Gehörlosenseelsorge

Gehörlosenseelsorge, die (ehem. Taubstummenseelsorge) ist die diakonische und seelsorgerische Hinwendung zu dem gehörlosen Menschen (Wesensmerkmal der Kirche), um dem Gehörlosen einen Zugang zur „hörenden Welt“ zu ermöglichen, ihn in Lebenssituationen zu begleiten und „Gottes Wort“ zu verkündigen. Daher auch heute noch die fälschliche Annahme, es gehe in der Gehörlosenseelsorge vornehmlich um die Seelsorge an Gehörlosen.

Gehörlosenkapelle in Loimanns, Niederösterreich; erbaut 1979

Geschichte

Abbé Charles-Michel de l’Epée (1712–1789) und Samuel Heinicke (1727–1790) gelten als die Begründer der „Taubstummenfürsorge“. Abbé l’Epée hatte 1770 in Paris die erste Anstalt für Taubstumme gegründet und dort die Gebärdensprache eingeführt. Kantor Heinicke gründete 1778 in Leipzig eine ähnliche Anstalt, in der die Lautsprachenmethode den Vorzug hatte. Im 19. Jahrhundert übernahmen auch einige Ordensgemeinschaften schwerpunktmäßig die Seelsorge für Gehörlose, zu ihnen zählten die St. Josephsschwestern von Ursberg und die Liobaschwestern von Tauberbischofsheim.

Gehörlosenseelsorge heute

Deutschland

Im heutigen Sinne ist Gehörlosenseelsorge Gemeindearbeit, die alle kirchlichen Merkmale (Verkündigung, Unterricht und Seelsorge) umfasst. Diese Arbeit unterscheidet sich von „normaler“ Gemeindearbeit vor allem in der Verwendung der Gebärdensprache. Ausgehend von einer neuen Wahrnehmung und Wertschätzung der Gebärdensprache begann in den 1980er Jahren in der Gehörlosengemeinschaft in Deutschland die Entwicklung hin zu einem neuen (nicht-behinderten) Selbstbewusstsein. Diese Entdeckung der eigenen Gehörlosenkultur und der Kampf um die Anerkennung der Gebärdensprache fanden ihren Niederschlag auch in der Gehörlosenseelsorge und sind ständige Herausforderung an das Bemühen, mehr Kirche der Gehörlosen als Kirche für die Gehörlosen zu werden.

Im Bereich der evangelischen Landeskirchen[1] in Deutschland ist die Gehörlosenseelsorge organisatorisch ein Bereich der Sonderseelsorge (vgl. Krankenhausseelsorge, Gefängnisseelsorge u. a.). Auf EKD-Ebene wird die evangelische Gehörlosenseelsorge vertreten durch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge (DAFEG).

In der deutschen katholischen Kirche ist als Dachverband der Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands (VKGD)[2] für die Gehörlosengemeinden zuständig. Konkret setzen die einzelnen Diözesen dafür Seelsorger ein. Die Arbeitsstelle „Pastoral für Menschen mit Behinderung der Deutschen Bischofskonferenz[3] unterstützt die Gehörlosenseelsorge durch verschiedene Tätigkeiten: Jahrestagungen der Gehörlosenseelsorger, Zusatzqualifikationen für Mitarbeiter, Herausgabe der Zeitschrift „Behinderung & Pastoral“, politische Vertretung. Ähnlich unterstützt die Arbeitsstelle auch die übrigen Behindertenseelsorgerinnen und -seelsorger. Die Arbeitsstelle für Behindertenpastoral arbeitet eng mit den Diözesan-Gehörlosenseelsorgern[4] und dem Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands (VKGD) zusammen.

Im freikirchlichen Bereich existieren Christliche Gehörlosen-Gemeinschaften.

Literatur

Carl Andresen, Georg Denzler: Wörterbuch der Kirchengeschichte. dtv, München 1982, ISBN 3-423-03245-6, S. 575.

Einzelnachweise

  1. z. B. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers – Gehörlosenseelsorge
  2. Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands
  3. Deutsche Bischofskonferenz-Seelsorge für Menschen mit Behinderung
  4. z. B. Gehörlosenseelsorge im Bistum Mainz
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