Geoarchäologie

In der Geoarchäologie wird mit geowissenschaftlichen Methoden archäologischen Fragen nachgegangen. Im Mittelpunkt dabei steht die Rekonstruktion historischer und prähistorischer Landschaften mit Sedimentuntersuchungen, bodengeographischen Untersuchungen und Rohmaterialanalysen. Disziplinäre Anknüpfungspunkte bestehen insbesondere zur Geographie (speziell Geomorphologie, Bodengeographie und Siedlungsgeographie) und Geologie.

Entwicklungsgeschichte

Nach früheren Ansätzen in den USA etabliert sich die Geoarchäologie derzeit als eigenes, methodisch orientiertes Fachgebiet innerhalb der Geographie und der Archäologie. So gibt es bereits mehrere geoarchäologische Masterstudiengänge an Geographischen Instituten in Deutschland.[1] Im Hintergrund stehen zunehmende Forschungen im Bereich der Siedlungsarchäologie oder Landschaftsarchäologie seit Ende der 1980er Jahre, die einen Bedarf an methodisch spezialisierten Fachleuten haben erkennen lassen.

Abgrenzung und Aufgaben

Als Teil der Geowissenschaften bildet die Geoarchäologie Schnittmengen mit zwei wesentlichen Forschungsgebieten, der Archäologie und der Paläontologie. Die Geoarchäologie beschäftigt sich mit der lokalen Geologie und Bodenkunde für die archäologisch relevanten Grabungsschnitte. Hierzu werden die Bodenverhältnisse im Vorfeld archäologischer Maßnahmen (Zustand des Bodenab- oder auftrags, Störungen oder Anschüttungen) untersucht (Geophysikalische Prospektion), die bodenkundliche Begleitung von Prospektionen, Sondagen und Grabungen sichergestellt (Profilaufnahmen, Bohrungen, Probeentnahmen und anschließende Laboruntersuchungen) und die Geofaktoren, z. B. Veränderungen von Bodenhorizonten, Wasser und Bodenreliefs, im grabungsrelevanten, archäologischen Terrain rekonstruiert.

Arbeitsschwerpunkte

Die Anwendungsgebiete der Geoarchäologie sind zahlreich. Schwerpunkt dabei ist die Arbeit mit holozänen Sedimenten, u. a. Kolluvien,[2] Auelehmen,[3] Seesedimenten[4] und teils marinen Sedimenten[5], die unter dem Einfluss des Menschen abgelagert wurden. Dabei häufig verwendete Methoden sind die Pollenanalyse und geophysikalischen Untersuchungen, wie etwa Geoelektrik und Georadar.[6] Verbreitet ist auch die Herkunftsbestimmung von Gesteinen, z. B. von Obsidian. Neben klassischen Methoden wie Dünnschliffuntersuchungen können auch aufwändige geochemische Analysen erforderlich sein, um die Herkunft eines Gesteins sicher eingrenzen zu können. Geomorphologische oder bodengeographische Prozesse können für die Interpretation archäologischer Objekte eine wesentliche Rolle spielen, da sie Erhaltung und Auffindungschancen dieser nachhaltig beeinflussen. Bodenkundliche Untersuchungen bieten aber auch wichtige Ansatzpunkte für die Rekonstruktion früherer Landschaften, indem einerseits Nutzungspotentiale der Vergangenheit analysiert und andererseits topographische Veränderungen, wie die Zuschwemmung von Tälern oder die Verlandung von Seen näher erfasst werden können. Zunehmend wird ergänzend auch von einer Archäogeographie gesprochen, welche die Lücke zwischen Paläogeographie und Historischer Geographie schließen, und urgeschichtliche Landschaften als Ausdruck des prähistorischen Mensch-Umwelt-Verhältnisses seit dem Auftreten des Menschen untersuchen soll.

Forschungsorganisation

Seit 2004 existiert auch der Arbeitskreis Geoarchäologie, in dem sich Geographen und Archäologen gleichermaßen austauschen und zusammenarbeiten.

