Friedrich Piel

Friedrich Piel (* 3. Januar 1931 in Dortmund; † 24. August 2016[1]) war ein deutscher Kunsthistoriker und Universitätsprofessor.

Leben

Piel wurde als Sohn von Heinrich Piel und Christine, geb. Röscheisen geboren. Piel legte sein Abitur 1952 am Staatlichen Gymnasium Dortmund ab. Von 1952 bis 1953 studierte er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Kunstgeschichte, Philosophie und Psychologie, ab 1953 Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichtliche Hilfswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier wurde er 1958 von Hans Sedlmayr mit der Dissertation über Die Ornament-Grotteske in der italienischen Renaissance. Zu ihrer kategorialen Struktur und Entstehung promoviert.

Von 1958 bis 1960 war Piel wissenschaftlicher Volontär bei den Staatlichen Museen in München (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Bayerisches Nationalmuseum, Staatliche Graphische Sammlung), 1960 bis Ende 1961 bearbeitete er den Band Baden-Württemberg des Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (im Druck 1964). In den Jahren 1962 bis 1968 war er Wissenschaftlicher Assistent mit einem Lehrauftrag für Historische Technologie der Künste an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er sich 1969 für das Fach Mittlere und Neuere Kunstgeschichte mit einer Schrift über Die Bildvalenz der Nischenfigur in der Alten Welt und im Mittelalter habilitierte. Bis 1989 lehrte Piel als Universitätsprofessor an der LMU, 1990 folgte er dem Ruf als Ordinarius für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an die Universität Salzburg. Seit seiner Emeritierung 1999 lebte er in Niederbayern. Neben seiner Professur an der LMU nahm er 1968 bis 1983 einen Lehrauftrag für Kunstgeschichte, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Methoden an der Akademie der Bildenden Künste München wahr.

Piel war Neffe und Erbe des Malers Willi Röscheisen (1906–1972), dessen Nachlass er seit 1978 verwaltete. Aus seiner ersten Ehe hatte Piel zwei Töchter. In zweiter Ehe war er seit 1984 mit der Kunsthistorikerin Renate Piel verheiratet.

Forschungsschwerpunkte

Piels Interessen galten insbesondere der Geschichte und Theorie seines Fachs, der Bild- und Gestaltungsproblematik und der Semiotik; einer Theorie der kunsthistorischen Technologie, der Ornamentgeschichte, der Kunst der italienischen Renaissance, des Manierismus und des Barock, und der zeitgenössischen Bildnerei.

Piel wurde bekannt durch Schriften zur Kunst Albrecht Dürers und zur Tavola Doria. In mehreren Publikationen der Jahre 1989, 1994 und 1995 legte er dar, dass dieses Gemälde ein eigenhändiges Werk Leonardo da Vincis ist, das 1503–1505 als Modello zur Schlacht von Anghiari entstand. 1990 authentifizierte er ein im Dreißigjährigen Krieg nach Schweden gelangtes Gemälde als Werk Albrecht Altdorfers (seit 1991 im Tokyo Fuji Art Museum). Eingehend befasste er sich mit der Kunst der Maler Frans Hals, Anthonis van Dyck und Philipp Otto Runge, und mit Künstlern des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart (vgl. Literatur). Bemerkenswert ist Piels Engagement für die Neubearbeitung des Dehio-Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler: 1960–1962 Baden-Württemberg (publ. München 1964), ab 1968 Mittelfranken und Oberfranken (publ. München 1974).

Auf Empfehlung des japanischen Philosophen Masao Yamamoto wurde Piel 1981 von der Japan Foundation zu Vorlesungen an Universitäten und Akademien in Tokio, Kyoto, Kanazawa und Hiroshima eingeladen. 1986 organisierte er in München Ausstellungen der Sammlungen des amerikanischen Architekten Ian Woodner NY: Im Haus der Kunst [„Meisterzeichnungen aus sechs Jahrhunderten“], im Museum Villa Stuck Odilon Redon; [„Kathedralskulptur“ und „Ian Woodner als Maler“].

Piel unternahm Studienreisen in die meisten europäischen Länder, nach Israel, Japan und Korea, in die Vereinigten Staaten und, ab 1989, in die Sowjetunion respektive Russische Föderation.

