Glattschnecken

Die Glattschnecken (Cochlicopa), auch Achatschnecken[1][2][Anmerkung 1] genannt, sind die derzeit einzige Gattung der Familie Cochlicopidae aus der Unterordnung der Landlungenschnecken (Stylommatophora). Es handelt sich um meist kleine oder sehr kleine Formen, die holarktisch verbreitet sind.

Glattschnecken

Gemeine Glattschnecke (Cochlicopa lubrica)

Systematik
Überordnung: Heterobranchia
Ordnung: Lungenschnecken (Pulmonata)
Unterordnung: Landlungenschnecken (Stylommatophora)
Überfamilie: Cochlicopoidea
Familie: Cochlicopidae
Gattung: Glattschnecken
Wissenschaftlicher Name der Familie
Cochlicopidae
Pilsbry, 1900
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Cochlicopa
A. Férussac, 1821

Merkmale

Die rechtsgewundenen Gehäuse sind meist klein und bauchig-konisch. Sie messen etwa 5,5 bis 7,5 Millimeter in der Höhe und 2,1 bis 2,8 Millimeter in der Breite. Sie haben bis etwa 7 Windungen. Die Spindel ist unten abgeflacht oder gerundet. Die Oberfläche ist bräunlich, manchmal auch mit einem leichten rötlichen oder auch grünlichen Ton und glatt-glänzend. In die Mündung können Vorsprünge („Zähne“) oder Verdickungen („Calli“) hineinragen. Die Gehäuse haben keine Nabellücke. Die Prostata ist bandartig, der Epiphallus ohne akzessorische Organe. Die innere Oberfläche des Penis weist keine besonderen inneren Strukturen auf. Ein Appendix am Penis kann vorhanden sein oder auch fehlen. Der Stiel der Spermathek ist relativ kurz und schlank; das Divertikel am Stiel ist, wenn überhaupt vorhanden, relativ kurz.

Geographische Verbreitung und Lebensweise

Die Gattung bzw. Familie war ursprünglich in Europa, Nordamerika und Nordasien (holarktisch) verbreitet. Inzwischen sind einige Arten anthropogen fast weltweit verschleppt worden. Sie leben in feuchten Wäldern in Moosen und unter Laub, in Talauen und kalkreichen Sümpfen, aber auch an trockeneren Stellen (z. B. Hangrasen). Die Tiere legen, soweit bekannt, nur wenige große, weichschalige Eier ab, die mit Erde umhüllt werden. Die Jungtiere schlüpfen nach etwa 14 Tagen.

Taxonomie

Das Taxon Cochlicopa wurde 1821 von André Étienne d’Audebert de Férussac aufgestellt[3]. Carl Agardh Westerlund bestimmte 1902 Helix lubrica Müller, 1774 zur Typusart[4]. Das Taxon Cochlicopidae wurde 1900 von Henry Augustus Pilsbry vorgeschlagen[5].

Die Familie der Glattschnecken wird in der Literatur meist als Cochlicopidae bezeichnet. Theoretische Priorität besitzt aber der ältere Name Cionellidae Kobelt, 1878[6], der auf dem jüngeren Synonym von Cochlicopa, Cionella Jeffreys, 1829 beruht. Allerdings ist dieser Name selten benutzt worden und daher wohl als vergessener Name (nomen oblitum) zu werten[7]. Die Cochlicopidae sind derzeit eine von drei Familien der Überfamilie Cochlicopoidea. Zu dieser Überfamilie werden derzeit neben der Nominatfamilie (Cochlicopidae) auch die Familien Amastridae und Azecidae gerechnet. Bouchet & Rocroi (2005) unterteilen die Cochlicopoidea nur in zwei Familien, Cochlicopidae und Amastridae. Die Familie Cochlicopidae wird von Bouchet & Rocroi (2005) in zwei Unterfamilien, Cochlicopinae Pilsbry, 1900 und Azecinae Watson, 1920 unterteilt. Andere Autoren listen die Typusgattung Azeca unter den Cochlicopidae, d. h. betrachten Azecidae/Azecinae als Synonym von Cochlicopidae/Cochlicopinae (cf. Schileyko, 1998).

Nach Madeira et al. (2010) sind die Azecidae gar nicht näher mit den Cochlicopidae verwandt, d. h. das Taxon ist in jedem Fall eine eigenständige Familie[8], und wohl nicht einmal zu den Cochlicopoidea zu stellen. Derzeit enthalten die Cochlicopidae nur eine Gattung, die in zwei Untergattungen unterteilt wird[9].

