Gau-Akt

Ein Gau-Akt wurde während der NS-Zeit im Deutschen Reich vom Gau-Personalamt der jeweiligen Gauleitung angelegt (und zwar von der „Hauptstelle für politische Beurteilung“), wenn es zu einer politischen Beurteilung kam. Veranlasst wurde eine solche oft durch die Beantragung einer Mitgliedschaft in einer Berufsvertretung wie z. B. Reichsschrifttumskammer, mitunter durch eine Denunziation. Als „Beurteiler“ wurde vor allem die jeweilige NSDAP-Ortsgruppe herangezogen, manchmal auch die Gestapo, seltener der Sicherheitsdienst der SS.

Erkenntniswert

Aus der bloßen Tatsache, ob ein Gau-Akt zu einer bestimmten Person vorliegt, lässt sich nichts über die Haltung des Betreffenden gegenüber der NSDAP sagen.[1] Zum Teil handelt es sich dabei um Gegner des Nationalsozialismus; umgekehrt wurden nicht für alle NSDAP-Mitglieder Gau-Akten erstellt.

Die Gau-Akten informieren in erster Linie über das betreffende Objekt, in zweiter Linie erfährt man dort einiges über Normen und Meinungen des beurteilenden NSDAP-Funktionärs, also über das jeweilige Subjekt. Der Quellenwert dieser Akten geht somit über das hinaus, was sie uns an – z. T. oft bereits aus anderen Quellen bekannten – Fakten zu der jeweils beurteilten Person mitteilen.

Gau-Akten in Wien

Die Akten der meisten Gaue des Großdeutschen Reiches wurden zu Kriegs-Ende vernichtet. Somit ist die ca. halbe Million Gau-Akten in Wien[2] eine besondere Quelle. Die in Wien angelegten Gau-Akten werden im Archiv der Republik, einer Archivabteilung des Österreichischen Staatsarchivs, aufbewahrt.[3]

Das Studium der Gau-Akten zeigt z. B., dass es seitens der NSDAP unerwünscht war, kirchlich engagierte Personen als Mitglieder aufzunehmen. Die Ablehnung wurde nicht etwa formal mit einer „Trennung von Kirche und Staat“ begründet, sondern damit, dass von einem „konfessionell gebundenen“ Menschen – als solcher wurde ein Pfarrer grundsätzlich eingeschätzt – nicht zu erwarten sei, dass er die nationalsozialistische Weltanschauung uneingeschränkt bejahe.[4] Das ist umso auffälliger, als – insbesondere in Österreich – die Mitgliedschaft ansonsten einigermaßen großzügig verliehen wurde.

Literatur

  • Rudolf Jerabek: „In einer Demokratie höchst bedenkliche Akten“: Die Gauakten, in: Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher, Sabine Fuchs (Hg.): Macht Literatur Krieg. Österreichische Literatur im Nationalsozialismus. Wien u. a. 1998, S. 449–462.

Fußnoten

  1. Sogar über den Bischof von Wien wurde ein Gau-Akt angelegt. Siehe Franz Graf-Stuhlhofer: Der Gau-Akt über Kardinal Theodor Innitzer. Einblicke in Konflikte und Stimmungslage während des 2. Weltkriegs. In: Österreich in Geschichte und Literatur 55 (2011) S. 148–156.
  2. Zum Aufbau der NSDAP in Wien vgl. Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme und Herrschaftssicherung 1938/39. Buchloe 3. Auflage 1988, insb. Kap.III/1.
  3. Vereinzelte Mitgliedschaftsunterlagen zu nationalsozialistischen Organisationen finden sich in ebenfalls personenbezogenen Gau-Akten des Wiener Stadt- und Landesarchivs.
  4. Franz Graf-Stuhlhofer: Wiener Evangelische Professoren der Theologie im Spiegel der Gau-Akten. Dokumentation zu Beth, Egli, Entz, Hajek, Hoffmann, Koch, Kühnert, Opitz, Schneider und Wilke. In: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 116 (2000/01) 191-225.
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