Zu seinem achtzigsten Geburtstag widmeten ihm Schüler und Kollegen eine von Adrian von Buttlar herausgegebene Schrift, die unter dem Titel Bunter Strauß der Erinnerungen als Privatdruck in kleiner Auflage erschien.

Literatur

  • Hieronymus Bosch. Einleitung und Erläuterungen zu zehn Farbtafeln. Darmstadt 1959.
  • Matthias Grünewald. Der Isenheimer Altar. Einleitung und Erläuterungen zu zehn Farbtafeln. Darmstadt (Deutsche Buchgemeinschaft) 1960.
  • Zum Problem des Manierismus in der Kunstgeschichte. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch der Görres – Gesellschaft. Neue Folge II (1961) 207 – 218.
  • Peter Paul Rubens. Einleitung und Erläuterungen zu zehn Farbtafeln. Darmstadt (Deutsche Buchgemeinschaft) 1961.
  • Die Ornament-Grotteske in der italienischen Renaissance. Zu ihrer kategorialen Struktur und Entstehung. Münchner Dissertation 1958. Neue Münchner Beiträge zur Kunstgeschichte III, herausgegeben von Hans Sedlmayr. Berlin (de Gruyter) 1962.
  • Der historische Stilbegriff und die Geschichtlichkeit der Kunst. In: Probleme der Kunstwissenschaft I(1963) 18 – 37.
  • Baden-Württemberg. «Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler», bearbeitet von F. Piel. München (Deutscher Kunstverlag) 1964.
  • Albrecht Dürer – Sämtliche Holzschnitte. Einleitung in eine Faksimile-Ausgabe. Darmstadt (Deutsche Buchgemeinschaft) und Hamburg (Hoffmann und Campe) 1968.
  • Systemfragmente zu den kinetischen Objekten von Gerhard von Graevenitz. In dem Ausstellungskatalog Richtungen, Kunstverein München 1969.
  • Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“. System- analytische Versuche I, 1 (MNE). München 1971.
  • Systemfragmente zu einem begehbaren Bild. Bemerkungen zur Gestaltung der Eingangszone beim Olympischen Reiterstadion Riem 1971 (Gerhard Fröbel – Johannes Leismüller – Maximilian Seitz). – Privatdruck München 1971.
  • La Cappella Colleoni e il Luogo Pio della Pietà in Bergamo. In occasione del quinto centenario della morte del Condottiero. (Monumenta Longobardica VI) Bergamo 1975.
  • Otto Wesendonck – Werk und Bildwert. Zu dem Ensemble „In Zeit und Raum“ im Eingangsbereich der BfA Berlin. Mittenwald 1976.
  • Anamorphose und Architektur. In: Festschrift Wolfgang Braunfels, Tübingen (Wasmuth) 1977. S. 189–196.
  • Sachliteratur zur Kunstwissenschaft und Kunstgeschichte. In: Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart: Autoren, Themen, Tendenzen seit 1945, V, herausgegeben von Rudolf Radler. München (Kindler) 1978, S. 472–504.
  • „Oberfranken und Mittelfranken“ (mit Ausnahme der Städte Bamberg und Nürnberg) im Band Franken des Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, München (Deutscher Kunstverlag) 1979.
  • Zur Kunst der italienischen Renaissance. In: Die italienische Renaissance, in Bildern erzählt von Erich Lessing; mit Beiträgen von Otmar von Aretin und Friedrich Piel. München (Bertelsmann Buchverlag) 1983. Erschien auch in italienischer und französischer Sprache.
  • Albrecht Dürer, Aquarelle und Zeichnungen. Köln (DuMont) 1984. Erschien auch in italienischer und französischer Sprache. – Letzte der deutschen Lizenzausgaben 2002.
  • Nachwort zu Hans Sedlmayr, Die Revolution der modernen Kunst, herausgegeben von Friedrich Piel. Köln (DuMont) 1985. 1. Aufl.
  • Bemerkungen zur Bedeutung des Narthex. In: Zeit und Stunde. Festschrift für Aloys Goergen. Hrsg. Hermann Kern, Friedrich Piel, Hans Wichmann. München (Mäander) 1985. S. 195–203.
