Ghul
Ein Ghul (arabisch غُول, DMG ġūl [ ]) ist üblicherweise ein leichenfressendes Fabelwesen und erscheint in verschiedenen mythologischen und literarischen Formen.
Traditionelle Darstellungen
Persisch-arabischer Kulturkreis
Der Ghul ist im persisch-arabischen Kulturkreis ein gefährlicher Dämon und gehört zu den Dschinnen. Das weibliche Gegenstück zum Ghul wird Ghula genannt. Der Ghul kann in verschiedene Gestalten schlüpfen und Reisende in der Wüste oder im Wald vom Weg ablocken, um sie zu verschlingen. Nur seine Füße bleiben stets Eselshufe, wodurch der Ghul erkannt werden kann. Als Dschinn kann der Ghul sich zum Islam bekennen und lässt dadurch seine wilde und gefährliche Natur hinter sich und könnte den Menschen freundlich gesinnt sein. In zahlreichen Mythen und Märchen, vor allem in den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht[1], spielen Ghule eine Rolle.
Europa
In der klassischen europäischen Literatur und Mythologie ist der menschen- und leichenfressende Ghul im eigentlichen Sinn nicht anzutreffen. Erst nach der Veröffentlichung der Erzählungen aus Tausendundeine Nacht in Europa wurde der Ghul dort zum Begriff. Eine romantische Variante des Motivs findet sich in E.T.A. Hoffmanns Erzählung Vampirismus aus seinem Erzählzyklus Die Serapionsbrüder. Im 20. Jahrhundert erlangte der Ghul mehr Bekanntheit, besonders durch die Schauerliteratur des amerikanischen Schriftstellers H. P. Lovecraft, der stark durch diese Sammlung von Erzählungen beeinflusst wurde. In Lovecrafts Werken haben Ghule hundeähnliche Gesichtszüge und leben unterirdisch in der Nähe von Friedhöfen gemeinschaftlich zusammen.
Moderne Darstellungen
Literatur
Ghule treten häufig als leichenfressende Dämonen in Horror- oder Grusel-Heftromanen auf, wo sie meist als schleimig und Verwesungsgeruch absondernd beschrieben werden. So beinhalten Serien wie Geisterjäger John Sinclair oder Professor Zamorra in vielen Romanen den Kampf gegen Ghule. Das ursprüngliche Motiv kann dabei stark verändert sein, teilweise wird das Wort ohne Bezug zur Historie für nicht menschliche Wesen verwendet.
- Ghule spielen auch in der Bücherreihe von Dennis L. McKiernan eine große Rolle. Dort werden sie als leichenblasse Wesen von Menschengröße, mit hohlen Augen und rissigen Lippen beschrieben.
- In Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen werden Ghule (teilweise auch „Gule“) als beinahe ausgestorben bezeichnet. Wie viele andere mythologische Gestalten auch sind sie zwar weitgehend in die Gesellschaft integriert, allerdings nicht sehr beliebt.
- Wolfgang Hohlbein greift das Motiv der Ghule u. a. in seinen Romanen Anubis und Unterland auf.
- In Joanne K. Rowlings Harry-Potter-Romanen kommt ein Ghul vor, der in der Dachkammer der Familie Weasley haust. Im 7. Band macht sich Ronald Weasley den Ghul zu Nutze, der Rons alten Schlafanzug anzieht und sich als „Ronald mit schwerer Erkrankung“ ausgibt („Grieselkrätze“, schwer ansteckend), während Ron selbst tatsächlich zusammen mit Harry Potter und Hermine Granger auf der Flucht ist.
- Auch im Manga und Anime Tokyo Ghoul werden die menschenfressenden Monster behandelt. Dort sind sie eine eigene Gesellschaft und tarnen sich normalerweise als Menschen. Sie ermorden die Menschen teils zum Spaß, teils um zu überleben. Außerdem besitzen die Ghule dort übermenschliche Fähigkeiten sowie einen Geschmackssinn, der die meisten Lebensmittel verdorben schmecken lässt. Sie können sich nur von Menschenfleisch und Ghulfleisch ernähren.
- Ghule kommen auch in der Bücherreihe von Jeaniene Frost (The Night Huntress Serie) vor. Dort sind sie durch die Art, wie sie erschaffen werden, artverwandt mit den Vampiren.
- Im vierten Band von T. A. Barrons Merlin-Saga werden Ghule als unheimliche Moorgeister beschrieben, die dort ihr Unwesen treiben und Unheil stiften. Als der junge Zauberer Merlin ihnen jedoch hilft, revanchieren sie sich bei ihm, indem sie ihm ebenfalls helfen.
- Karl Edward Wagner erwähnt Ghule in seinem Roman Herrin der Schatten.
- Frank Rehfeld beschreibt in seinem Roman Zwergenbann Ghule als Mischwesen zwischen Mensch, Tier und möglicherweise Dämon, die bleichen, dürren Menschen mit einzelnen Haarsträhnen und einem extrem großen, mit messerähnlichen Zähnen gefüllten Mund ähneln und sich in erster Linie von Leichen ernähren, die sie restlos vertilgen, aber auch lebende Menschen anfallen, wenn ihnen dies als sicher erscheint. Sie sind sonnenlichtscheu, wagen sich aber dennoch für wenige Sekunden hinein, um Beute zu machen. Sie leben in unterirdischen Bauen und die Menschen glauben, dass Ghule nicht nur den Körper, sondern auch die Seelen ihrer Opfer verschlingen.
- In Ghoul Trouble von John Passarella bekämpft Buffy vier Ghul-Mädchen, die Männer ihrem Bann unterwerfen.
