Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde

Die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde wurde 2012 in Brandenburg an der Havel der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, als letzte der sechs Gasmordanstalten der „Aktion T4“ eröffnet. Am historischen Ort des NS-Krankenmordes, beherbergen die Räume des ehemaligen Werkstattgebäudes des Brandenburger Alten Zuchthauses, das den Tarnnamen „Landespflegeanstalt Brandenburg a. H.“ trug, eine Dauerausstellung für die ermordeten „Euthanasie“-Opfer. Angrenzend befand sich die Anstaltsscheune, in der sich eine Gaskammer und zeitweise auch das Krematorium befanden. Ein Archiv und Lernzentrum sind an die Dokumentations- und Bildungseinrichtung angeschlossen.

Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde
Frontansicht der Gedenkstätte

Frontansicht der Gedenkstätte

Daten
Ort Brandenburg an der Havel
Bauherrin Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
Koordinaten 52° 24′ 39,6″ N, 12° 33′ 2,6″ O

Zwischen Januar und Oktober 1940 wurden mehr als 9.000 Frauen, Männer und Kinder aus psychiatrischen Krankenhäusern des nord- und mitteldeutschen Raums einschließlich Berlins mit Giftgas ermordet.

Entwicklung des heutigen Gedenkortes

An einer Backsteinmauer ist eine rechteckige Tafel aus dunkelgrauem Metall angebracht. Ihr Relief zeigt eine Person, im seitlichem Porträt mit geschlossenen Augen und dem Gesicht gen Himmel neigend. Die Hände der Person sind zu sehen. Die Rechte Hand ist zur Faust geballt, die Linke schwebt in der Luft. Darunter beginnt die Inschrift.
Gedenktafel von Franz Andreas Threyne

Das Gelände des „Alten Zuchthauses“ in der Innenstadt von Brandenburg an der Havel wurde 1939 als die erste von sechs Mordstätten im Rahmen der nationalsozialistischen „Aktion T4“ genutzt. Unter dem Tarnnamen „Landespflegeanstalt Brandenburg a. H.“ erfolgte dort zwischen Januar und Oktober 1940 die systematische Ermordung von Kranken und Menschen mit Behinderungen aus psychiatrischen Krankenhäusern im nord- und mitteldeutschen Raum, einschließlich Berlins, mittels Giftgas.[1]

In den Jahren nach 1945 fanden vereinzelte Gedenkveranstaltungen statt, die an den Ort des Verbrechens erinnerten. Mit dem Abriss von Teilen des kriegsbeschädigten Areals, das ab 1945 von der Stadtverwaltung genutzt und anschließend neu bebaut wurde, gerieten die Verbrechen des Ortes zunehmend in Vergessenheit. Gedenk-Initiativen, die von einzelnen Bürgern organisiert wurden, stießen auf wenig Unterstützung.[2]

Ab 1962 wurde an der Mauer zum Nicolaiplatz eine Gedenktafel des Bildhauers Franz Andreas Threyne mit der Inschrift: „Vergesst es nie! Durch die Euthanasiemorde der Faschisten wurden 1940 auf diesem Gelände 8000 unschuldige Menschen getötet“ angebracht. Die Inschrift spiegelte den damaligen Kenntnisstand über die Zahl der Opfer wider. Zu DDR-Zeiten fanden an diesem Ort ritualisierte Gedenkveranstaltungen für die „Opfer des Faschismus“ statt.[3]

Im Jahr 1993 erhielt die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten den Auftrag, die Dokumentationsstelle Zuchthaus Brandenburg zu etablieren. In Zusammenarbeit mit den Betroffenenverbänden wurde 1997 auf dem sogenannten Alten Zuchthausgelände in der Nähe des Nicolaiplatzes eine „Euthanasie“-Gedenkstätte eingeweiht. Diese Gedenkstätte besteht aus Gedenk- und Informationsstelen, die an die Morde in der Stadt Brandenburg erinnern.[4] Die insgesamt sieben Tafeln wurden im Jahr 2003 inhaltlich aktualisiert.[2]

