Gerbert Castus
Gerbert (Castus) (* vor 784; † nach 819 (?)) war ein Schüler des Heiligen Liudger und Missionar der Sachsen im Lerigau, Hasegau und Venkigau sowie im nördlichen Dersagau.
Biografie
Historisch Gesichertes
Schriftlich bezeugt ist Gerberts Auftreten in den Jahren 784, 796 und 819 (?):[3]
Im Jahre 784 ging Liudger, Apostel der Friesen, durch Unruhen in Friesland in seiner Tätigkeit als Missionar bedroht, für zweieinhalb Jahre nach Rom und Montecassino. Er wurde von Gerbert, dem der Beiname „Castus“ („der Keusche“) gegeben worden war, auf seiner Reise begleitet.
Heinrich von der Ruhr schenkte am 25. Februar 796 dem Priester Liudger Grundbesitz an der Ruhr, wobei unter den Zeugen der Diakon Castus erscheint.[4]
Aus einer Schrift der Abtei Werden geht hervor, dass Castus Stifter eines Benediktinerklosters im Lerigau war, der Abtei Visbek.
Mittels Urkunde vom 1. September 819 soll Kaiser Ludwig der Fromme der Missionszelle Visbek („cellula fiscbechi“) des Castus und den ihm untergebenen Kirchen völlige Freiheit von allen Abgaben und eine eigene Gerichtsbarkeit verliehen haben. Diese Urkunde wird allerdings inzwischen als Totalfälschung aus dem späten 10. Jahrhundert angesehen.[5] Die Abtei Visbek ging 855 auf Anordnung Ludwigs des Deutschen in das Eigentum des Klosters Corvey über.[6]
Laut Pagenstert bestand in Rechterfeld um das Jahr 890 ein von Abt Castus dem Kloster Werden überlassener Hof.[7]
Vermutungen
Wahrscheinlich war Gerbert ein Mitglied der westfälischen Sippe, der auch der Sachsenführer Widukind angehörte. Bereits früh christianisiert, hat er wohl spätestens 782 auf Grund des Widerstandes heidnischer Sachsen seine Heimat verlassen, um sich Liudger anzuschließen. Um dem 799 gegründeten Kloster Werden eine wirtschaftliche Grundlage zu schaffen, soll Gerbert Castus aus seinem Fundus diesem Kloster Ländereien, unter anderem in Calveslage, geschenkt haben.[8]
Im 9. Jahrhundert kehrte er in seine Heimat zurück, um Visbek zu einer Abtei zu entwickeln, von der aus der Lerigau christianisiert wurde. Nach vorherrschendem Dafürhalten wurde von Gerbert Castus und seinen Gefährten auch der Norden des Dersagaus christianisiert (Lohne)[9] sowie der Hasegau (Löningen) und Teile des Venkigaus (Freren).
Wirkung
Die Missionierung des Lerigaus und der angrenzenden Gebiete durch den auch Apostel des Oldenburger Münsterlandes[10] genannten Abt Gerbert Castus wirkt bis heute fort.
Nach Gerbert Castus sind in dessen Wirkungsbereich einige Straßen, Schulen und andere Einrichtungen benannt, darunter die Gerbertstraßen in Vechta und in Lingen (Ems), die Abt-Castus-Straße in Bakum sowie die Gerbertschule in Visbek und die Gerbert-Schule in Altenoythe. Im Jahr 1984 wurde vor der Pfarrkirche St. Vitus in Visbek eine Bronzeplastik des Osnabrücker Dombildhauers Willi Witte errichtet. Sie stellt den Abt Gerbert Castus, den Priester Folcard[11] (einen Mitstreiter des Missionars und ersten Bischofs von Bremen Willehad) und einen Gefährten der beiden dar, den Grafen Emmig[12]. Ebenso zieren Gerbert Castus und seine zwei Gefährten als Stelen die Mitte des Kreisverkehrs Döller Damm an der Umgehungsstraße in Visbek.
