Gaby Bußmann

Gabriele „Gaby“ Bußmann (* 8. Oktober 1959 in Haltern, heute Haltern am See) ist eine deutsche Leichtathletin, die in den 1970er und 1980er Jahren als 400-Meter- und 800-Meter-Läuferin erfolgreich war. Bußmann ist heute als Sportpsychologin im Spitzensport tätig.

Gaby Bußmann
Nation Deutschland Deutschland
Geburtstag 8. Oktober 1959 (64 Jahre)
Geburtsort Haltern, Deutschland
Größe 170 cm
Gewicht 57 kg
Karriere
Bestleistung 400 m: 49,75 s
800 m: 1:58,11 min
Verein ETuS Haltern (bis 1976)
OSC Thier Dortmund (1977)
ASV Köln (1978–1981)
LG Ahlen-Hamm (1982–1983)
SC Eintracht Hamm (seit 1984)
Trainer Heinz-Jochen Spilker
Medaillenspiegel
Olympische Spiele 0 × Goldmedaille 0 × Silbermedaille 1 × Bronzemedaille
Europameisterschaften 0 × Goldmedaille 1 × Silbermedaille 0 × Bronzemedaille
Halleneuropameisterschaften 0 × Goldmedaille 0 × Silbermedaille 1 × Bronzemedaille
U19-Europameisterschaften 2 × Goldmedaille 0 × Silbermedaille 0 × Bronzemedaille
Deutsche Meisterschaften 10 × Goldmedaille 3 × Silbermedaille 2 × Bronzemedaille
Olympische Ringe Olympische Spiele
Bronze Los Angeles 1984 4 × 400 m
Logo der EAA Europameisterschaften
Silber Stuttgart 1986 4 × 400 m
Logo der EAA Halleneuropameisterschaften
Bronze Mailand 1982 400 m
Logo der EAA U20-Europameisterschaften
Gold Donezk 1977 400 m
Gold Donezk 1977 4 × 400 m
Logo des DLV Deutsche Meisterschaften
Gold Hamburg 1977 4 × 100 m
Silber Hamburg 1977 200 m
Gold Köln 1978 400 m
Gold Hannover 1980 400 m
Gold München 1982 400 m
Bronze München 1982 200 m
Gold Bremen 1983 400 m
Bronze Bremen 1983 200 m
Silber Düsseldorf 1984 400 m
Gold Düsseldorf 1984 4 × 400 m
Gold Berlin 1986 800 m
Silber Berlin 1986 400 m
Gold Gelsenkirchen 1987 4 × 400 m
Gold Sindelfingen 1987 3 × 800 m
Gold Frankfurt 1988 4 × 400 m

Karriere als Sportlerin

Sportliche Laufbahn

Gaby Bußmann wurde 1976 für den ETuS Haltern startend in 53,31 s[1] erstmals deutsche Jugendmeisterin über 400 Meter, 1977 wechselte sie zum OSC Thier Dortmund und Trainer Heinz-Jochen Spilker.[2] Bei den Junioreneuropameisterschaften 1977 in Donezk siegte sie siebzehnjährig mit deutscher Juniorenrekordzeit im 400-Meter-Einzellauf (52,33 s) und mit der bundesdeutschen 4-mal-400-Meter-Staffel vor der DDR (3:32,8 min).[3] 1978 folgte Bußmann zusammen mit zwei weiteren Athletinnen ihrem Trainer Heinz-Jochen Spilker zum ASV Köln,[4] dort gewann sie im selben Jahr nach 200-Meter-Silber im Vorjahr über 400 Meter in 51,74 s ihren ersten deutschen Meistertitel. Im Jahr 1979 wurde Bußmann durch eine Virusinfektion, eine Herzmuskelentzündung und einen Muskelfaserriss gestoppt, 1980 verpasste sie die Olympischen Spiele auf Grund des Boykotts westlicher Staaten.[2]

Im August 1981 verbesserte Bußmann beim Europacup in Zagreb den sieben Jahre alten bundesdeutschen 400-Meter-Rekord von Rita Wilden auf 50,83 s.[5] Ab 1982 startete sie für die LG Ahlen-Hamm (seit 1984 nach Auflösung der Leichtathletikgemeinschaft für den Stammverein SC Eintracht Hamm[6]) und wurde dort weiterhin von dem mit ihr gewechselten Spilker betreut.[7] Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften 1982 unterbot Bußmann als Siegerin den zuvor von ebenfalls Rita Wilden gehaltenen DLV-Hallenrekord (52,09 s),[8] den sie als Bronzemedaillengewinnerin bei den Halleneuropameisterschaften drei Wochen später auf 51,57 s verbesserte.[9] Im Sommer wurde sie bei den Europameisterschaften in Athen Siebte, im Semifinale verbesserte sie dabei ihren westdeutschen Rekord auf 50,64 s.[10] Diese Marke steigerte Bußmann 1983 erneut, bei einem Sportfest in München lief sie die 400 Meter in 49,99 s erstmals unter 50 Sekunden[11] und bei den Weltmeisterschaften in Helsinki zwei Wochen darauf überquerte sie als Vierte des Finallaufs nach 49,75 s den Zielstrich.[12]

Eine Woche nach den Weltmeisterschaften 1983 trat Bußmann erstmals über 800 Meter an,[13] ging aber auch bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles noch über 400 Meter an den Start. Dort gewann sie ihren Vorlauf, bestritt aber das Halbfinale auf Grund von Wadenkrämpfen nicht.[14] Mit der 4-mal-400-Meter-Staffel gewann sie als Schlussläuferin jedoch hinter den Vereinigten Staaten und Kanada Bronze. Dafür wurden sie und die deutsche Staffel – wie alle Medaillengewinner bei Olympischen Spielen – vom Bundespräsidenten mit dem Silbernen Lorbeerblatt belohnt.