Literatur

  • R. Bonn: Wer oder was sind Geoarchäologen und was ist Geoarchäologie? In: Abenteuer Archäologie. Nr. 8, 2007, S. 32–37 ISSN 1615-7125
  • Helmut Brückner, Andreas Vött: Geoarchäologie – eine interdisziplinäre Wissenschaft par excellence. In: E. Kulke, H. Popp (Hrsg.): Umgang mit Risiken, Katastrophen, Destabilisierung, Sicherheit. Deutscher Geographentag, Bayreuth 2007, S. 181–202.
  • Geographische Rundschau. Band 58, Nr. 4, 2006, ISSN 0016-7460: Schwerpunkt dieser Ausgabe ist die Geoarchäologie
  • Ervan G. Garrison: Techniques in archaeological geology. Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-43822-X
  • Paul Goldberg, Richard Macphail: Practical and theoretical geoarchaeology. Blackwell, Malden 2006, ISBN 0-632-06044-1.
  • W. J. MacGuire: The archaeology of geological catastrophes. Geological Society, London 2000, ISBN 1-86239-062-2
  • Werner Nützel: Einführung in die Geo-Archäologie des Vorderen Orients. Reichert, Wiesbaden 2004, ISBN 3-89500-374-3
  • Torsten Mattern, Andreas Vött (Hrsg.): Mensch und Umwelt im Spiegel der Zeit: Aspekte Geoarchäologischer Forschungen im östlichen Mittelmeergebiet. Harrassowitz. Wiesbaden, 2009, ISBN 978-3-447-05877-3
  • George R. Rapp, Christopher L. Hill: Geoarchaeology - the earth-science approach to archaeological interpretation. Yale University Press, New Haven 1998, ISBN 0-300-07076-4.
  • Christian Stolz: Geoarchäologie. Springer, Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-62773-0.
  • Richard Vogt: Geoarchäologie. Der Beitrag der Geoarchäologie zur Erforschung der Kulturlandschaftsentwicklung. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege 50. Jg. 1/2021, S. 11–16.
  • Eberhard Zangger: Geoarchäologie In: Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der historischen Geographie. J. B. Metzler Verlag Stuttgart, 1999, ISBN 3-476-01285-9, S. 166–169.
  • Eberhard Zangger: Die spektakulärsten Erfolge in der Archäologie stammen heute aus den Naturwissenschaften. Geoarchäologen erforschen die Ingenieurleistungen der Vorzeit. "wasser, energie, luft - eau, énergie, air". 93. Jahrgang, 2001, Heft 9/10, S. 266 (Digitalisat).
  • Eberhard Zangger, Horst Leiermann, Wolfgang Noack, Falko Kuhnke: A 21st Century Approach to the Reconnaissance and Reconstruction of Archaeological Landscapes. In: Aegean Strategies. Studies of Culture and Environment on the European Fringe. Rowman & Littlefield Publishers, Lanham, 1997, S. 9–31, ISBN 0-8476-8656-6

Einzelnachweise

  1. https://www.uni-marburg.de/de/studium/studienangebot/master/m-geoarch Master of Science Geoarchäologie der Universität Marburg
  2. M. Leopold, J. Völkel: Colluvium: definition, differentiation and their possible suitability to reconstruct Holocene climate data. In: Quaternary International. 162–163, 2007, S. 133–140.
  3. C. Stolz, J. Grunert, A. Fülling: The formation of alluvial fans and young floodplain deposits in the Lieser catchment, Eifel Mts., western German Uplands: A study of soil erosion budgeting. In: The Holocene. 22, 3, 2012, S. 267–280.
  4. S. Dreibrodt, H.-R. Bork: Seengeheimnisse: das Geschichtsbuch unter dem Belauer See (Schleswig-Holstein). In: H.-R. Bork: Landschaften der Erde unter dem Einfluss des Menschen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, S. 121–128.
  5. A. Vött, S. M. May: Auf den Spuren von Tsunamis im östlichen Mittelmeer. In: Geographische Rundschau. 12, 2009, S. 42–48.
  6. J. Völkel, M. Leopold, B. Weber: Neue Befunde zur Landschaftsentwicklung im niederbayerischen Donauraum während der Zeitenwende (Keltisches Oppidum von Manching und Viereckschanze von Poign bei Bad Abbach). In: Z. Geomorph. N.F. Suppl.-Band 128, 2002, S. 47–66.
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