Goldjungs
Goldjungs ist eine zeitgeschichtliche satirische Filmkomödie von Christoph Schnee aus dem Jahr 2021, die die manipulativen Machenschaften im Bankengeschäft thematisiert. Inspiriert wurde das von Eva und Volker A. Zahn geschriebene Drehbuch durch die Bankenpleite der Herstatt-Bank in den 1970er Jahren in Köln. Er wurde von Till Derenbach und Michael Souvignier (Zeitsprung Pictures) sowie Uwe Kersken (G5fiction) im Auftrag von WDR und Degeto produziert.[1] Die Produktion wurde gefördert durch die Film- und Medienstiftung NRW.[2] Der Film wurde am 5. Mai 2021 im Ersten ausgestrahlt.[3]
Handlung
Am 26. Juni 1974 erfährt die Öffentlichkeit von der Pleite der Kölner Herstatt-Bank. Alle Sparer, Gewerbetreibenden und Unternehmer, die von der Bank abhängig waren, haben dadurch ihr Vermögen und ihre Ersparnisse verloren.
Ein Jahr zuvor ist die Herstatt-Bank die erfolgreichste deutsche Privatbank. Sie gehört dem Unternehmer Hans Gerling, Direktor ist Iwan Herstatt, der wegen ständig auftretender Schlafsucht keinen rechten Überblick hat. Er vertraut die Geschäfte nahezu blind dem leitenden Angestellten Baron Ferdinand von Broustin sowie seinen „Goldjungs“ an, einer Gruppe junger, risikofreudiger Devisenhändler unter Führung von Mick Sommer.
Die aus einfachen Verhältnissen stammende Marie Breuer bekommt ihre erste Anstellung als Sekretärin beim Baron von Broustin. Sie ist fasziniert von den neuen Möglichkeiten, aber auch von Mick, der sie mit seinem unangepassten Auftreten in den Bann zieht. Da auch Mitarbeiter der Bank die Möglichkeit haben, mit wenig Kapital hohe Kredite aufzunehmen und damit bei den Devisengeschäften zu spekulieren, nimmt Marie heimlich die Ersparnisse ihrer Mutter und investiert sie zusammen mit eigenem Geld. Mit den Goldjungs feiert sie wilde Partynächte und beginnt eine Beziehung mit Mick. Einzig Chefrevisor Uwe Lennartz erkennt immer wieder Unregelmäßigkeiten und weist auf die Gefahren hin, doch Herstatt interessiert dies wenig. Er ist in Gedanken mehr bei seinen Karnevalssitzungen und der Planung einer Feier zu seinem sechzigsten Geburtstag. Der Baron und Mick haben also freie Hand, um die Zahlen zu schönen, wofür sie sogar den Bankcomputer mit einem versteckten Knopf ausstatten lassen, sodass bestimmte Buchungen nicht erfasst werden.
In der Weihnachtszeit platzt dann die Blase; die spekulierenden Mitarbeiter verlieren ihr gesamtes eingesetztes Geld. Birgit Pütz, Herstatts Chefsekretärin, die mit Millionen spekuliert hatte, springt vor Maries Augen vom Dach des Bankgebäudes. Marie wird daraufhin zu Herstatts neuer Chefsekretärin ernannt. Als Maries Mutter merkt, dass ihr Sparkonto leer ist, kommt Marie in Bedrängnis. Sie fürchtet eine Zukunft in Schulden, und der dem Börsenwahn verfallene Mick ist ihr keine Hilfe mehr, sodass sie sich von ihm trennt. Lennartz werden die Vorgänge immer suspekter, sodass er heimlich einen Wirtschaftsprüfer des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen anfordert, der kurze Zeit später bei Herstatt vorstellig wird. Dank weiterer Manipulationen durch den Baron und Mick kann er keine größeren Unregelmäßigkeiten feststellen. Herstatt zeigt sich zufrieden und ordnet eine Feier an. Letztlich findet Lennartz den „magischen“ Knopf, mit der die Zahlen frisiert wurden, doch die Bankenpleite lässt sich jetzt nicht mehr abwenden.
Im Juni 1974 muss die Herstatt-Bank schließen. Iwan Herstatt verliert sein gesamtes Privatvermögen, er wird angeklagt und erhält eine Bewährungsstrafe. Auf Drängen seiner Frau Irene verkauft Hans Gerling 51 % seines Konzerns an die Großbanken, sodass die Anleger aus dem Erlös weitgehend entschädigt werden können. Marie hat Glück gehabt – ihre Spekulation bei einem Goldgeschäft wurde noch rechtzeitig abgewickelt. Sie kann ihrer Mutter deren Ersparnisse zurückzahlen und geht mit einer Gruppe Hippies auf eine Reise zu Selbsterkenntnis und Spiritualität.