1986 konzentrierte sich Bußmann auf die 800-Meter-Distanz, über die sie beim ISTAF Berlin in 1:58,11 min ihre Bestzeit aufstellte.[15] Bei den Europameisterschaften wurde sie über 800 Meter Vierte und erlief als Schlussläuferin der 4-mal-400-Meter-Staffel nach der Disqualifikation der zunächst zweitplatzierten Sowjetunion mit westdeutschen Rekord (3:22,80 min) Silber hinter der DDR.[16] Die Weltmeisterschaften 1987 verpasste sie auf Grund einer hartnäckigen Virusinfektion,[17] für die Absage der Halleneuropameisterschaften 1988 war ebenfalls eine Virusinfektion verantwortlich.[18]

Doping

Bußmann war Teil des sogenannten Hammer Modells unter ihrem Trainer und damaligen Freund Heinz-Jochen Spilker, das sponsorenfinanziert eine besonders gute Vereinbarung von beruflicher Ausbildung und Leistungssport bieten sollte.[19] Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel schilderte in einem im Dezember 1990 erschienenen Artikel langjähriges Anabolikadoping in Hamm („Meinst du denn, Gaby läuft mit Wasser?“).[20] Spilker wurde 1994 zusammen mit seinem geständigen Assistenztrainer Hans-Jörg Kinzel wegen Inverkehrbringens des anabolen Steroids Anavar „entgegen § 21 des Arzneimittelgesetzes ohne Zulassung“ zu einer Geldstrafe verurteilt (→ Heinz-Jochen Spilker#Dopingvorwürfe und Verurteilung).[21]

Als Stellvertreterin der Athletensprecherin Ingrid Thyssen forderte sie 1987 zusammen mit dieser in einem offenen Brief die Aufklärung des Todes von Birgit Dressel.[22][23] 1988 zeigte sie sich erleichtert, dass in Auftrag gegebene Gutachten keine Schuld des Sportmediziners Armin Klümper feststellen konnten.[24]

Erfolge im Einzelnen

Bestleistungen

  • 400 Meter: 49,75 s, 10. August 1983, Helsinki
  • 800 Meter: 1:58,11 min, 15. August 1986, Berlin

Karriere als Sportpsychologin

Bußmann studierte Psychologie und schrieb bereits zu Aktivenzeiten 1987 zusammen mit einer Mitstudentin an der Universität München eine Diplomarbeit mit dem Titel Die Lebenssituation und Lebenseinstellung von 16- bis 18-jährigen Leistungssportlerinnen der Sportart Leichtathletik in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu ihren Altersgenossinnen. Die Thematik hatte Bußmann laut damaliger Aussage gewählt, weil ihren eigenen Beobachtungen nach viele jungen Leichtathletinnen vor dem Schritt aus den Jugendklassen in die Frauenklasse mit dem Leistungssport aufhören würden.[25] Später promovierte sie mit ihrer in deutscher Sprache abgefassten Doktorarbeit Drop-out factors in youth athletics programs in diesem Themengebiet.[26]

Heute ist Bußmann freiberufliche Diplom-Psychologin und psychologische Psychotherapeutin.[27] Sie ist Sportpsychologin am Olympiastützpunkt Westfalen und für den Deutschen Schwimm-Verband, die Deutsche Reiterliche Vereinigung, das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei und den Deutschen Ruderverband tätig.[28][29] Bei den Olympischen Spielen 2016 betreute sie die teilnehmenden deutschen Schwimmer und Reiter.[30] Sie betreute die Eiskunstläuferin Tanja Szewczenko im Jahr 2000 kurz vor deren Karriereende sportpsychologisch,[31] außerdem arbeitet sie mit der Hürdenläuferin Pamela Dutkiewicz zusammen.[32]