Im Oktober 2002 berief die Stiftung eine wissenschaftliche Tagung ein, um die vielfältige Geschichte des Ortes zu diskutieren. Die „Euthanasie“-Anstalt Brandenburg war der Ort, an dem zum ersten Mal Menschen mit Giftgas ermordet wurden. Das Ziel bestand darin, eine zentral gelegene Erinnerungsstätte zu schaffen, die die Themenbereiche „NS-Strafjustiz“, „politische Justiz nach 1945“ und „Euthanasie-Verbrechen“ vereint und gleichzeitig voneinander abgrenzt.[5]

Gelände und Ausstellungen

Die Dauerausstellung der Gedenkstätte wurde 2012 im ehemaligen Werkstattgebäude eröffnet. Die Ausstellungsfläche umfasst 140 m² und wird durch zwei voneinander verbundene Räume eingeteilt. Diese sind mit grauer Gaze künstlich verdunkelt, sodass der Lichteinfall durch ein einzelnes Fenster in Richtung ehemalige Anstaltsscheune, die einzige natürliche Lichtquelle darstellt. Die Verbindung zur nahe gelegenen Gaskammer wird durch eine graue Linie am Boden hergestellt, die als Sichtachse im Ausstellungsraum beginnt und durch das einzige unverdunkelte Fenster hinaus zu den etwa 100 Meter entfernten Fundamenten führt. Die Dauerausstellung hebt die Bedeutung der Euthanasie-Mordanstalt als Ort der ersten „Probevergasung“ sowie als Ort des systematischen Massenmords an jüdischen Anstaltspatienten hervor. Außerdem thematisiert die Ausstellung die direkte Verbindungslinie, die von der Tötungsanstalt in Brandenburg zum Genozid an den europäischen Juden führt. Ein Gedenkbuch nennt die Namen von identifizierten Opfern. Anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Besitz der Familien werden rund 30 Biografien von Ermordeten nachgezeichnet.[6][7]

Historische Zusammenhänge

Bei den sechs nationalisozialistischen Tötungsanstalten handelte es sich um Einrichtungen, die im Rahmen der NS-„Aktion T4“ während des Zweiten Weltkriegs betrieben wurden. Diese Anstalten spielten eine zentrale Rolle in den systematischen Massentötungen von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen sowie psychischen Erkrankungen. Die Standorte und Betriebszeiträume der Anstalten waren:[8]

Literatur

  • Astrid Ley, Annette Hinz-Wessels (Hrsg.): Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus. Metropol, Berlin 2012, ISBN 978-3-86331-085-1.
  • Ingo Wille: Transport in den Tod. Von Hamburg-Langenhorn in die Tötungsanstalt Brandenburg Lebensbilder von 136 jüdischen Patientinnen und Patienten. ISBN 978-3-86331-366-1.
Commons: Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Astrid Ley, Annette Hinz-Wessels: Gedenken in der Stadt Brandenburg an der Havel seit 1945. In: Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus. Metropol, 2017, ISBN 978-3-86331-085-1, S. 15–17.
  2. Astrid Ley, Annette Hinz-Wessels: Gedenken in der Stadt Brandenburg an der Havel seit 1945. In: Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus. Metropol, 2017, ISBN 978-3-86331-085-1, S. 190.
  3. Astrid Ley, Annette Hinz-Wessels: Gedenken in der Stadt Brandenburg an der Havel seit 1945. In: Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus. Metropol, 2017, ISBN 978-3-86331-085-1, S. 191.
  4. Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel. In: Bundeszentrale für politische Bildung. Abgerufen am 5. Dezember 2023.
  5. Astrid Ley, Annette Hinz-Wessels: Gedenken in der Stadt Brandenburg an der Havel seit 1945. In: Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus. Metropol, 2017, ISBN 978-3-86331-085-1, S. 15.
  6. Astrid Ley, Annette Hinz-Wessels: Gedenken in der Stadt Brandenburg an der Havel seit 1945. In: Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus. Metropol, 2017, ISBN 978-3-86331-085-1, S. 15.
  7. Gedenkstätte Opfer der Euthanasie-Morde. In: brandenburg-euthanasie-sbg.de. Abgerufen am 5. April 2024.
  8. Dennis Firkus: Jenseits einfacher Erklärungsansätze: Ein Einstieg zur Euthanasie. In: Über die Normalisierung organisierter Brutalitäten. Eine organisationssoziologische Analyse der Euthanasieanstalt Hadamar. Springer, 2021, ISBN 978-3-658-34032-2, S. 20.
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