Hintergrund
Der Film wurde vom 13. Oktober bis zum 12. November 2020 in Köln gedreht.[3] Für Christoph Schnee und Szenenbildner Julian Augustin gestaltete es sich anfangs schwierig, geeignete Drehorte aus den 1970er Jahren zu finden. Schließlich gelang es ihnen, die Innenaufnahmen in den Räumen der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim, die von der Deutschen Bank vor der Insolvenz gerettet werden musste, zu drehen. Auch für die Außenaufnahmen vor dem ehemaligen Gebäude der Herstatt-Bank (Unter Sachsenhausen 6) erhielten die Filmschaffenden eine Drehgenehmigung.[4]
Im Vorspann wird eingeblendet, dass der Film durch die Bankenpleite der Herstatt-Bank im Jahr 1974 inspiriert wurde. „Natürlich haben wir uns bei der Illustrierung der Vorgänge, die zum Crash führten, an die realen Vorkommnisse gehalten“, sagt Drehbuchautor Volker A. Zahn. Die Fiktion fange „bei den Figuren an“, sagt Eva Zahn. „Außer dem Ehepaar Gerling und Bankier Herstatt, die Personen der Zeitgeschichte sind, haben wir alle anderen Protagonisten sowie deren Geschichten und Verwicklungen frei erfunden.“[5] Die originäre Idee, den Skandal zu fiktionalisieren, hatte Produzent Uwe Kersken, der für den Film recherchierte und diesbezüglich im Austausch mit Nachkommen der Familien Gerling und Herstatt stand.[1]
Familie Herstatt distanzierte sich nach der Ausstrahlung ausdrücklich von der Darstellung der Person des Iwan Herstatt im Film und brachte dies in verschiedenen Gegendarstellungen zum Ausdruck. Herstatts Söhne kritisierten insbesondere die Darstellung ihres Vaters als ständig einnickender Bankenchef, obwohl er zu Bankzeiten bei bester Gesundheit gewesen sei. Ebenso wird die Darstellung von Herstatts Chefsekretärin als absurd bezeichnet.[6][7]
Soundtrack
Für den Soundtrack wurden unter anderem folgende – mitunter der Zeit vorauseilende – Songs verwendet:[8]
- T. Rex (Get It On)
- Peter Frampton (Show Me the Way)
- Boston (More Than a Feeling)
- Pink Floyd (Money)
- The Sweet (Blockbuster)
- James Brown (I Feel Good)
- Gilbert O’Sullivan (Alone Again)
- Stevie Wonder (Superstition)
- Barry White (Can’t Get Enough of Your Love, Babe)
- Led Zeppelin (Rock & Roll)
- The Temptations (Papa Was a Rollin’ Stone)
- Golden Earring (Radar Love)
- Supertramp (Rudy)
- Thin Lizzy (Whiskey in the Jar)
- Santana (Black Magic Woman)
- David Bowie (Space Oddity)
- Don Fardon (Indian Reservation)
- The Alan Parsons Project (The System of Doctor Tarr and Professor Fether - II Arrival)
Rezeption
Kritiken
Rainer Tittelbach bezeichnet den Film „als eine sehr sehenswerte Komödie“ und gibt ihm in seiner Kritik bei tittelbach.tv insgesamt 5 von 6 möglichen Sternen. Szenenbild, Mode und Soundtrack – all das biete den Zuschauern einen besonderen Genuss. Lobend äußert er sich zur Besetzung der Frauenrollen; hier hebt er insbesondere Judith Engel als Birgit Pütz und Leslie Malton als Irene Gerling hervor, die ein paar eindrückliche Szenen hätten. Die männlichen Protagonisten hinterließen einen weniger bleibenden, eher oberflächlichen Eindruck. Die interessanteste, geradezu schillernde Figur sei hier der steife Buchhalter Lennartz, dem die Drehbuchautoren einen markanten Monolog gaben, den Jan Krauter wunderbar umsetze. Trotz seiner insgesamt positiven Bewertung findet Rainer Tittelbach auch einige kritische Punkte. So fehle es dem Film an komplexen Nebenfiguren. Die mit Michelle Barthel als Sexy-Seventies-Ikone ideal besetzte Heldin sei zwar ein guter Türöffner in den Film, doch ergebe die von ihr provozierte Tonlagen-Mischung „eine dramaturgische Schieflage, die eine Narration aus einem Guss verhindert“.[8]
