen charakterisieren lassen könnte: Als „Gottesfreunde“ bezeichnete man Laien beiderlei Geschlechts mit weltlichen Berufen, denen man eine besondere Gottesbeziehung nachsagte, daneben gehörten aber auch Nonnen, Mönche und Priester zu ihnen. Eines ihrer Kennzeichen ist die religiöse Aufwertung der in weltlichen Berufen lebenden Laien gegenüber den Geistlichen. Ihr Schrifttum ist dementsprechend auf Deutsch und nicht auf Latein verfasst. Sie waren keine organisierte Gemeinschaft, sondern eine nicht klar abgrenzbare Gruppierung von Menschen, die ihren Glauben besonders intensiv und verinnerlicht leben wollten. In lockerer Verbindung zu diesem Kreis, vor allem zum Straßburger Kaufmann Rulman Merswin stand der bekannte, in deutscher Sprache schreibende Mystiker Johannes Tauler, der den Begriff „Gottesfreunde“ in seinen Predigten mehrfach verwendete. Auch die mit Tauler persönlich bekannten Mystiker Margareta Ebner und Heinrich von Nördlingen hatten Kontakt zu der Bewegung, nicht aber Meister Eckhart, auch wenn seine Schriften von den „Gottesfreunden“ vermutlich gelesen wurden. Die Gruppierung hatte keine lange Geschichte, auch wenn ihr Gedankengut nicht ohne Einfluss blieb. Peter Dinzelbacher schreibt dazu: „Wenige Jahrzehnte nach Taulers Tod hört man nichts mehr von den Gottesfreunden. Ihr Anliegen aber lebt in der Erbauungsliteratur weiter und kam zum Teil im Pietismus und in der Erweckungsbewegung neu zur Geltung.“[2]

Der „Gottesfreund vom Oberland“

Als Autor mehrerer Traktate, die im Kreis um Rulman Merswin gelesen wurden, wird ein geheimnisvoller, mystisch begabter „Gottesfreund vom Oberland“[3] genannt. Merswin behauptete, die fraglichen Schriften direkt von diesem „Gottesfreund“, den er 1351 kennengelernt haben will, erhalten zu haben. Die Forschung geht heute aber mehrheitlich davon aus, dass nicht der „Gottesfreund“ Autor der besagten Schriften war, sondern möglicherweise Rulman Merswin selbst. Dafür spricht besonders, dass nach dem Tod Merswins keine neuen Schriften des „Gottesfreundes vom Oberland“ mehr auftauchten. Es handelt sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine fiktive literarische Figur. In der älteren Forschung wurde allerdings mehrfach versucht, den „Gottesfreund“ mit einer historischen Person zu identifizieren, etwa mit dem um 1395 in Wien verbrannten Nikolaus von Basel. Jedoch ist „die Identifizierung N(ikolaus') mit dem sagenhaften Gottesfreund vom Oberland“ längst widerlegt.[4]

Verbreitungsgebiet der „Gottesfreunde“ des 14. Jahrhunderts

Verbreitungsgebiet war vor allem der südwestdeutsche und schweizerische Raum, besonders am Oberrhein. Es gab mehrere Zentren dieser Bewegung, eine davon war eine lockere Gruppe, die sich zwischen 1339 und 1343 in Basel bildete. Daneben gab es Anhänger dieser mystischen Richtung in Strassburg um Rulman Merswin, und in Köln.

Literatur

  • Peter Dinzelbacher (Hrsg.): Wörterbuch der Mystik (= Kröners Taschenausgabe. Band 456). 2., ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-45602-8.
  • Manfred Gerwing: Artikel Gottesfreunde und Gottesfreundschaft. In: Norbert Angermann (Hrsg.): Lexikon des Mittelalters. Band 4. dtv, München 2003, ISBN 3-423-59057-2, Sp. 1586 f.
  • Bernard Gorceix: Amis de Dieu en Allemagne au siècle de Maître Eckhart. Michel, Paris 1984, ISBN 2-226-02078-0.
  • Louise Gnädinger: Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre. Beck, München 1993, ISBN 3-406-36789-5, S. 87–103.
  • Friedrich-Wilhelm Wentzlaff-Eggebert: Deutsche Mystik zwischen Mittelalter und Neuzeit. Einheit und Wandlung ihrer Erscheinungsformen. de Gruyter, Berlin 1969, ISBN 3-11-005338-1.
  • Wilhelm Rath: Der Gottesfreund vom Oberland. Stuttgart 1985.
  • Jakob Baechtold: Gottesfreund (1. Artikel). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 456–460.
  • Franz Brümmer: Gottesfreund (2. Artikel). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 14, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 453.
  • Pirmin Meier: Ich Bruder Klaus von Flüe. Eine Geschichte aus der inneren Schweiz. Ein biographischer Diskurs. Ammann, Zürich 1997; 2. Auflage Zürich 2000
  • Regina D. Schiewer: Vos amici Dei estis': Die 'Gottesfreunde' des 14. Jahrhunderts bei Seuse, Tauler und in den 'Engelberger Predigten': Religiöse Elite, Verein oder Literaturzirkel?, Oxford German Studies, 36:2, 227–246, DOI: 10.1179/174592107x254940

Einzelnachweise

  1. Vergleichlich dazu auch: Psalm 127,2
  2. Dinzelbacher, 198
  3. Wentzlaff-Eggebert geht von 16, Peter Dinzelbacher von 13 Traktaten aus
  4. M. Gerwing: Artikel „Nikolaus von Basel“, Lexikon des Mittelalters Bd. VI München 2002, Sp. 1177.
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