  • Familie Glattschnecken (Cochlicopidae Pilsbry, 1900, Syn.: Cionellidae L. Pfeiffer, 1879)
    • Gattung Cochlicopa Reinhardt, 1883
      • Cochlicopa (Cochlicopa) Reinhardt, 1883
        • Glänzende Glattschnecke (Cochlicopa nitens (M. von Gallenstein, 1848))
        • Gemeine Glattschnecke (Cochlicopa lubrica (O. F. Müller, 1774))
        • Mittlere Glattschnecke (Cochlicopa repentina (Hudec, 1960))
        • Kleine Glattschnecke (Cochlicopa lubricella (Porro, 1838))
        • Cochlicopa maacki Starobogatov 1996
        • Cochlicopa mukhitdinovi Starobogatov 1996
        • Cochlicopa niiensis Starobogatov 1996
        • Cochlicopa pilsbryi Starobogatov 1996
        • Cochlicopa shikotanica Starobogatov 1996
      • Cochlicopa (Sinizua) Starobogatov, 1996
        • Sinizua davidis (Ancey, 1882)
        • Sinizua potanini Starobogatov, 1996
        • Sinizua sinensis (Heude, 1890)

Der Umfang der Gattung bzw. die Zahl der zugewiesenen Arten sind noch nicht fest etabliert, zumal Starobogatov (1996) ein eigenwilliges Artkonzept zugrunde legte[10] und z. B. in Mittel- und Westeuropa zehn Arten ausschied[9]. Die meisten westeuropäischen Bearbeiter gehen von drei bis vier Arten aus[11].

Belege

Literatur

  • Philippe Bouchet & Jean-Pierre Rocroi: Part 2. Working classification of the Gastropoda. Malacologia, 47: 239-283, Ann Arbor 2005 ISSN 0076-2997 (im Folgenden abgekürzt Bouchet & Rocroi, Working classification mit entsprechender Seitenzahl)
  • Anatolij A. Schileyko: Treatise on Recent terrestrial pulmonate molluscs, Part 1. Achatinellidae, Amastridae, Orculidae, Strobilopsidae, Spelaeodiscidae, Valloniidae, Cochlicopidae, Pupillidae, Chondrinidae, Pyramidulidae. Ruthenica, Supplement 2(1): 1-127, Moskau 1998 ISSN 0136-0027 (im Folgenden abgekürzt Schileyko, Treatise, 1, mit entsprechender Seitenzahl)
  • Rosina Fechter, Gerhard Falkner: Weichtiere. 287 S., Mosaik-Verlag, München 1990 (Steinbachs Naturführer 10), ISBN 3-570-03414-3
  • Michael P. Kerney, R. A. D. Cameron, Jürgen H. Jungbluth: Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas. 384 S., Paul Parey, Hamburg & Berlin 1983, ISBN 3-490-17918-8 (im Folgenden abgekürzt Kerney, Landschnecken mit entsprechender Seitenzahl)
  • Jürgen H. Jungbluth und Dietrich von Knorre: Trivialnamen der Land- und Süßwassermollusken Deutschlands (Gastropoda et Bivalvia). Mollusca, 26(1): 105-156, Dresden 2008 ISSN 1864-5127 PDF
  • Wilhelm Wenz: Gastropoda. Teil I: Allgemeiner Teil und Prosobranchia. In: Handbuch der Paläozoologie Band 6, 948 S., Berlin, Verlag von Gebrüder Borntraeger, 1938 (S. 144)

Einzelnachweise

  1. Kerney, Landschnecken, S. 83.
  2. Klaus Bogon: Landschnecken Biologie, Ökologie, Biotopschutz. Natur Verlag, Augsburg 1990, ISBN 3-89440-002-1 (S. 96)
  3. André Étienne d’Audebert de Férussac: Tableaux systématiques des animaux mollusques classés en familles naturelles, dans lesquels on a établi la concordance de tous les systèmes; suivis d'un prodrome général pour tous les mollusques terrestres ou fluviatiles, vivants ou fossiles. I-XLVII, 1-27, 1-110, Paris & London, Bertrand & Sowerby, 1821-22 Online bei www.biodiversitylibrary.org (S. 24).
  4. Carl Agardh Westerlund: Methodus dispositionis conchyliorum extramarinorum in Regione palaearctica viventium, familias, genera, subgenera, et stirpes sistens. Rad Jugoslavenske Akademije Znanosti i Umjetnosti, Matematičko-Prirodoslovni Razred 151 (32): 82-139. Zagreb 1902 (S. 113).
  5. Henry Augustus Pilsbry: On the zoological position of Partula and Achatinella. Proceedings of the Academy of Natural Sciences, 52: 561-567, Philadelphia 1900 (S. 564)
  6. Wilhelm Kobelt: Illustrirtes Conchylienbuch. 391 S., Verlag von Bauer & Raspe, Nürnberg, 1878 Online bei www.biodiversitylibrary.org (S. 276)
  7. Bouchet & Rocroi, Working classification, S. 53, 265.
  8. María J. Madeira, María A. Elejalde, Luis J. Chueca & Benjamín J. Gómez-Moliner: Phylogenetic Position of the Genus Cryptazeca and the Family Azecidae within the System of the Stylommatophora. Malacologia, 52 (1): 163-168, 2010 DOI
  9. Schileyko, Treatise, 1, S. 106.
  10. Ya. I. Starobogatov: Eurasiatic species of the genus Cochlicopa (Gastropoda, Pulmonata, Cochlicopidae). Ruthenica, 5: 105-129, 1996
  11. Vollrath Wiese: Die Landschnecken Deutschlands. 352 S., Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2014, ISBN 978-3-494-01551-4 (S. 51–55)

Anmerkung

  1. Die Familie wird von manchen deutschsprachigen Autoren auch missverständlich Achatschnecken genannt. Dieser Name ist mehrdeutig, da er überwiegend für die Familie Achatinidae, ebenfalls aus der Unterordnung der Landlungenschnecken (Stylommatophora) benutzt wird.
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