Gorm

Gorm der Alte, dänisch Gorm den Gamle, (* vor 900; † ca. 958/964[1]) war ein dänischer Anführer, der vielfach als erster König Dänemarks angesehen wird. Die beiden Grabhügel in Jelling sind nach ihm und seiner Frau Thyra benannt. Sein Beiname „der Alte“ ist auf das hohe Alter, das er erreicht haben soll, zurückzuführen.

Kleiner Jellingstein (Rückseite)
Kleiner Jellingstein (Rückseite)
Kleiner Jellingstein (Vorderseite)
Kleiner Jellingstein (Vorderseite)
Gorm der Alte bekommt Nachricht vom Tod seines Sohnes Knut (August Carl Vilhelm Thomsen, 19. Jahrhundert)

Quellenlage

Die Quellenlage ist für die Zeit um 900 für Dänemark, insbesondere die Gebiete, die von der dänischen Grenze entfernt liegen, äußerst dürftig.[2]

Runensteine

Die frühste Erwähnung eines Königs Gorm findet sich auf Runensteinen.

Wichtig sind dabei die beiden Runensteinen von Jelling. Auf dem älteren, kleinen Runenstein steht verteilt über Vorder- und Rückseite:

GōrmR kunungR gærði kumbl þǿsi æft Þōrvī, kunu sīna, DanmarkaR bōt.

„König Gorm errichtete dieses Denkmal für Thyra seine Frau, die Zierde Dänemarks.“

Der größere, jüngere Stein trägt die Aufschrift:

Haraldr kunungR bað gørva kumbl þǿsi æft Gōrm, faður sinn, ok æft Þōrvī, mōður sīna, sā Haraldr es sēR vann Danmǫrk alla ok Norveg ok dani gærði krīstna.

„König Harald befahl diesen Stein zu errichten, zum Gedenken an Gorm, seinen Vater, und an Thyra, seine Mutter. Der Harald, der (dem) sich ganz Dänemark und Norwegen unterwarf und die Dänen zu Christen machte.“

Auch der auf etwa 980 datierte Stein Sønder Vissing I verweist möglicherweise auf König Gorm und dessen Sohn Harald:

Tōfa lēt gørva kumbl, Mistivis dōttiR, øft mōður sīna, kona Hara[l]ds hins gōða, Gōrms sonaR

Tove, die Tochter Mistives, ließ diese Denkmäler für ihre Mutter, Haralds des Guten, Gorms Sohns, Gemahlin, machen.“

Der etwas ältere Runenstein „Haddeby 4“ bei Schloss Gottorf nennt zwar auch den Namen Gorm, der sich hier jedoch auf den Runenmeister bezieht:

Ásfríðr gerði kuml þessi, dóttir Óðinkárs, ept Sigtrygg konung, son sinn ok Gnúpu. Gormr reist rúnar.

Asfrid, Odinkars Tochter, errichtete diesen Stein für König Sigtrygg, ihren und Gnupas Sohn. Gorm ritzte die Runen.“

Birkmann S. 359

Chroniken

Die früheste Erwähnung von König Gorm in einem Schriftwerk findet sich in der von Adam von Bremen um 1075 verfassten Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum:

Post Olaph … Sueonum principem, qui regnavit in Dania cum filiis suis, ponitur in locum eius Sigerich. Cumque parvo tempore regnasset, eum Hardegon, filius Suein, veniens a Nortmannia privavit regno.

„Nach dem Schwedenjarl Olaf, der mit seinen Söhnen in Dänemark herrschte, nahm Sigtrygg seinen Platz ein. Aber schon nach kurzer Zeit beraubte ihn der aus dem Normannenlande kommende Hardeknut Svensson seiner Herrschaft.“

Adam von Bremen I, 52.

Abud Danos eo tempore Hardecnudth Vurm [Zusatz in Handschriften B und C: filius Hardewigh] regnavit …“

„Damals herrschte Hardeknut Vurm [Sohn des Hardewigh] über die Dänen …“

Adam von Bremen I, 55.

