Ground Based Augmentation System
Ein Ground Based Augmentation System (GBAS, dt. Bodengestütztes Ergänzungssystem) ist ein auf DGPS beruhendes Verfahren zur Sicherstellung der benötigten Performance (Genauigkeit, Integrität, Kontinuität, Verfügbarkeit) bei der Bestimmung von Ortskoordinaten für Präzisionsanflüge. Dies ist notwendig, da die Genauigkeit des normalen GPS mit einer spezifizierten Genauigkeit von 9 bis 17 Meter für Präzisionslandeanflüge auf Flugplätzen nicht ausreicht und Fehler im System nur unzureichend oder mit Verzögerung von mehreren Stunden von GPS selbst erkannt werden. GBAS entspricht den Standards der ICAO und war als Ersatz für die aktuellen Instrumentenlandesysteme (ILS und MLS) vorgesehen.
Technische Umsetzung
GBAS besteht neben den GPS-Satelliten aus einer GBAS-Bodenstation und GBAS-Empfängern an Bord der anfliegenden Luftfahrzeuge. Eine GBAS-Bodenstation besitzt zwei bis vier GPS-Referenzantennen, die an exakt vermessenen Positionen auf einem Flugplatz stehen. Von den hieran angeschlossenen GPS-Referenzempfängern wird das GPS-Signal empfangen und die Abweichungen der empfangenen Position gegenüber der vermessenen Position für jeden einzelnen GPS-Satelliten ermittelt. Diese Abweichungen werden zweimal pro Sekunde über einen digitalen Datenlink (VHF Data Broadcast, VDB genannt) an die Flugzeuge gesendet. Dieser Datenlink arbeitet im Zeitmultiplexverfahren im geschützten Flugfrequenzbereich zwischen 108 und 118 MHz. Dieser erlaubt einen Betrieb von mehreren GBAS-Bodenstationen auf einer einzigen Frequenz. Gleichzeitig mit den Korrekturdaten werden mindestens alle 10 Sekunden die Daten der GBAS-Bodenstation (Position, Ausstattung, Performance) und die für den Flugplatz zulässigen Anflugwege (3D-Wegstrecken) in getrennten Nachrichten an die Flugzeuge übermittelt. An Bord des Flugzeuges wird (durch einen GPS-Empfänger und die von der GBAS-Bodenstation empfangenen Korrekturwerte) die bis auf unter einen Meter genaue Position des Flugzeuges ermittelt und mit einem vom Piloten selektierten Anflugweg der GBAS-Bodenstation verglichen. Aktuelle Navigationsempfänger (Multi Mode Receiver, MMR) zeigen die Richtungs- und Gleitweginformationen von GLS (GPS-Landesystem) identisch zu den Anzeigen der alten Instrumentenlandesysteme (ILS) an. Somit ist ein Umschulen der Besatzung praktisch nicht notwendig. In zukünftigen Systemen wäre mit Computerhilfe jedoch auch eine Anzeige nach Art von 3D-Spielen, also mit künstlicher Landschaft, möglich.
Da die 3D-Wegpunkte beliebig im Raum angeordnet werden können, sind mit GLS-Anflüge auf Flugplätze möglich, bei denen ein Einsatz von normalen Instrumentenlandesystemen durch geographische Gegebenheiten (z. B. durch abfallendes Gelände und somit keine Möglichkeit den Localizer richtlinienkonform zu positionieren) nicht möglich ist. Es sind anstelle von geraden Anflugwegen mit 3° Anflugwinkel auch beliebig im Luftraum angeordnete schräge oder gekurvte Anflugwege möglich. Diese werden nur durch Sicherheits- und Komfortanforderungen begrenzt, wodurch es möglich wäre, außer geographischen Besonderheiten auch noch Kapazitäts- und Lärmschutzanforderungen besser umzusetzen.
Die Reichweite einer GBAS-Bodenstation liegt bei mindestens 37 km. Eine einzige GBAS-Bodenstationen kann bis zu 49 Anflugwege senden. Damit ist es möglich, dass die GBAS-Bodenstation mehr als eine Start- und Landebahn versorgt. Allerdings dürfen die Schwellen von derzeit zugelassenen GBAS-Bodenstationen nur maximal 5 km von der Station entfernt sein, sodass Nachbarflugplätze nicht mit versorgt werden können. Dennoch können auf einem Flugplatz die für jedes Landebahnende separat notwendigen ILS-Sendeanlagen durch eine einzelne GBAS-Bodenstation ersetzt werden, was sich vor allem auf Flugplätzen mit mehreren Start- und Landebahnen auszahlt.