- Im Buch Leichenfresser (Ghoul) des US-amerikanischen Schriftstellers Brian Keene spielt ein Ghul eine zentrale Rolle.
- In Waldtraut Lewins historischem Roman "Valadas versinkende Gärten" (dtv, München 2012) werden Ghuls in einen allerdings bitterbösen erotischen Zusammenhang gebracht.
Videospiele
In Computerspielen wird Ghul gelegentlich als Bezeichnung genutzt, die auch hier häufig vom historischen Kontext losgelöst ist.
- Im Echtzeit-Strategiespiel Warcraft 3 heißt eine untote Kampf- und Arbeitseinheit Ghul, die durch den Verzehr von Leichen schnell Lebenspunkte regeneriert. Sie kommt ebenfalls im Online-Rollenspiel World of Warcraft sowie im Online-Sammelkartenspiel Hearthstone vor.
- In der Fallout-Reihe, die nach einem nuklearen Weltkrieg angesiedelt ist, tauchen Ghule als entweder normale, durch radioaktive Strahlung mutierte Menschen oder als menschenfressende Bestien auf.
- Im Spiel Dark Messiah of Might and Magic kommen Ghule als Gefangene zwischen Leben und Tod sowie als Ausgeschlossene aus dem Kreis der Wiedergeburt vor, es sind Menschen, welche in Ghule verwandelt wurden.
- In den Spielen Risen und Risen 2 Dark Waters sind Ghule schwarze, koboldähnliche Wesen, welche die Leiche des Spielers nach dessen Tod verzehren.
Rollenspiele
In Fantasy-Rollenspielen tauchen Ghule ebenfalls häufig als zu überwindende Gegner auf und haben meist die Gemeinsamkeit, sich von Leichen zu ernähren. Die besonderen Eigenschaften können aber auch hier stark variieren.
So sind Ghule im Pen-&-Paper-Rollenspiel Vampire: The Masquerade normale Menschen, die einmal im Monat das Blut ihrer Vampirmeister zu trinken bekommen. Dieser Konsum macht sie stärker, heilt Wunden und stoppt jede Alterung, führt aber auch zur Sucht. Bricht die Nachfuhr von Vampirblut ab, so wird die natürliche Alterung nachgeholt, was bei jahrhundertealten Ghulen bedeutet, dass sie zu Staub zerfallen.
Ähnliche Ghul-Arten lassen sich auch in anderen Rollenspielen finden, wie zum Beispiel im Rollenspiel The Witcher. Dort treten sie ebenfalls als Leichen fressende Monster auf, und es gibt einige Unterarten.
Spielfilm und Serie
Im Film wird der Begriff Ghul oft für wiederbelebte Tote – Untote – verwendet, darunter vor allem Zombies und Vampire. Im britischen Film The Ghoul von 1933 wird der von Boris Karloff dargestellte Wiedergänger als titelgebender Ghul bezeichnet. Dies ist die erste Verwendung des Begriffs in einem Langfilm.
Der Film-Regisseur Ed Wood drehte mehrere Filme um das Fabelwesen, darunter Plan 9 aus dem Weltall und Night of the Ghouls. Einen gewissen Kultstatus erlangte die Spielfilm-Tetralogie Ghoulies I–IV (USA 1983–1994).
Im Film Die Nacht der lebenden Toten von 1968 ist in der englischen Originalversion von Ghulen die Rede, nie von Zombies. George A. Romero hatte eine Darstellung von Zombies nicht beabsichtigt.[2]
In der 2018 veröffentlichten Netflix-Miniserie Ghul erscheint das titelgebende Monster als mörderischer Gestaltwandler, der mit menschlichem Blut beschworen werden kann.
Bei Supernatural (Staffel 4/Folge 19) kommen Ghule als Leichenfresser vor. In der Serie können sie die Gestalt ihrer Opfer annehmen und pflegen untereinander familiäre Beziehungen.
Musik
Morbid Angel widmen sich 1989 dem Thema mit den Lied Chapel of Ghouls auf ihrem Debütalbum Altars of Madness.
Im Song Ghuleh / Zombie Queen der Band Ghost spielt ein weiblicher Ghul, welcher sich im Mondlicht in eine anmutige Gestalt verwandelt, die Hauptrolle.
In Alice Coopers 2011 erschienenen Album Welcome 2 My Nightmare erzählt das Lied Ghoules Gone Wild von wildgewordenen Ghoulen.
Die maskierten und anonymen Mitglieder der Band Ghost werden jeweils mit „A Nameless Ghoul“ (engl. ‚Ein namenloser Ghul‘) angegeben.
Die niederländische Symphonic-Black-Metal-Band Carach Angren behandelt das Thema auf ihrem 2020 erschienenen Album Franckensteina Strataemontanus im Lied Scourged Ghoul Undead.
Literatur
- Tausendundeine Nacht, C.H. Beck in der Übersetzung von Claudia Ott (ISBN 3-406-51680-7)
- H. P. Lovecraft, Gesammelte Werke: Werkgruppe I, Edition Phantasia, limitierte Auflage (ISBN 978-3-924959-65-4)
- H. P. Lovecraft, Gesammelte Werke: Werkgruppe II, Edition Phantasia, limitierte Auflage (ISBN 978-3-924959-73-9)
Weblinks
Einzelnachweise
- So in der Geschichte von Sîdi Nu'mân in der 946. Nacht.
- George Romero Thought 'Night of the Living Dead' Would Be a 'One-Off'. Abgerufen am 13. März 2021 (englisch).