Gigantentreppe

Die Gigantentreppe (eigentlich: Großes Treppenhaus) wurde nach Plänen von Andreas Schlüter ab 1699 als Haupttreppenhaus des Berliner Schlosses gebaut. Eine gestalterische Einheit von Baukunst, Bauplastik und Malerei bildend, galt sie als eines der frühesten und großartigsten Treppenhäuser des deutschen Barocks. Ihren Spitznamen „Gigantentreppe“ erhielt sie wegen der Darstellung der Gigantomachie aus der griechischen Mythologie.[1] Im Zweiten Weltkrieg wurde die Prunktreppe schwer beschädigt und 1950 mitsamt dem Berliner Schloss abgerissen.

Gigantentreppe
Gigantentreppe, Lichtdruck von Ernst Wasmuth, 1889

Gigantentreppe, Lichtdruck von Ernst Wasmuth, 1889

Daten
Ort Berliner Schloss
Baumeister Andreas Schlüter
Bauherr Friedrich I.
Baustil Barock
Baujahr ab 1699
Abriss 1950
Koordinaten 52° 31′ 0,5″ N, 13° 24′ 2,7″ O

Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Sitz des Humboldt Forums wird über die Rekonstruktion der Gigantentreppe diskutiert.

Erster Entwurf

Der große Portalrisalit im Schlüterhof diente als Zugang zur Gigantentreppe.
Gemälde von Eduard Gaertner, 1830

Im Zuge der Neugestaltung des Berliner Schlosses unter dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. begann Schlüter ab 1699 auch mit den Planungen eines neuen Haupttreppenhauses. Dokumentiert ist seine erste Fassung durch Kupferstiche von Leonhard Heckenauer. Die dreiläufige Treppe sollte über den Schlüterhof erschlossen werden und zu den Paraderäumen im zweiten Obergeschoss führen. Die erste Entwurfsfassung umfasste wie der äußere Portalrisalit fünf Achsen in der Breite und drei Achsen in der Tiefe. Durch den mittleren Eingang, aus dem unteren Galeriegeschoss kommend, erschloss sich dem Besucher eine Rampe, die zur Rückwand des Treppenhauses führte. Dort teilte sich die Treppe in jeweils einen nach rechts und links verlaufenden Treppenarm, die sich nach oben wandten. An den Seiten, links und rechts, lagen zwei Treppenaugen. Im Vergleich zur späteren Fassung war die gesamtheitliche Ausstattung und Gestaltung gemäßigter.

Zweiter Entwurf

Endgültiges Aussehen der Gigantentreppe
Ölgemälde von Eduard Gaertner, 1830

1704 war Schlüter gezwungen seine ursprünglichen Planungen aufzugeben und eine neue Entwurfsfassung zu entwickeln. Die Lage und grundsätzliche Dimension des Vorentwurfs wurde beibehalten. Das Entwurfsmotiv des zentralen Treppenlaufs fiel hingegen weg. Es entstanden nun zwei an den Seitenwänden befindliche Treppenarme, wobei die Wendepodeste in den Achsen lagen. Statt der zwei seitlich liegenden Treppenaugen der vorigen Entwurfsfassung gab es nun nur noch eines, das zentral im Raum lag. Somit konnte Schlüter die Treppenhausrückwand und die sichtbare Galerie als Kulisse für die bauplastische Gestaltung nutzen. Aus dem ersten Entwurf wurde zudem die dreiachsige Galerie an der Rückwand der Fassade beibehalten, mit dem Unterschied, dass diese nicht mehr über einen zentralen, sondern zwei seitliche Treppenläufe erreichbar war.

Vom Großen Treppenhaus aus erreichte der Besucher den gleichzeitig über und neben dem Treppenraum gelegenen Schweizersaal, der den Auftakt zu den im Lustgartenflügel befindlichen Paradekammern Friedrichs I. bildete. Ihr Mittelpunkt war der ebenfalls von Schlüter ausgestattete Rittersaal über Portal V mit den Verkörperungen der vier damals bekannten Erdteile Europa, Asien, Afrika und Amerika.

