Fritz-Hüser-Institut

Das Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt in Dortmund entstand 1973 aus einer 1923 begründeten Privatsammlung des Stahlarbeiters und späteren Bibliothekars Fritz Hüser. Es ist das einzige Institut im deutschsprachigen Raum mit diesem Sammlungsschwerpunkt.

Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
Träger: Stadt Dortmund
Bestehen: seit 1973
Rechtsform des Trägers: wissenschaftliche Einrichtung der Stadt Dortmund
Standort der Einrichtung: Grubenweg 5 44388 Dortmund
Leitung: Iuditha Balint
Mitarbeiter: ca. 9
Homepage: Fritz-Hüser-Institut

Geschichte, Namen und Aufgaben

Fritz Hüser war seit 1945 der Direktor der Städtischen Volksbücherei Dortmund (seit 1970 Stadtbücherei Dortmund). Als er 1973 pensioniert wurde, stiftete er seine Privatsammlung von insgesamt zehntausend Büchern, Broschüren und Zeitungsartikeln zur Arbeiterliteratur der Stadt Dortmund. Sie verpflichtete sich im Gegenzug, zu deren Erschließung ein wissenschaftliches Institut einzurichten, das Institut für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur. Fritz Hüser leitete es ehrenamtlich bis zu seinem Tod.[1] Seither wurde die Sammlung erheblich erweitert. Kernbestandteile sind heute eine ca. 50.000 Bände umfassende Spezialbibliothek, ein Archiv mit 120 Nachlässen von Schriftstellern, Publizisten und literarischen Vereinigungen sowie diverse Sammlungen (unter anderem Fotos, audio-visuelle Medien, Plakate, Kunstwerke, Zeitungsausschnitte).[2] 1983, anlässlich des 75. Geburtstages von Fritz Hüser, wurde es in Fritz-Hüser-Institut für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur umbenannt.[3] Durch eine weitere Umbenennung erhielt es seinen heutigen Namen Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt. Nach seinem Namensgeber leiteten Rainer Noltenius (ab 1979), Hanneliese Palm (ab 2005) und Iuditha Balint (seit 2018) das Institut.[4]

Die industrielle Arbeitswelt, wie sie die von Fritz Hüser gesammelten Werke beschreiben und analysieren, ist im Strukturwandel der letzten Jahrzehnte zu großen Teilen verschwunden. Die Themen Arbeit und Arbeitslosigkeit spielen jedoch weiterhin eine große Rolle in der öffentlichen Diskussion. Die Frage der Darstellung von Arbeit in Literatur und Kunst bleibt daher weiterhin aktuell. Die Bestände des Instituts bieten eine exzellente Basis dafür, Probleme des Arbeitslebens mit neuen Fragestellungen bis in die Gegenwart zu verfolgen.[5]

Unter Rückgriff auf die archivalischen und bibliothekarischen Bestände des Fritz-Hüser-Instituts entstanden zahlreiche Dissertationen und Habilitationsschriften, auch Seminar- und Abschlussarbeiten unter anderem von Rüdiger Safranski, Bernd Witte, Ulla Hahn, Stephan Reinhardt, Georg Bollenbeck, Friedemann Spicker, Wolfgang Emmerich, Gerald Stieg.[6] Das Institut steht der interessierten Öffentlichkeit für Recherchen und Anfragen zur Verfügung. Es begleitet die Facharbeiten von Schülern sowie die studentischen und wissenschaftlichen Arbeiten der Universitäten.

Sammlung

Die Sammlungsgebiete umfassen alle Bereiche der Literatur- und Kulturgeschichte. Im Archiv werden Nachlässe von Schriftstellern, literarischen Persönlichkeiten und literarischen Vereinigungen der Arbeitswelt des 19., 20. und 21. Jahrhunderts aufbewahrt, darunter:

Von dem ehemaligen Deutschen Arbeitersängerbund, heute »Deutscher Allgemeiner Sängerbund«, wurde ein Altarchiv mit Kompositionen und Liederhandschriften übernommen. Hinzu kommen kleinere Handschriften-Bestände von 170 Autoren, unter anderem von Martin Andersen Nexø, Bertolt Brecht, Oskar Maria Graf, Hermann Hesse, Sinclair Lewis, Erich Mühsam, Ernst Toller, B. Traven, Josef Winckler, Friedrich Wolf, Stefan Zweig sowie Gerhard Baron, Josef Luitpold Stern und Alfons Petzold. Das Bildarchiv umfasst Grafiken, Fotografien und Plakate zu allen Gebieten der Literatur der Arbeitswelt. Im Jahre 2009 wurde die Bibliothek von Willi Bredel von der Willi-Bredel-Gesellschaft dem Fritz-Hüser-Institut als Dauerleihgabe übergeben.[8]

