Gaffel (Köln)
Eine Gaffel in Köln war eine Vereinigung von Bürgern, die ihren Ursprung in einer oder mehreren Zünften hatte. Der Name Gaffel stammt von den beim feierlichen gemeinsamen Essen verwendeten zweizinkigen Gabeln, eben den „Gaffeln“. Die Gaffeln waren von 1396 bis zur Besetzung durch die Franzosen (1794) die herrschende politische Vereinigung in der Stadt Köln. Man kann die Gaffeln als eine Mischung aus Bruderschaft und Berufsgenossenschaft ansehen, da sie auch verpflichtet waren, für ihre Mitglieder und deren Familien in Notsituationen zu sorgen.
Entwicklung und Beschreibung
Viele mittelalterliche Kölner Institutionen hatten ihren Ursprung oder ihr Vorbild in spätrömischer Zeit. So gab es beispielsweise je zwei Bürgermeister. Auch die Zünfte und Gaffeln hatten römisch-kölnische Entsprechungen, wie der Kölner Grabstein des Zimmermanns Vetinius Verus beweist. Insofern sahen sich nicht nur die herrschenden Geschlechter, sondern auch die einfachen Bürger und zünftigen Handwerker in alter Tradition. Diese machten in Köln etwa 6–8 Prozent der Bevölkerung aus. Zu ihnen zählten beispielsweise nicht: Frauen, Kleriker, Gaukler, Bettler, Nichtkatholiken, Mägde und Knechte, Handwerksgesellen, Menschen mit „unehrenhaften“ Berufen wie Henker, Abdecker, Prostituierte, Bader und ihre Abkömmlinge.
Eine Gaffel musste nicht identisch mit einer bestimmten Zunft sein, sie stand auch Bürgern offen, die keinem einer Zunftordnung unterliegenden Gewerbe nachgingen, da jeder Bürger einer Gaffel beitreten musste. Zudem wurden einige Zünfte zu einer Gaffel zusammengefasst. Hierdurch war praktisch jeder Bürger erfasst, was den Vorteil hatte, dass die Gaffeln in Fällen der Bedrohung Kölns durch Angreifer jeweils ihre Mitglieder und damit alle Bürger zur Verteidigung zusammenrufen konnten, was einer Art Wehrpflicht (seit 1396) für alle 18- bis 70-jährigen Kölner (auch der Eingesessenen, die nicht Bürger waren) gleichkam.[1]
Den einzelnen Gaffeln stand ein für ein Jahr gewählter „Amtsmeister“ vor. Die Gaffeln wählten 36 der 49 Ratsherren der Stadt Köln. Die übrigen 13 Ratsherren, das Gebrech, wurden durch die bereits gewählten aus Kölner Bürgern beliebiger Gaffeln kooptiert. Die Amtszeit der Ratsherren betrug ein Jahr. Ihre Wiederwahl war erst nach zwei Jahren möglich. Der Rat wählte aus seiner Mitte die beiden Bürgermeister. Bei wichtigen Beschlüssen wie Krieg und Frieden musste der Rat noch einmal je 2 Vertreter der Gaffeln, die Vierundvierziger, hinzuziehen.[2]
Gaffeln und Weberaufstand
Ein Teil der Gaffeln war nicht mit der ruppigen Vorgehensweise der Weber gegen Entscheidungen des Rates der Stadt einverstanden. So kam es am 20. November 1371 zum blutigen Weberaufstand am Griechenmarkt, den die Gaffeln mit ihren Verbündeten gegen die Weber gewannen. Am 14. September 1396 unterzeichneten 22 Gaffeln den „Verbundbrief“, der eine Art ständedemokratische Verfassung für Köln schuf. Hierdurch übernahmen die Gaffeln die politische Verantwortung in Köln von den Geschlechtern, der in Köln so genannten Richerzeche, der Tafelgemeinschaft der Reichen. Im Jahre 1450 taten es die Aachener den Kölnern gleich und beschlossen den so genannten Aachener Gaffelbrief.