Gestaltung

Von den zwei Treppenläufen verfügte nur einer über Stufen und der andere war als Rampe ausgeführt, damit es dem gehbehinderten König möglich war, mit seinem Pferd in seine Gemächer zu gelangen. Die Treppenläufe sowie die Empore wurden von Atlantenhermen getragen, während die gegenüberliegenden Läufe von den namensgebenden Giganten gestützt wurden. Diese saßen freiplastisch auf dem Gebälk einer dorischen Säulenordnung.

Im darüberliegenden Treppengeschoss befanden sich wiederum eine ionische Ordnung sowie eine aufwendige Figurengruppe, die aus einer Wolke hervorzustoßen schien. Sie zeigte den Himmelsvater Jupiter auf einem Adler reitend, wie er Blitze auf die Giganten schleuderte, die sich auf der gegenüberliegenden Empore befanden. Neben Jupiter waren noch sein Mundschenk Ganymed und mehrere Putten in der Gruppe. Symbolisch stand der Triumph Jupiters über die Giganten für den Sieg der kosmischen Ordnung über das Chaos. Der Adler spielte auf das preußische Wappentier an, während Jupiter symbolisch die Macht des Bauherrn, Friedrich I., wiedergab. Zur symbolischen Strafe trugen die besiegten Giganten nun das Gebälk und die Treppenläufe der Gigantentreppe.

Weitere Figuren und plastische Darstellungen waren Putten an den Treppenwangen, Reliefdarstellungen an den Holztüren und den Unterseiten der Treppenläufe sowie Standbilder in den Nischen der Seitenwände. Ein monumentales Deckengemälde, das auch Bezug auf den Kampf gegen die Giganten nahm, befand sich an der Oberseite des Treppenhauses.

Zerstörung

Während des Zweiten Weltkriegs wurden das Berliner Schloss sowie die Gigantentreppe bei alliierten Luftangriffen schwer beschädigt. 1950 wurden die Sprengung und die Abtragung des gesamten Baukomplexes vorgenommen. Ein Relief, das sich einst an der Unterseite eines Treppenlaufs befand, ist die einzige erhaltene Spolie des Treppenhauses und heute im Schloss Köpenick zu besichtigen.

Beim Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Sitz des Humboldt Forums hat Franco Stella bewusst die Möglichkeit zur späteren Rekonstruktion des Schlüterschen Treppenhauses offen gelassen. So ist die Gigantentreppe hervorragend durch Fotografien und Pläne dokumentiert, die eine Wiederherstellung ermöglichen würden. Als Unterstützer des Wiederaufbaus gilt der Kunsthistoriker Peter Stephan, der die Bedeutung der Treppe damit begründet, dass sie das „Herzstück“ des Berliner Schlosses gewesen sei und unauflöslich zur äußeren Fassade dazu gehöre.[2]

Literatur

  • Albert Geyer: Die Geschichte des Schlosses zu Berlin (1443–1918). Nicolai, Berlin 2010. ISBN 978-3-89479-628-0.
  • Guido Hinterkeuser: Das Berliner Schloss: Die erhaltene Innenausstattung und ihre Geschichte, Oktober 2022
  • Peter Stephan: Die Gigantentreppe Andreas Schlüters. In: Berliner Extrablatt. Jg. 2023, Nr. 99, S. 20–25.

Einzelnachweise

  1. Peter Stephan: Die Gigantentreppe Andreas Schlüters. In: Berliner Extrablatt. Nr. 99. Berlin Mai 2023, S. 20.
  2. Peter Stephan: Die Gigantentreppe Andreas Schlüters. In: Berliner Extrablatt. Nr. 99. Berlin Mai 2023, S. 24.
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