Forschung

Erforscht wird vornehmlich die Geschichte der Literatur der Arbeitswelt. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit werden in der Schriftenreihe Schriften des Fritz-Hüser-Instituts veröffentlicht. Im Jahre 2012 fand letztmals eine Tagung statt.[9]

Fritz Hüser-Gesellschaft

Gewerkschafter, Wissenschaftler und Kulturschaffende gründeten 1988 die Fritz Hüser-Gesellschaft e. V. als Fördergesellschaft des Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt. Die als gemeinnütziger Verein organisierte Gesellschaft versteht sich als Schnittstelle zwischen den Schriftstellern und Künstlern, den Gewerkschaften, den Angehörigen der Arbeiterkulturbewegungen und dem Fritz-Hüser-Institut.

Die Fritz Hüser-Gesellschaft bzw. das Fritz-Hüser-Institut sind Mitglieder der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege, der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten[10] und der Netzwerke Wissenschaft in Dortmund, L’Observatoire Européen des Récits du Travail (OBERT) und der Literary Labour Studies.[11]

Die Gesellschaft hat rund 100 Mitglieder und unterstützt die Arbeit des Instituts durch Veröffentlichungen und Veranstaltungen.

Literatur

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Rainer Noltenius, Ursula Steinmetz-Boeninger: Art. Bibliothek des Fritz-Hüser-Instituts für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur. In: Bernhard Fabian (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen. A – I. Bearbeitet von Reinhard Feldmann. Olms-Weidmann, Hildesheim 1992, ISBN 3-487-09577-7 (online, abgerufen am 6. Oktober 2023).
  • Rainer Noltenius: Europas einziges Literaturarchiv der industriellen Welt. In: Die Vitrine. Fachblatt für linke Bibliomanie. Heft 1. Berlin 2002, S. 27–39.
  • Hanneliese Palm, Gregor Vogt (Bearb.): Literatur und Kultur der Arbeitswelt. Inventar zu Archiv und Bibliothek des Fritz-Hüser-Instituts. Saur, München 2005, ISBN 3-598-11199-1.
  • Hanneliese Palm: Fritz-Hüser-Institut für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur. In: Heimat Dortmund. Stadtgeschichte in Bildern und Berichten. Zeitschrift des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark, Jg. 22 (2007), Heft 1, S. 42–44.
  • Janneke Eggert: Das Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, Dortmund. In: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien, Jg. 19 (2020), Heft 2, S. 135–138.
  • Historischer Verein für Dortmund: Schreiben über Arbeit – Heimat Dortmund – 50 Jahre Hüser-Institut, Dortmund 2023, Heft 1/2023, ISSN 0932-9757

Einzelnachweise

  1. Fritz Hüser, abgerufen am 6. Oktober 2023.
  2. Michael Wiegand: Das Archiv des Fritz-Hüser-Instituts – Wie aus Engagement ein Archiv entstand. In: Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark (Hrsg.): Heimat Dortmund. Jg. 2023, Heft 1: Themenheft Schreiben über Arbeit anlässlich von 50 Jahre Hüser-Institut. Aschendorff Verlag, Münster 2023, S. 32–36.
  3. Rainer Noltenius, Ursula Steinmetz-Boeninger: Art. Bibliothek des Fritz-Hüser-Instituts für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur. In: Bernhard Fabian (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Bd. 3: Nordrhein-Westfalen. A – I. Bearbeitet von Reinhard Feldmann. Olms-Weidmann, Hildesheim 1992.
  4. Bernd Berke: Schreiben über Arbeitswelten. Umfangreiche Sammlung: Fritz-Hüser-Institut in Dortmund forscht seit 50 Jahren. In: Westfalenspiegel, Jg. 72 (2023), Heft 6, S. 52–53, hier S. 52.
  5. Flyer der Fritz Hüser-Gesellschaft e.V., ohne Datum
  6. Rainer Noltenius, Hanneliese Palm, Juditha Balint: Das Fritz-Hüser-Institut – Von der Privatsammlung zur wissenschaftlichen Einrichtung. In: Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark (Hrsg.): Heimat Dortmund. Jg. 2023, Heft 1: Themenheft Schreiben über Arbeit anlässlich von 50 Jahre Hüser-Institut. Aschendorff Verlag, Münster 2023, S. 9.
  7. Der Nachlass von Fasia Jansen liegt jetzt im Archiv des Fritz-Hüser-Instituts in Dortmund, 26. Mai 2022, abgerufen am 6. Oktober 2023.
  8. Willi-Bredel-Bibliothek auf dortmund.de
  9. Tagungen, abgerufen am 29. Juli 2019.
  10. Fritz-Hüser-Gesellschaft, abgerufen am 6. Oktober 2023.
  11. Forschung und Vermittlung, abgerufen am 6. Oktober 2023.
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