Genoveva von Brabant

Genoveva von Brabant (* der Legende nach um 730; † um 750), auch: Genovefa, ist der Überlieferung nach die Tochter eines Herzogs von Brabant und die Gemahlin eines Pfalzgrafen Siegfried. Dass es sie tatsächlich als historische Person gab, ist unwahrscheinlich. Die entsprechenden Schilderungen folgen in weiten Teilen immer wieder anzutreffenden Grundmotiven (Archetypen) und erscheinen so als über jahrhundertelange Erzähltradition entwickeltes Arrangement, wobei auch typische Namen für typische Charaktere auffallen. So stellt Siegfried den Grundtypus eines adligen Hausherrn der frühen deutschen Geschichte dar, während bei Genoveva das Motiv des Zwiespaltes zwischen „männlicher“ Gerechtigkeit und „weiblicher“ Rettung erkennbar ist, das auch in der Legende der Heiligen Genoveva vorliegt. Des Weiteren gibt es Hinweise, die die Entstehung der ersten Niederschrift der Erzählung ins Kloster Maria Laach des frühen 14. Jahrhunderts verlegen. Auffallend sind dabei z. B. auch Namensparallelen zur Gründungsgeschichte des Klosters im 11. und 12. Jahrhundert und eine Handlungsparallele zur Biographie Ludwigs des Strengen (13. Jh.).

Genoveva in der Waldeinsamkeit, Gemälde von Adrian Ludwig Richter, 1841
Genoveva (Radierung von Hugo Bürkner, 1854, nach einer Zeichnung von Julius Hübner, 1837)

Inhalt der Sage

Als Pfalzgraf Siegfried (als Gefolgsmann des Königs, ggf. Karl Martells), in den Krieg zog, wurde Genoveva von Siegfrieds Statthalter Golo begehrt; sein Werben wurde von der treuen Genoveva verschmäht. Daraufhin beschuldigte er Genoveva des Ehebruchs mit einem Koch und verurteilte sie zum Tode. Vom Henker wurde sie jedoch verschont und freigelassen (Parallele zu Schneewittchen). Darauf lebte sie mit ihrem neugeborenen Sohn sechs Jahre lang in einer Höhle, in der die Gottesmutter Maria sie mittels einer Hirschkuh versorgte. Schließlich fand ihr Ehemann Siegfried, der stets an ihre Unschuld glaubte, aber Golos Entscheidung als Statthalter akzeptierte, sie wieder und errichtete zum Dank für Genovevas Errettung eine Wallfahrtskirche. Golo wurde nach Aufdeckung des wahren Verlaufs der Geschichte auf Geheiß Siegfrieds gevierteilt.

Quellen, Autoren und Überlieferungen

Wahrscheinlich wurde die mündliche Überlieferung im 14. Jahrhundert im nahe gelegenen Kloster Maria Laach niedergeschrieben. Dies kann mit einiger Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit dem Ablassbrief für Fraukirch vom 2. April 1325 gesehen werden, der auch Einzug in die Legende fand. 1448 wurde die Legende vom damaligen „Rector Scholarum“ in Maria Laach, Johannes Seinius, stilistisch überarbeitet. Das entstandene Manuskript ist jedoch verschollen. Der aus Andernach stammende Karmelit Matthias Emyrich kannte den Stoff der Genovefa-Legende vermutlich bereits seit seiner Jugend und verfasste 1472 eine umfangreich erweiterte und ausgeschmückte Variante. Die von ihm verfasste Handschrift befindet sich, nach Felix Brüll, in der Trierischen Stadtbibliothek. Der Laacher Mönch Johannes von Andernach veröffentlichte 1500 eine protokollarisch kurz gehaltene Version der Gründungsgeschichte von Fraukirch und der darin enthaltenen Genovefa-Legende. Zwar ist auch diese Handschrift nicht im Original erhalten geblieben, jedoch der Inhalt in weiteren Abschriften. Jedenfalls bezieht sich der letzte Abt des Klosters Maria Laach, Thomas Kupp, 1802 in seiner „Disertatio in vitam Palatino-Genoveficam pure et fideliter“ nach Heinrich Sauerborn auf eine Handschrift, die rein und frei von Zutaten ist. Die in dem lateinischen Manuskript von Thomas Kupp enthaltene Genovefa-Legende wurde von Heinrich Sauerborn ins Deutsche übersetzt und in seinem Buch „Geschichte der Pfalzgräfin Genovefa und der Kapelle Frauenkirchen“ 1856 veröffentlicht.