Gorm in der Forschung

Nach Adams Bericht wurde Sigtrygg von Hargedon, Svens Sohn, vom Thron verdrängt. Der ungewöhnliche Name „Hargedon“ wird in der Regel als eine Fehlschreibung für „Hardecnudth“ angesehen, ein Name, den Adam für den Stammvater des Gorm-Geschlechtes verwendet. Es wird dabei erwogen, dass Hardecnudth und Gorm nicht Vater und Sohn, sondern aufgrund des Zusatzes „Vurm“ = „Gorm“ die gleiche Person seien.[3] Dafür spreche die Zusammenziehung der Namen zu „Hardecnudth Vurm“, wobei „Vurm“ für „Gorm“ stehe, und die Tatsache, dass Erzbischof Unni von Bremen 936 Gorm bereits als Herrscher vorfand.

Nach Sven Estridsson stammte das Geschlecht Gorms aus „Northmannia“, womit Adam selten die Normandie, in der Regel aber Norwegen meint. Die Herkunft des Geschlechts aus Norwegen wird nicht für unwahrscheinlich gehalten, denn manche Leitnamen der Königsreihe treten auch in der Familie Harald Schönhaars auf. Möglich ist aber auch, dass es sich um einen Seitenzweig des dänischen Königshauses handelt, der nach Gewinn großer Beute auf Wikingerzügen den heimischen Thron zurückerobert.[3] Auch ist es möglich, dass das Geschlecht Gorms bereits seit längerer Zeit in einem Machtzentrum im nördlichen Jütland, etwa Jelling in der Nähe von Vejle, wo auch die Jelling-Steine stehen, bestand.

Doch der Übergang von der Dynastie Olafs zur Jellingdynastie ist unsicher, insbesondere, wie das Verhältnis zwischen Gorm dem Alten aus den dänischen Quellen und Hardegon bei Adam von Bremen ist. Da liegt eine Lücke vor, die auf den Gewährsmann Sven Estridsen zurückzugehen scheint, denn dieser wird für die Zeit zwischen Hardegon und den letzten Jahren von Harald Blauzahn, dem Sohn Gorms, nicht mehr herangezogen.[4] Diese Lücke kann auch nicht mit der Olaf-Tryggvasons-Saga aus dem 14. Jahrhundert, wo die vielen Siege Gorms über die dänischen Kleinkönige und Häuptlinge geschildert werden, gefüllt werden, da diese als Quelle zu unzuverlässig ist. Der Historiker Johannes Steenstrup hielt „Hardegon“ für eine Fehlschreibung von „Hardecnudth“, so dass Hardegon mit Gorm identisch sei.[5] Curt Weibull entnahm den Handschriften B und C der Kirchengeschichte Adams den Zusatz „filius Hardewigh“, den er für eine Fehlschreibung für „filius Hardecnudth“ hielt, so dass hier eine weitere Generation der Jellingdynastie eingeschoben worden sei. Dort, wo B und C „filius“ stehen haben, hat die Handschrift A eine Lakune.[4]

Aber auch Adams Schilderung, Hardegon/Hardecnudth Vurm/Gorm habe Sigtryg verdrängt, ist unsicher. Denn nach der nur wenige Jahrzehnte nach den Ereignissen verfassten Sachsenchronik des Zeitgenossen Widukind war es der ostfränkische König Heinrich I., der die Dänen 934 besiegte und deren König Chnuba zur Taufe zwang. Wenn Chnuba 934 noch lebte, müsste Sigtrygg unmittelbar danach König geworden und dann alsbald von Gorm besiegt worden sein, denn Bischof Unni fand Hardecnudth Vurm/Gorm 936 auf dem dänischen Thron vor. Aber Widukind hat seinerseits seine Angaben den Corveyer Annalen entnommen. Dort wird der Feldzug Heinrichs erwähnt, aber nicht der Name des dänischen Königs. Es ist also möglich, dass Widukind den Namen „Chnuba“ zufällig, vielleicht von einem Runenstein übernommen hat.[6] Im Ergebnis bleibt offen, wann und unter welchen Umständen die Dynastie Olafs von der Jellingdynastie abgelöst worden ist und auch, ob die Jellingdynastie wirklich über ganz Dänemark geherrscht hat. Wenn nach Adam Sven Estridsen auch davon überzeugt war, so ist nicht auszuschließen, dass in Teilen des Landes noch andere Häuptlinge herrschten.