Problematisch ist (wie bei allen Instrumentenlandesystemen) ein Ausfall oder eine Störung des Systems. Dies kann durch Ausfall des GPS (amerikanisches Eigentum, Störung der Satelliten durch Sonnenstürme etc.) oder Interferenz mit anderen Funksignalen (einschließlich aktiver Störung) passieren. Offen ist, ob die Zulassungsbehörden in Zukunft ein Reservesystem (z. B. ILS) vorschreiben werden, was Kostennachteile und Probleme mit der Frequenzvergabe für die Systeme mit sich brächte.
Geschichte
Die Entwicklung des (in den USA auch LAAS genannten) Systems läuft seit Mitte der 90er Jahre. Die erste Prototyp Bodenstation in Deutschland war ein Special CAT I System D910 am Flughafen München 1995, gefolgt von einem FAA zugelassenen Special CAT I System D920 in Frankfurt, das von der DFS Deutsche Flugsicherung zusammen mit der Deutschen Lufthansa zur technischen Erprobung genutzt wurde. Die ersten Bodensysteme in den USA wurden 1997 im Auftrag der FAA durch Honeywell an amerikanischen Flughäfen installiert.
In Frankfurt und Braunschweig sind GBAS-Bodenstation zu Testzwecken installiert. Auch der Flughafen von Toulouse in Frankreich besitzt eine GBAS-Bodenstation zur Zulassung von Airbus Flugzeugen.
Als erstes Verkehrsflugzeug ist seit Mai 2005 die Boeing 737NG für den Flugbetrieb mit GBAS zugelassen. Ende November 2006 landete in Sydney die erste Linienmaschine der Qantas Airways mit dem System. Aktuell werden die meisten neuen Flugzeugmodelle der Firmen Boeing (B737NG, B747-8, B777, B787) und Airbus (A320, A340, A380) serienmäßig oder zumindest optional mit GBAS ausgerüstet. Die Hersteller bieten Nachrüstsätze (ILS → ILS + GLS) für bestimmte Flugzeuge an.
Im November 2009 erteilte das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) der Air Berlin die Genehmigung, die GLS-Technik zu nutzen, nachdem diese Technik bereits seit 2008 von Air Berlin erfolgreich in Bremen getestet wurde. Die Genehmigung wurde für Landeanflüge der Allwetterflugkategorie I erteilt.[1] Seit dem 9. Februar 2012 ist die weltweit erste GBAS CAT I Anlage für den uneingeschränkten Betrieb in Bremen freigegeben.[2]
Ab 2014 sollte GBAS am Flughafen Frankfurt Main das bisherige ILS sukzessive ersetzen. Dazu haben der Betreiber Fraport und die DFS im Mai 2013 einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Ziel der Einführung von GBAS war die Reduzierung des Fluglärms durch eine Optimierung der gestaffelten und gekurvten Endanflugverfahren mit steilerem Anflugwinkel.[3] Am 3. September 2014 landete mit LH499 aus Mexiko-Stadt die erste Linienmaschine mit dieser Technik in Frankfurt Rhein-Main.[4][5] Von Ende Mai bis Ende August 2016 wurden am Flughafen Frankfurt segmentierte, also gekurvte, Anflugverfahren erprobt. Mittlerweile (2022) ist es um die GBAS-Technologie recht ruhig geworden, zum einen wegen der immer weiteren Verfügbarkeit von ILS-Anflügen, zum anderen durch die Einführung von RNP-Anflügen.[6]
Literatur
- International Standards and Recommended Practices – AERONAUTICAL TELECOMMUNICATIONS, Annex 10 to the Convention on International Civil Aviation, Volume I (Radio Navigation Aids). ICAO, Juli 2006.
- Fliegerrevue 07/2007, ISSN 0941-889X
- GBAS und die Terminal Area Paths... revolutionär (und) gescheitert?, Daniel Schaad, VC-Info 3/2022, Vereinigung Cockpit, Frankfurt 2022
Einzelnachweise
- Air Berlin erhält Genehmigung für GLS Anflüge. Aero.de, abgerufen am 27. Mai 2011.
- Bremen weltweit Nummer eins in der Flugtechnologie. Ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 18. Mai 2012. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Frankfurt: Neue Technik soll ab 2014 auch im Endanflug für weniger Lärm sorgen. In: Wiesbadener Kurier. 17. Mai 2013, archiviert vom am 15. Mai 2013 .
- Flughafen Frankfurt - Weniger Lärm dank neuem Anflugsystem? Archiviert vom am 13. September 2014; abgerufen am 22. September 2014. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- FAZ.net 4. September 2014: Premiere mit dem „Siegerflieger“
- GBAS und die Terminal Area Paths... revolutionär (und) gescheitert?, Daniel Schaad, VC-Info 3/2022, Vereinigung Cockpit, Frankfurt 2022, S. 19–20.