Einzelnachweise

  1. vgl. Westfalenrekorde und -bestleistungen Stand 31.12.2018. (PDF 112 kB) In: FLVW. Abgerufen am 19. März 2019.
  2. Volker Hischen: Sportliche Knaller und leise Töne – Gaby Bußmann (Ahlen/Hamm): Erfolge am laufenden Band. In: Westfälische Nachrichten. 16. September 1983.
  3. Das Hoch der deutschen Leichtathleten dauert an. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. Februar 1977, ISSN 0174-4909, S. 13.
  4. Verstärkungen für den ASV. In: Westfälische Nachrichten. 20. Dezember 1977.
  5. Steffen Haffner: Die DLV-Männer nur Vierte, die Frauen Dritte in Zagreb: Aus Illusionen wird ein Sack voller Enttäuschungen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. August 1981, ISSN 0174-4909, S. 16.
  6. Hall of Fame - Deutsche Meister im Trikot des SC Eintracht Hamm. In: sce-hamm.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Januar 2020; abgerufen am 20. März 2019.
  7. Stefan Henry: Die Athleten verkaufen sich nicht mehr heimlich, sondern öffentlich. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 20. Oktober 1981, ISSN 0174-4909, S. 23.
  8. Stefan Henry: Bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften gibt es einen Weltrekord. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 15. Februar 1982, ISSN 0174-4909, S. 20.
  9. Stefan Henry: Fünf Titel für Leichtathleten der Bundesrepublik: Ulrike Meyfarth und Mögenburg triumphieren mit Rekord. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. März 1982, ISSN 0174-4909, S. 20.
  10. Läufer aus der DDR dominieren: Der Spanier Marin geht am schnellsten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. September 1982, ISSN 0174-4909, S. 22.
  11. Welt- und Europarekord: Kratochvilova und Skamrahl – Deutsche Rekorde: Bussmann und die Männerstaffel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. Juli 1983, ISSN 0174-4909, S. 18.
  12. Kratochvilova und die amerikanische Sprintstaffel mit Weltrekord. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 11. August 1983, ISSN 0174-4909, S. 16.
  13. Sportfest in Berlin vor 55 000 Zuschauern: Deutscher Rekord von Wessinghage über die Meile – Calvin Smith treibt Carl Lewis an den Rand einer Niederlage. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. August 1983, ISSN 0174-4909, S. 17.
  14. Steffen Haffner: Professor Krahl zu den Ausfällen deutscher Leichtathleten: Die meisten Athleten missachten Alarmzeichen – Dauerstreß verhindert gründliche Erholung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. August 1984, ISSN 0174-4909, S. 18.
  15. Steffen Haffner: Wehmut und Freude der 800-Meter-Läufer – Gaby Bußmann Ist auf dem richtigen Weg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. August 1986, ISSN 0174-4909, S. 16.
  16. Steffen Haffner: Kämpferische 400-Meter-Staffeln stürmen auf Platz zwei. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. September 1986, ISSN 0174-4909, S. 22.
  17. Gaby Bußmann sagt für Rom ab / Weite Speerwürfe von Felke und Whitbread. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. August 1987, ISSN 0174-4909, S. 16.
  18. Sport in Kürze. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. März 1988, ISSN 0174-4909, S. 27.
  19. Brigitte Berendonk: Doping Dokumente: Von der Forschung zum Betrug. Springer-Verlag, 1991, ISBN 3-540-53742-2, S. 260 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. „Extrem viel reingepumpt“. In: Der Spiegel. 3. Dezember 1990, ISSN 0038-7452, S. 219228 (Online).
  21. Daniel Drepper: Doping-Missbrauch in Hamm von höchster Stelle gedeckt. In: waz.de. 2. Dezember 2011, abgerufen am 20. März 2019.
  22. Leichtathletinnen fordern Aufklärung im Fall Dressel. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 29. April 1987, ISSN 0174-4909, S. 26.
  23. Rutschbahn in den legalen Drogensumpf. In: Der Spiegel. 7. September 1987, ISSN 0038-7452, S. 249250 (Online).
  24. Ein Jahr nach Birgit Dressels Tod: Viele Gutachten, keine Konsequenzen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. April 1988, ISSN 0174-4909, S. 24.
  25. Heinz-Wilhelm Bertram: Psychologische Arbeit der Leichtathletin Gaby Bussmann: Die Schwellenangst der Mädchen vor der Frauenklasse. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 21. März 1987, ISSN 0174-4909, S. 23.
  26. Hans-Joachim Leyenberg: Wenn die Ansprüche ans Leben wachsen, muss der Sport zurückstehen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. Juli 2003, ISSN 0174-4909, S. 30 (Online).
  27. Was Läufer von Pinguinen lernen können. In: runnersworld.de. 30. Juni 2010, S. 1–2, abgerufen am 20. März 2019.
  28. Profil Dr. phil. Dr. Gaby Bussmann. In: bisp-sportpsychologie.de. Abgerufen am 20. März 2019.
  29. Sportpsychologinnen und Sportpsychologen der olympischen Sommer- und Wintersportverbände im Jahr 2019. (PDF 28 kB) In: cdn.dosb.de. Abgerufen am 20. März 2019.
  30. Psychologin Bußmann über Olympia: „Da kommt: Ich bin eine Kampfsau“. In: ntv.de. 19. August 2016, abgerufen am 20. März 2019.
  31. Eiskunstlauf: Tanja Szewczenko macht Wettkampfpause. In: rp-online.de. 27. Oktober 2000, abgerufen am 20. März 2019.
  32. Thomas Lelgemann: Pamela Dutkiewicz: Mit Psycho-Tricks in die Weltspitze. In: waz.de. 1. März 2017, abgerufen am 20. März 2019.
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