Zweifelhaft ist, ob Gorm die Oberhoheit des deutschen Königs, die Chnuba hatte einräumen müssen, weiterhin anerkannt hat, denn der bei Adam überlieferte Sieg Heinrichs I. über Gorm ist nicht historisch. Heinrich hat in seinem letzten Lebensjahr keinen zweiten Feldzug gegen Dänemark unternommen.[3]

Familie

Gorms Ehefrau Thyra wird auf dem kleineren Jellingstein genannt, erscheint aber sonst erst in der um 1185 verfassten Chronik des Sven Aggesen. Dort und in den darauf fußenden späteren Chroniken wird ihre Geschichte mit sehr unterschiedlichen märchenhaften Motiven dargestellt. Gorm und Thyra werden in verschiedenen, weitgehend legendären Schriften bis zu fünf Kinder zugeschrieben, wobei sich nur für einen Sohn, den späteren König Harald Blauzahn, die Abstammung durch die Inschriften der Jelling-Runensteine belegen lässt.

  • Der laut Saxo Grammaticus älteste Sohn Knut Danaast fiel 947 vor Dublin, als er zusammen mit seinem Bruder Harald einen Raubzug nach Irland unternahm. Er hinterließ einen Sohn Guld-Harald, der von seinem Onkel Harald Blauzahn die Hälfte der Kriegsbeute und des Wikingerheers als sein Erbe verlangte und sich zur Durchsetzung seiner Ansprüche mit dem Norweger Håkon Jarl verbündete, der ihn jedoch 970 zugunsten eines Bündnisses mit Harald Blauzahn im Stich ließ.
  • Gunnhild, die Frau des Königs Erik I. Blutaxt von Norwegen und Northumbrien (885–954), wird von der Historia Norvegiae als Tochter von Gorm und Thyra bezeichnet, in der Heimskringla dagegen aus der Finnmark stammend.
  • Gonnor (899–940) ⚭ Ranulf de Crépon
  • Einem Wikingerführer Toki Gormsson, bei dem es möglicherweise um einen weiteren Sohn von Gorm und Thyra handelte, wurde der Hällestadstein 1 (DR 295 / Sk 80) in Hällestad in Schonen von seinen Gefolgsleuten errichtet. Als Anführer stellte er sich einer Schlacht, möglicherweise der aus den Islandsagas bekannten Schlacht von Fýrisvellir, anstatt nach Uppsala zu fliehen.[7] Auch zwei weitere Steine in Hällestad (DR 296 und 297) erinnern an diesen Toki. Der sehr ähnliche Sjörupstein (DR 279) ist für einen Asbjörn Tokison aufgestellt, der ebenfalls auf die Flucht nach Uppsala verzichtete und in der Schlacht fiel. Die Chroniken und Sagas erwähnen Toki und Asbjörn aber nicht.

Grab

Im nördlichen der beiden Hügel von Jelling wurde 1820 der Überrest einer Grabkammer gefunden. Dieser Nordhügel steht im Zentrum der Schiffssetzung von Jelling, der mit einer Länge von 356 m und einer Breite von rund 80 m größten je gefundene Schiffssetzung.[8] Im Grab befanden sich nur noch Überreste von kostbaren Textilien und ein kunstvoll gearbeiteter Silberbecher, der als Leitfund des Jelling-Stils gilt. Dendrochronologische Untersuchungen datierten die Eichenstämme, aus denen die Grabkammer errichtet wurde, auf 958/59, was dem in den Quellen angegebenen Sterbejahr von Gorm entspricht. Die Grabkammer wurde, wie ein auf 965 datiertes Holzstück belegt, nur wenige Jahre später wieder geöffnet. Es wird angenommen, dass es sich bei dem Begrabenen um Gorm handelte, dessen sterbliche Überreste sein Sohn Harald Blauzahn nach seinem Übertritt zum Christentum in der neuerbauten Kirche von Jelling direkt neben dem Grabhügel neu beisetzen ließ. Dort wurden bei Ausgrabungen 1978 eine hölzerne Grabkammer entdeckt, in der das Skelett eines etwa 35 bis 50-jährigen, rund 175 cm großen Mannes mit kostbarer Kleidung mit Silberbeschlägen lag. Die Knochen waren ausgekocht worden, was als weiterer Beleg für eine nur kurz nach dem Tod erfolgte Umbettung dienen kann. Nach der Renovierung der Kirche 2000 wurden die Überreste am ursprünglichen Ort vor dem Chorbogen wieder beigesetzt.[9]