TV Spielfilm gibt dem Film einen Daumen nach oben und beschreibt ihn als „launig-skurrile und liebevoll ausgestattete Finanz-Farce, die wie ‚Wolf of Wall Street‘ am beschaulichen Rhein rüberkommt“.[9]
Für das Branchenportal kino.de ist Goldjungs „ein mutiger, bemerkenswerter und aus dem Rahmen fallender Fernsehfilm“.[10]
Oliver Armknecht vergibt auf film-rezensionen.de 7 von 10 Punkten. Es mache Spaß, dem spielfreudigen Ensemble zuzusehen und darauf zu warten, dass alles zusammenbricht. Gleichzeitig zeige der Film, wie praktisch jeder einer solchen Verführung verfallen könne, wenn die Umstände stimmen.[11]
Fernsehkritiker Tilmann P. Gangloff hebt auf evangelisch.de hervor, dass „das Ehepaar Zahn das Drehbuch als Tragikomödie konzipiert“ habe; das mache den Film „ungleich unterhaltsamer“ als andere deutsche TV-Produktionen zum Thema Finanzskandale. „Gelungen“ ist laut Gangloff auch „die Gratwanderung bei den Nebenfiguren, die auch dank der Ensembleführung durch Regisseur Christoph Schnee nicht zur Karikatur werden“.[12]
Auszeichnungen
Bei der Wahl zum Fernsehpreis 2021 der Deutschen Akademie für Fernsehen (DAfF) wurde Iwan-Herstatt-Darsteller Waldemar Kobus in der Kategorie Beste Nebenrolle ausgezeichnet, einen weiteren Preis erhielten Min Sun Kim und Sarah Raible für das Kostümbild.[14] Der Film war außerdem in der Kategorie Szenenbild für einen DAfF-Fernsehpreis nominiert. Im Rennen um den Jupiter Award 2022 gehörte Goldjungs zu den Nominierten in der Kategorie Bester Film national und Beste Darstellerin (Michelle Barthel).[15]
Weblinks
- Goldjungs bei crew united
- Goldjungs bei IMDb
Einzelnachweise
- Die Produzenten Michael Souvignier, Till Derenbach und Uwe Kersken im Gespräch. Das Erste, abgerufen am 5. Mai 2021.
- Die Film- und Medienstiftung NRW fördert 20 Projekte mit rund 6 Mio. Euro. In: filmstiftung.de. Film- und Medienstiftung NRW, 6. Februar 2020, abgerufen am 5. Mai 2021.
- Goldjungs bei crew united, abgerufen am 1. Mai 2021.
- Regisseur Christoph Schnee im Gespräch. Das Erste, abgerufen am 2. Mai 2021.
- Die Drehbuchautoren Eva Zahn und Volker A. Zahn im Gespräch. Das Erste, abgerufen am 2. Mai 2021.
- Johann David Herstatt, Friedrich-Peter Herstatt und Cornelius Herstatt: Anmerkungen zum Film „Goldjungs“ – Dafür sollte man den Namen nicht verwenden. In: faz.net. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Mai 2021, abgerufen am 7. Mai 2021.
- Ayhan Demirci: Zoff um Kölner TV-Spektakel: „Fake News“: Familie tobt wegen Herstatt-Film in der ARD. In: express.de. Express, 6. Mai 2021, abgerufen am 7. Mai 2021.
- Rainer Tittelbach: Fernsehfilm „Goldjungs“. In: tittelbach.tv. 2021, abgerufen am 1. Mai 2021.
- Goldjungs. In: TV Spielfilm. Abgerufen am 2. Mai 2021.
- Goldjungs. In: kino.de. kino.de, 2021, abgerufen am 2. Mai 2021.
- Oliver Armknecht: Goldjungs. In: film-rezensionen.de. 2. Mai 2021, abgerufen am 2. Mai 2021.
- Tilmann P. Gangloff: Goldjungs. In: evangelisch.de. 5. Mai 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
- Felix Maier: Primetime-Check Mittwoch, 5. Mai 2021. In: Quotenmeter.de. 5. Mai 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
- Die Preisträger der Auszeichnungen der Deutschen Akademie für Fernsehen 2021 sind:. In: daff.tv. Deutsche Akademie für Fernsehen, 2022, abgerufen am 9. Januar 2022.
- JUPITER AWARD 2022: Jahresendwahl. In: jupiter-award.de. Jupiter Award, 2022, abgerufen am 9. Januar 2022.