Altar der Fraukirch (17. Jahrhundert) mit Darstellung der Legende
Genoveva mit Sohn, zu ihren Füßen die Hirschkuh; Relief von Reinhold Teutenberg in Maria Laach

Verbreitung und Rezeption

Weite Verbreitung und Bekanntheit fand die Sage durch eine Erzählung von Christoph von Schmid. Im 19. Jahrhundert kam es zu zahlreichen Rezeptionszeugnissen, beispielsweise das Theaterstück Genoveva von Friedrich Hebbel, das Robert Schumann als Grundlage für seine gleichnamige Oper diente. 1866 veröffentlichte Mathilde Wesendonck ihr Trauerspiel „Genovefa“ in drei Aufzügen.[1] Ebenso schrieb Jacques Offenbach eine Operette mit gleichem Titel. Auch als Stück für die Puppentheater-Bühne war die Legende sehr populär. Gustav Schwab nahm den Stoff in seine Deutschen Volksbücher auf. Marcel Proust nimmt am Anfang seines Romans Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Bezug auf die Legende: der Erzähler erinnert sich, dass ihm als Kind die Geschichte von Genoveva von Brabant mittels einer Laterna magica vorgeführt wurde. Auch im späteren Verlauf des Romans wird an einigen Stellen auf die Legende verwiesen, die auf komplexe Weise mit verschiedenen Figuren (vor allem mit der Herzogin von Guermantes) und Motiven verflochten ist. Eine Nacherzählung der Sage in Romanform durch Günter Ruch wurde 2002 unter dem Titel „Genovefa“ veröffentlicht und 2006 auch als Hörbuch publiziert. 2014/15 entstand in Mayen eine Musicalfassung von Carsten Braun (Musik) und Peter Nüesch (Text), die im Sommer 2015 auf den dortigen Burgfestspielen uraufgeführt wurde.[2]

Regionale Zuordnung

Für die regionale Tradition der Pellenz wird neben den sehr eindeutigen Erklärungen im Werk von Marquard Freher (1612/13) (s. u.) von Heimatforschern angeführt, dass in dieser Landschaft eine Reihe von Örtlichkeiten zu Namen und Inhalten der Legende passen – vorrangig Fraukirch bei Thür als wichtiger Angelpunkt der Sage seit 400 Jahren, aber auch die Genovevahöhle im Hochstein bei Ettringen, die Genovevaburg in Mayen mit Goloturm und das Golokreuz bei Thür. Zahlreiche Straßen der Orte der Region tragen Namen aus der Sage. Da diese Benennungen sicher alle dem 19. oder 20. Jahrhundert entstammen, drücken sie jedoch mehr eine auch noch heute in der Bevölkerung erkennbare Verbundenheit aus als einen Beweiswert. Auch die Genovevahöhle bei Butzweiler führt ihren Namen erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der so genannte Goloring bei Wolken. Dabei handelt es sich um ein neolithisches Henge-Monument und den angeblichen Platz der Vierteilung des Ritters Golo. Ein wichtiges regionales Bildzeugnis ist der Hochaltar der Wallfahrtskapelle Fraukirch aus dem 17. Jahrhundert.

In Teilen der katholischen Bevölkerung wurde im 13. Jahrhundert Genoveva von Brabant als Heilige verehrt, obwohl sie nie offiziell von der katholischen Kirche heiliggesprochen wurde. Ihr Gedenktag ist der Überlieferung nach der 3. April.[3]

Genoveva in der Dichtung

  • Genouefa, d. ist wunderl. Leben u. denckwürdige Geschichten d. h. Genouefa, geborner Hertzogin aus Brabant, von Michael Staufacher, Dillingen[: Johann Caspard Bencard][4] (1660)
  • Genovefa, Oder die Von den Menschen erkante Unschuld [von René de Cériziers], Dillingen: Joannes Casparus Bencard (1685)
  • Janôvaparvam (in Malayalam), von Johann Ernst von Hanxleden (c. 1720–1732).
  • Genovefa im Turme, Dichtung von Maler Müller (um 1775); später übernommen in: Golo und Genovefa, Schauspiel von Maler Müller (um 1775)
  • Leben und Tod der heiligen Genoveva, Trauerspiel von Ludwig Tieck (1799)
  • Genovefa, von Christoph von Schmid (1810)
  • Genoveva, Schauspiel von Friedrich Hebbel (1843)
  • Felix Brüll: Die Legende von der Pfalzgräfin Genovefa nach dem noch ungedruckten, bisher verschollenen Texte des Johannes Seinius. Prüm, 1899. Online-Ausgabe dilibri Rheinland-Pfalz
  • Genovefa, Schauspiel von Peter Hacks (1993)
  • Genovefa, Historischer Roman von Günter Ruch (2002)

Genoveva in der Musik

Genoveva in der bildenden Kunst

Literatur

Commons: Genoveva von Brabant – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Genoveva von Brabant – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. „Genovefa“, Zürich, Verlag David Bürkli
  2. Rhein-Zeitung: Genoveva-Sage wird als neues Musical gespielt, abgerufen am 14. Mai 2014
  3. Lt. Lexikon der Chr. Ikonographie: der 2. April
  4. Siehe zu Bencard: Friedrich Zoepfl: Bencard, Johann Caspar. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 34 (Digitalisat).
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