Die 22 Gaffeln (mit Anzahl der Sitze)
Tuchherstellung (Wollenhaupt), Tuchhandel und Handel allgemein waren die wirtschaftlich bedeutendsten Gewerbe in der Stadt. Die Handel treibenden Gaffeln hatten zusammen fünf Sitze im Rat, Wollenhaupt hatte allein vier.[3]
- Wollenhaupt (Wollenwebergaffel), zugehörige Zünfte: Wollenweber, Tuchscherer, Weißgerber 4
- Eysenmarkt, Gesellschaft von Kaufleuten, vielleicht ursprünglich Gilde der Eisenhändler 2
- Schwarzhaus (Schwartzhauß), zugehörige Zünfte: Blauleinenfärber, Waidhändler 2
- Goldschmidt (Goldschmiedegaffel), zugehörige Zünfte: Goldschläger, Goldspinnerinnen 2
- Windeck, Gesellschaft der Kaufleute auf dem Altermarkt, vielleicht ursprünglich Korporation der Englandfahrer 2
- Buntwörter (Buntwerkergaffel), zugehörige Zünfte: Kürschner 2
- Himmelreich, Korporation von Kaufleuten 2
- Bindelmacher, zugehörige Zünfte: Gürtler, Drechsler, Bürstenbinder, Nadelmacher, Kammmacher, Blechschlager 2
- Aren, zugehörige Zünfte: Riemenschneiderzunft 2
- Fischamt (Fischmengergaffel), zugehörige Zünfte: Fischmenger, Schiffer, Buchbinder 2
- Schmidt (Schmiedegaffel), zugehörige Zünfte: Schmiede, Schlosser, Messerschmiede, Stückgießer, Achsenmacher 2
- Schilderer und Glaswörter (Maler), zugehörige Zünfte: Maler, Glaser, Sattler 1
- Steinmetzer (Steinmetze und Zimmerleute), zugehörige Zünfte: Steinmetzer, Zimmerleute, Schreiner, Kannenbäcker, Bildhauer, Bildschneider, Leyendecker, Pflasterer 1
- Becker (Bäckergaffel), zugehörige Zünfte: Bäcker 1
- Fleischhauer (Fleischergaffel), zugehörige Zünfte: Fleischer 1
- Schröder (Schneidergaffel), zugehörige Zünfte: Schneider, Hutstoffierer 1
- Schuhmacher (Schumacher + Löhrer), zugehörige Zünfte: Schuhmacher, Altschuhmacher, Lederreider 1
- Sarwörter (Sarwörtergaffel Sar = Schar vergleiche Pflugschar, Wörter = Werker also Rüstungswerkleute) zugehörige Zünfte: Harnischmacher, Schwertfeger, Barbiere, Handschuhmacher, Taschenmacher, Hutmacher, Korbmacher 1
- Kannengießer (Kannengießergaffel), zugehörige Zünfte: Kannengießer, Hammacher, Seiler 1
- Fassbinder (Fassbindergaffel), zugehörige Zünfte: Fassbinder 1
- Ziechenweber (Leinenwebergaffel), zugehörige Zünfte: Zeichenweber, Sartuchmacher, Decklackenweber, Bombassin-, Caffee-, u. Baratamt 1
- Brewer, zugehörige Zünfte: Brauer 2
Außerhalb des Gaffelverbandes stehende Zünfte und Gewerbe: Seidamt, Seidbereiter, Seidweber, Seidmacherinnen, Posamentieren, Großgezäuer, Kleingezäuer, Garnmacherinnen, Gewandschneider, Branntweinbrenner, Kaffeebrenner, Fechtmeister und andere kleinere Zünfte.
Gründungsdaten der Gaffelhäuser
Die Gaffeln tagten in Gasthäusern oder Zunftstuben vielleicht auch in größeren Häusern der Mitglieder. Mit steigendem Reichtum der Vereinigungen wurden auch eigene Häuser gegründet.
- 1306, Eisenmarkt. „Brüssel auf Heumarkt“ (Vorstadt, der Nord-Ostrand des Heumarktes hieß Eisenmarkt) später an mehreren anderen Orten
- 1339, Neu-Windeck „auf Altermarkt“
- 1401, Goldschmiede.(Goldschläger, Hersteller von Blattgold und Silberwaren) „Zum goldenen Horn, Unter Goldschmied“
- 1402, Schilderer und Glaswörter. „Zum Turm (Rotstock) auf Hohestrasse“
- 1404, Leineweber. „Ulards Haus (zum walen Perde) an der Wollküche“ (Alter Markt)
- 1408, Schwarzhaus. „Ingelbrants Haus auf Hohestrasse“ (Swartzenhuysse Schwarz(en)haus, Kaufleutegaffel)
- 1416, Himmelreich. „zum Winke auf Himmelreich“ (südlicher Teil der Vorstadt)
- 1422, Fischamt. „Fischamthaus in Hafengasse“ (Vorstadt)
- 1423, Schröder (wijnschrodere, Weinschröter, Weinablader und -transporteure)
- 1425, Buntwörter. (Kürschner) „Kleingedank in der Höhle“ (1492 Oben Marspforten)
- 1426, Fleischer. „1/2 Haus zum Sternen“ (Heumarkt, Vorstadt)
- 1441–1539, das alte Haus der Fassbinder am Filzengraben wurde 1539 durch ein neues Zunft- oder Gaffelhaus in derselben Straße ersetzt.
- 1452, Schilderer, Wappensticker und Sattelmacher. „Zum Rosenbaum in Schildergasse“
- 1460, Tuchscherer- und Wollenamt. „Rennenberg auf Hochpforte“[4]
Literatur
- Hermann Keussen: Topographie der Stadt Köln im Mittelalter. in 2 Bänden. Köln 1910. Reprint: Droste-Verlag, Düsseldorf 1986, ISBN 3-7700-7560-9 und ISBN 3-7700-7561-7.
- Klaus Militzer: Gaffeln, Ämter, Zünfte. Handwerker und Handel vor 600 Jahren. In: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins. Band 67, 1996, S. 41–59.
- Einwohnerverzeichnis von Köln aus dem Jahre 1715, Nachdruck und Veröffentlichung der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde, Neue Folge Nr. 17, Köln 1981. (Auflistung der einzelnen Gaffeln)
- Lenerz-de Wilde, Majolie: Zunft und Ordnung – 700 Jahre Kölner Handwerksgeschichte. Zunftobjekte aus dem Kölnischen Stadtmuseum, herausgegeben von Mario Kramp, Köln 2016.
Einzelnachweise
- Arnold Stelzmann, Robert Frohn: Illustrierte Geschichte der Stadt Köln. 11. verbesserte Auflage. Bachem-Verlag, Köln 1990, S. 155.
- Arnold Stelzmann, S. 149 f.
- Arnold Stelzmann, Kapitel Gaffeln, S. 130 ff
- Hermann Keussen, Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, Bd. I. S. 143