Im Jahr 2009 wurde in Visbek ein Kinder-Musical über Gerbert Castus aufgeführt.[13]
Im Rathaus von Großenkneten werden seit 2011 mehrmals im Jahr „auf Wegen des Abtes Gerbert Castus“ geführte Pilgerwanderungen als „Zeitreise durch das Christliche Erbe“ organisiert. Besucht werden dabei die Missionszelle Visbek (St. Vitus), die ehemalige Kirche in Westerstedi (Westerburg), der Wallfahrtsort Bethen, die Marienkirche in Wardenburg und die einzige romanische Basilika im Oldenburger Land, die Alexanderkirche in Wildeshausen.[14]
Literatur
- Carl Ludwig Niemann: Der Abt Castus. Die Einführung des Christentums im Lerigau. In: Jahrbuch für die Geschichte des Herzogtums Oldenburg. Bd. 4. 1895. S. 37–43 (Digitalisat).
- Bernhard Brockmann: 1175 Jahre Visbek 819–1994. Abtei Visbek. Vechta 1994.
- Bernhard Brockmann: Die Christianisierung des Oldenburger Münsterlandes. Abt Gerbert-Castus in seiner Zeit. Plaggenborg, Vechta 1996, ISBN 3-929358-51-4
- Manfred Balzer: Abt Castus von Visbek. Aufsatz. In: Nordmünsterland. Forschungen und Funde 8. 2021. S. 7–63 (Digitalisat)
Einzelnachweise
- Ökumenisches Heiligenlexikon: Artikel „Folkard“
- Landesbibliothek Oldenburg: Bio-Handbuch U-Z S. 790 p. (pdf S. 29 p.; 11,0 MB)
- Prof. Dr. Manfred Balzer hielt Vortrag über "Abt Castus von Visbek". Gemeinde Visbek. 27. Oktober 2021.
- Offizialat Vechta: Urkundenbuch Südoldenburg Seite 20 Nr. 4
- Theo Kölzer: Die Urkunden Ludwigs des Frommen für Halberstadt (BM2 535) und Visbek (BM2 702) – ein folgenschweres Mißverständnis, in: Archiv für Diplomatik 58 (2012) S. 103–123 (hier: S. 119–121).
- Hans Friedl u. a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Artikel „Gerbert“ (PDF; 7,7 MB) Oldenburg: Isensee, 1992. S. 230ff.
- Clemens Pagenstert: Die Bauernhöfe im Amte Vechta, Gemeinde Visbek, IX., B. Rechterfeld, Koch, Vechta 1908, S. 203.
- Uwe Büssing: 890 – Erste urkundliche Erwähnung von Calveslage (Memento vom 31. Mai 2014 im Internet Archive), aufgerufen aus dem Webarchiv am 3. Oktober 2017.
- Katholische Kirchengemeinde St. Gertrud Lohne: Die geschichtliche Entwicklung der Pfarrgemeinde Lohne (Memento vom 6. Februar 2015 im Internet Archive)
- Michael Bönte: Abt Gerbert Castus – Ein Missionar aus zweiter Reihe (Memento vom 3. Mai 2015 im Internet Archive). In: Kirchensite (ehemalige Online-Zeitung des Bistums Münster), 29. Oktober 2004, abgerufen aus dem Webarchiv am 11. Januar 2023.
- Ökumenisches Heiligenlexikon: Artikel „Folkard“
- Landesbibliothek Oldenburg: Bio-Handbuch U-Z S. 790 p. (pdf S. 29 p.; 11,0 MB)
- Vikar von Visbek schrieb ein Kinder-Musical. Die Idee kam bei McDonald's: Gerbert für Kinder. Kirchensite (Online-Zeitung für das Bistum Münster). 27. März 2009
- Gemeinde Großenkneten: Castusweg. Abgerufen am 3. Oktober 2017.