  • Nachbemerkung in: Gertrud Piper-Engling, Jugenderinnerungen. Katalog der Gemälde mit einer Auswahl der Zeichnungen und Aquarelle. München (Piper) 1986, S. 99–102.
  • »A mon ami A. Quatremère de Quincy« – ein unbekanntes Werk Jacques-Louis Davids [verfaßt zusammen mit Hans Körner]. In: Pantheon XLIII (1985). S. 89–96.
  • Redon, Maler des Intelligiblen. In: Odilon Redon, (1840–1916). Meisterwerke aus der Sammlung Ian Woodner. Hrsg. von F. P., München 1986, S. 17–20.
  • Idee, Konzept, Kunst. In: Meisterzeichnungen aus sechs Jahrhunderten. Die Sammlung Ian Woodner. Köln (DuMont) 1986 [zunächst in dem Katalog der gleichnamigen Ausstellung im Haus der Kunst München. München 1986, S. XI-XXX].
  • Ian Woodner. In: Ian Woodner, Gemälde. Katalog zur Ausstellung 27. März / 8. Juni 1986. Amerikahaus München und Museum Villa Stuck. München 1986. S. 9–18.
  • Röscheisen – Auf der Suche nach dem Verlorenen Bild. München 1988.
  • Die Tavola Doria ― Modello Leonardos zur Anghiarischlacht. In: Pantheon XLVII (1989) 83-97.
  • Vom Pattern zur Substanz. In: Schermuly – Gegenstände. Herausgegeben von Martin Mosebach. Museum Wiesbaden 3. Dezember 1989 bis 28. Januar 1990. Stuttgart (Klett) 1989. S. 35–45.
  • Albrecht Dürer, Aquarelles et dessins. Paris 1994 (Bibliothèque de l’Image) auch spanisch.
  • Ein frühes Bildnis des Bartolomeo Colleoni. In: Kunst – Pädagogik – Kreativität. Festschrift für Hans Daucher 1994 (=Schriften des Lehrstuhls Kunsterziehung an der LMU München, hrsg. von Wolfgang Kehr und Ernst Rebel). S. 127–131.
  • Leonardos Disegnio der Anghiarischlacht. Materialien und Dokumente zur Tavola Doria. München 1994.
  • Imago Identitatis. In: Broschüre zur Eröffnung der „Landkartengalerie“ im Toskanatrakt der Salzburger Residenz. Mit Beiträgen u. a. von Thomas Danzl, Heinz Leitner, Friedrich Piel o. O. o. J. 1995.
  • Tavola Doria: Leonardo da Vincis Modello zu seinem Wandgemälde der «Anghiarischlacht». Materialien – Texte – Dokumente. [«Eine Veröffentlichung der Universität Salzburg»]. München 1995.
  • Hans Sedlmayr (1896–1984). Verzeichnis seiner Schriften. Bibliographisch erfaßt und herausgegeben von F. P. Mit einem Nachruf auf Hans Sedlmayr von Gerhard Schmidt. München 1996.
  • Der gebannte Abgrund. In: Dieter Kleinpeter 1993–1997. Definierte Unschärfen. Ein Bilderbuch mit Texten. Wien 1997, S. 55–59.
  • Transzendenz der Materie. In: Sony B. Matière en creux 1997–2000. hrsg. von F.P. –Falkenberg 2000.
  • Angela Grasser – Vela. In: Angela Grasser. Zeichnungen 1998–2000. Passau 2001, S. 5–7.
  • Beiträge zu dem Katalog Röscheisen. Der Tod als Allegorem. Würzburg 2006: S. 11–19: Röscheisen 1906–1972; S. 43–98: Allegorem Tod. Auf der Suche nach dem Verlorenen Bilde.
  • The Tavola Doria identified as Leonardo’s «Groppo de Cavalli». A Summary. Privatdruck 2007.
  • Ut Poeta Vascularius. Zu den Durchflutungen von Rita Grosse-Ruyken – Eine Annäherung. In: Transformationen – Rays of Light. Hg. Sabine Runde. Museum für Angewandte Kunst Frankfurt, 2009. Heft II, S. 83–91 (auch englisch).
  • "Werk und Bild". Systemfragmente 1969-2009. Falkenberg 2018
  • Peter Paul Rubens «invenit et pinxit». Bacchus Palatinus. Ein Spätwerk aus dem Besitz des Kurfürsten Johann Wilhelm II. von Pfalz-Neuburg. Falkenberg 2021.

Einzelnachweise

  1. Todesanzeige Süddeutsche Zeitung 17./18. September 2016
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