In der Literatur

Gorm und seine Frau Thyra waren das Vorbild für die literarischen Gestalten des „grimmigen Königs“ Gorm und seiner Frau Thyra Danebod in Theodor Fontanes Ballade Gorm Grymme von 1864.

Siehe auch

Literatur

  • Adam von Bremen: Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche. Übersetzt von Werner Trillmich. Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe. (= Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Band 11). Darmstadt 1978, ISBN 3-534-00602-X, S. 137–499.
  • Thomas Birkmann: Von Ågedal bis Malt. Die skandinavischen Runeninschriften vom Ende des 5. bis Ende des 9. Jahrhunderts. (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Ergänzungsband 12). de Gruyter, 1995, ISBN 3-11-014510-3.
  • Sture Bolin: Danmark och Tyskland under Harald Gormsson. In: Scandia. Band IV (1931), S. 184–209.
  • Erich Hoffmann: Beiträge zur Geschichte der Beziehungen zwischen dem deutschen und dem dänischen Reich für die Zeit von 934 bis 1035. In: 850 Jahre St.-Petri-Dom zu Schleswig 1134–1984. (= Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Reihe I, Band 33). Schleswig 1984, ISBN 3-88242-086-3, S. 105–132.
  • Janine Köster: Sterbeinschriften auf wikingerzeitlichen Runensteinen. de Gruyter. 2014, ISBN 978-3-11-034198-0.
  • Inge Skovgaard-Petersen, Aksel E. Christensen, Helge Paludan: Danmarks Historie Band 1. Kopenhagen 1977, ISBN 87-01-53441-6.
  • Marie Stoklund: Die Inschriften von Ribe, Hedeby und Schleswig und die Bedeutung der Schwedenherrschaft. In: Klaus Düwel, Edith Marold, Christiane Zimmermann (Hrsg.): Von Thorsberg nach Schleswig. (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsband 25). de Gruyter, 2001, ISBN 3-11-016978-9, S. 111–126.
  • Marie Stoklund: Jelling § 2 Runologisches. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 16. de Gruyter, 2000, ISBN 3-11-016782-4, S. 56–58.

Anmerkungen

  1. Sven Rosborn/Pilemedia: "Föreläsningar från min fåtölj 4. Romantiserade vikingar.", 30. Juni 2020 (YouTube-video)
  2. Bolin S. 190.
  3. Erich Hoffmann: Beiträge zur Geschichte der Beziehungen zwischen dem deutschen und dem dänischen Reich für die Zeit von 934 bis 1035. In: 850 Jahre St.-Petri-Dom zu Schleswig 1134–1984. Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Reihe I, Band 33. Schleswig 1984, S. 109.
  4. Danmarks historie, S. 162.
  5. Das hält auch Hoffmann (S. 109) für möglich.
  6. Danmarks historie, S. 163.
  7. Hällestad-sten 1 (Memento vom 9. August 2020 im Internet Archive).
  8. Anne Pedersen, Kasper Holdgaard Andersen: Skibssætningen i Jelling, ca. 950. In: danmarkshistorien.dk. Abgerufen am 25. Januar 2023.
  9. Mads Kähler Holst, Kasper Holdgaard Andersen: Bygningsspor og graven under Jelling Kirke. In: danmarkshistorien.dk. Aarhus Universitet, abgerufen am 25. Januar 2023.
VorgängerAmtNachfolger
Sigtrygg oder ChnobKönig von Dänemark Harald Blauzahn
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