Gottes Sohn ist kommen

Gottes Sohn ist kommen ist ein Adventslied, dessen Text Michael Weiße zugeschrieben wird, und das in Johann Horns Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1544[1] erstmals veröffentlicht wurde. Es steht im Evangelischen Gesangbuch unter Nr. 5.

Inhalt

Das Lied entfaltet das Kommen des Herrn in dreifachem Zeitmodus: „Ist kommen“ (Strophe 1), „kommt auch noch heute“ (Strophe 2), „wird kommen“ (Strophe 7). Eingangs wird das adventliche Kommen dieses Herrn in Armut auf die Erde als das des Befreiers und Lösers geschildert. Dem Ruf zur Buße (Strophe 2) folgt die Zusage der Vergebung an jene, die im Vertrauen hinzutreten (Strophe 3), die Sakramente als Geschenk empfangen (Strophe 4) und im Blick auf ein freudiges „von hinnen scheiden“ (verklammert mit Str. 9 „darinnen verscheiden“) dem Jüngsten Gericht (Strophe 5) entgegengehen. Die Strophen 6 bis 9 entfalten das Gleichnis vom Endgericht (Mt 25,31–41 ).

Geschichte und Rezeption

Das Lied gehört zu einer Gruppe von 32 Liedern, die in der Ausgabe des Gesangbuchs der Böhmischen Brüder von 1544[1] gegenüber Michael Weißes Neu Gesengbuchlein von 1531[2] neu hinzugekommen sind. Die naheliegende Vermutung, die Texte dieser Lieder stammten von Johann Horn, dem Herausgeber der Ausgabe von 1544, wird von dem Hymnologen Martin Rößler als unwahrscheinlich eingeschätzt, da Horn im Vorwort erklärt, dass er einerseits mit Weißes poetischen Fähigkeiten nicht konkurrieren könne, zum anderen Weiße nach einem Streit über die Abendmahlslehre seine Texte überarbeitet und ergänzt habe.[3] Rößler vertritt daher die Ansicht, der Text stamme möglicherweise aus dem Nachlass des 1534 verstorbenen Michael Weiße, in dessen Personalstil es nahtlos passe.[4]

Das Lied ist in mehreren späteren Auflagen des Liederbuches der Böhmischen Brüder nicht enthalten. Vielfach entfernten bestimmte Ausgaben die – wohl als anstößig empfundenen – Gerichtsstrophen 6–8. Im Deutschen Evangelischen Gesangbuch fehlt es. Otto Riethmüller nahm es in sein Jugendgesangbuch Ein neues Lied (1932) mit fünf Strophen auf; außer den Gerichtsstrophen fehlt dort auch die Sakramentsstrophe 4. Das Evangelische Kirchengesangbuch (1950) bietet erstmals die bis heute gebräuchliche Fassung mit der „entschärften“ Version von Strophe 8.[5]

Text

Gottes Sohn ist kommen 1544; unter der Melodie der Text der ersten Strophe des vorhergehenden Liedes

1. Gottes Sohn ist kommen
uns allen zu Frommen
hier auf diese Erden
in armen Gebärden,[6]
daß er uns von Sünde
freie und entbinde.

2. Er kommt auch noch heute
und lehret die Leute,
wie sie sich von Sünden
zur Buß sollen wenden,[7]
von Irrtum und Torheit
treten zu der Wahrheit.

3. Die sich sein nicht schämen[8]
und sein’ Dienst annehmen
durch ein’ rechten Glauben
mit ganzem Vertrauen,
denen wird er eben
ihre Sünd vergeben.

4. Denn er tut ihn’ schenken
in den Sakramenten
sich selber zur Speisen,[9]
sein Lieb zu beweisen,
daß sie sein genießen
in ihrem Gewissen.

5. Die also fest glauben
und beständig bleiben,
dem Herren in allem
trachten zu gefallen,
die werden mit Freuden
auch von hinnen scheiden.

6. Denn bald und behende
kommt ihr letztes Ende;
da wird er vom Bösen
ihre Seel erlösen
und sie mit sich führen
zu der Engel Chören.

7. Wird von dannen kommen,
wie dann wird vernommen,
wenn die Toten werden
erstehn von der Erden
und zu seinen Füßen
sich darstellen müssen.

8. Da wird er sie scheiden:[10]
seines Reiches Freuden
erben dann die Frommen;
doch die Bösen kommen
dahin, wo sie müssen
ihr Untugend büßen.[10]

9. Ei nun, Herre Jesu,
richte unsre Herzen zu,
daß wir, alle Stunden
recht gläubig erfunden,
darinnen verscheiden
zur ewigen Freuden.[11]

Melodie

Die Melodie stammt von dem spätmittelalterlichen lateinischen Marienlied Ave hierarchia[12] aus der Abtei Hohenfurth in Südböhmen (1410). Von Michael Weiße wurde sie 1531 in die erste Ausgabe des Gesangbuchs der Böhmischen Brüder zu dem Lied Menschenkind, merk eben übernommen.[2]

Sie wurde u. a. von Johann Sebastian Bach im Orgelbüchlein bearbeitet (Gott, durch deine Güte, BWV 600).

Literatur

  • Dietrich Meyer (T.), Martin Rößler (M.): 5 – Gottes Sohn ist kommen. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 13. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-50337-9, S. 3–9.
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Anmerkungen

  1. Ein Gesangbuch der Brüder inn Behemen vnd Merherrn, Die man auß haß vnd neyd, Pickharden, Waldenses, &c. nennet. Johann Günther, Nürnberg 1544, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00083305-1.
  2. Gesangbuch der Böhmischen Brüder 1531. In originalgetreuem Nachdruck herausgegeben von Konrad Ameln. Kassel, Basel 1957 (Faksimile des Erstdrucks Ein New Gesengbuchlein. Jungbunzlau 1531, DKL 153102, XL 8 im VD 16.).
  3. Vgl. Jan Roh: Vorred. In: Ein Gesangbuch der Brüder inn Behemen vnd Merherrn. Nürnberg 1544, Bl. IIIv f. (Digitalisat)
  4. Martin Rößler: Michael Weiße um 1488–1534 und die Böhmischen Brüder. In: ders.: Liedermacher im Gesangbuch. Liedgeschichte in Lebensbildern. Calwer, Stuttgart 2001, ISBN 3-7668-3695-1, S. 214–257, hier S. 252.
  5. Im Original: „Da wird er sie scheyden / die frommen zur freuden / die bösen zur hellen / in peinliche stellen / wo sie ewig müssen / jr vntugent büssen“.
  6. Phil 2,7 
  7. Mt 4,17b 
  8. Röm 1,16 
  9. Joh 6,51 
  10. Mt 25,31–41 
  11. Jes 35,10 
  12. Ave hierarchia bei Guido Maria Dreves: Cantiones Bohemicae. Leiche, Lieder und Rufe des 13., 14. und 15. Jahrhunderts. Fues, Leipzig 1886, S. 93 f. (Textarchiv – Internet Archive).
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