Friedensgericht Wöllstein

Das Friedensgericht Wöllstein war ein Friedensgericht zunächst in Frankreich und dann in der Provinz Rheinhessen des Großherzogtums Hessen mit Sitz in Wöllstein.

Vorgeschichte

Das Gebiet um Wöllstein gehörte am Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation zum Besitz einer ganzen Reihe von Territorialherrschaften.[1] Verwaltung und Rechtsprechung waren noch nicht getrennt und wurden auf unterer Ebene von Ämtern wahrgenommen. Der Amtmann entschied in Rechtsstreitigkeiten als Einzelrichter.

1792 eroberten Truppen des revolutionären Frankreichs die Rheinlande. Dort entstand die Mainzer Republik. Der französische Nationalkonvent annektierte mit Gesetz vom 30. März 1793 die Mainzer Republik auf deren Antrag. Bedingt durch die Koalitionskriege kam es aber erst 1795 zu einer dauernden Neuordnung des Gebiets – auch auf dem Gebiet der Justiz.

Gründung

Durch das Gesetz über Verwaltung und Justizorganisation in den vier linksrheinischen Départements vom 5. Dezember 1795 (14 frimaire IV) wurde das französische Gerichtsverfassungsgesetz Loi des 16 et 24 août 1790 sur l'organisation judiciaire auch hier verbindlich.[2] Dieses Gesetz sah die Einrichtung von Friedensgerichten für die streitige Gerichtsbarkeit und von Notariaten für die Freiwillige Gerichtsbarkeit in allen Kantonen vor. Inwieweit das damals schon in die Praxis umgesetzt war, bleibt unklar, da der Erste Koalitionskrieg noch andauerte.

Mit dem Frieden von Campo Formio wurde die Annexion des Rheinlandes im Oktober 1797 auch von deutscher Seite anerkannt. Anschließend errichtete die französische Verwaltung in den annektierten Gebieten ihre Strukturen und richtete auch das „Friedensgericht Wöllstein“ ein, dessen örtliche Zuständigkeit sich auf den Kanton Wöllstein erstreckte. Der Gerichtsbezirk blieb auch nach Auflösung des Kantons 1835 als Verwaltungsgebiet bis 1879 unverändert bestehen.[3]

Das Friedensgericht war dem Départementsgericht des Département du Mont-Tonnerre untergeordnet, das seinen Sitz in Mainz hatte. Oberstes Gericht war das Revisionsgericht in Trier.[4]

Weitere Entwicklung

Nach der Rückeroberung in den Befreiungskriegen wurde die Region von 1814 bis 1816 von der österreichisch-baierischen Gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Commission verwaltet. Diese ließ die vorgefundene Justizorganisation bestehen, ergänzte sie aber am 27. Juli 1815 um den Appellationshof in Kreuznach als Obergericht.

Auch das Großherzogtum Hessen, das Rheinhessen im Rahmen eines Gebietstausches 1816 erhielt und als Provinz Rheinhessen konstituierte, übernahm die bestehende Gerichtsverfassung. Allerdings wurde der Appellationshof in Kreuznach aufgelöst und mit einer „Provisorischen Appellations- und Kassationsgerichtsordnung für den großherzoglich hessischen Landesteil auf der linken Rheinseite“ ein Kreisgericht in Mainz geschaffen. Das Friedensgericht Wöllstein war nun eines von zwölf Friedensgerichten in der Provinz Rheinhessen.

Nach Teilung des Kreisgerichtes Mainz in die Kreisgerichte Mainz und Alzey zum 1. Dezember 1836 gehörte Wöllstein zum Bezirk des Kreisgerichts Alzey, das am 24. Oktober 1852 in „Bezirksgericht Alzey“ umbenannt wurde.

Ende

Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb die Friedensgerichte auf. Funktional ersetzt wurden sie durch Amtsgerichte.[5] So ersetzte – bei fast unverändertem Umfang des Gerichtsbezirks – das Amtsgericht Wöllstein das Friedensgericht Wöllstein. Das neue Amtsgericht war dem Landgericht Mainz und dem Oberlandesgericht Darmstadt untergeordnet.[3]

Bezirk

Der Gerichtsbezirk des Friedensgerichts Wöllstein erstreckte sich (Ortsnamen nach heutiger Schreibung) auf:[3]

Gemeinde[6] Herkunft Zugang Abgang Nach[6]
Badenheim Graf von Schönborn
Lehen von Pfalz-Zweibrücken[7]
1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Biebelsheim Grafschaft Falkenstein[7]
(Habsburg-Lothringen)
1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Bosenheim Kurpfalz[8], Oberamt Kreuznach 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Eckelsheim Grafschaft Falkenstein[9](Habsburg-Lothringen) 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Frei-Laubersheim Kurpfalz[10], Oberamt Kreuznach 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Fürfeld Freiherr von Kerpen[11] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Gumbsheim Kurmainz und Nassau-Saarbrücken, Kondominium[12][Anm. 1] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Hackenheim Kurpfalz[12], Oberamt Kreuznach 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Ippesheim Fürst von Bretzenheim und
Grafschaft Falkenstein[13] (Habsburg-Lothringen),
Kondominium
1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Neubamberg Kurmainz[14] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Pfaffenschwabenheim Kurpfalz[15], Oberamt Kreuznach 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Planig Fürst von Bretzenheim[15] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Pleitersheim Kurmainz und
Grafschaft Nassau-Saarbrücken[16],
Kondominium[Anm. 1]
1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Sankt Johann Markgrafschaft Baden[17] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Sieffersheim Kurmainz[18] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Sprendlingen Markgrafschaft Baden[18] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Stein-Bockenheim Wild- und Rheingrafen[18]
anteilig: Markgrafschaft Baden[19]
1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Tiefenthal Grafschaft Nassau-Saarbrücken[18] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Volxheim Kurmainz[20] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Welgesheim Kurpfalz[20] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Wöllstein Kurmainz und
Grafschaft Nassau-Saarbrücken[16],
Kondominium[Anm. 1]
1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Wonsheim Kurpfalz[16] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein
Zotzenheim Kurpfalz[16] 1798 1879 Amtsgericht Wöllstein

Literatur

  • Andrea Kraft: Ortsverzeichnis zur Historischen Karte der Pfalz und Rheinhessens 1789. Landesarchiv Speyer 2009.
  • Heribert Reus: Gerichte und Gerichtsbezirke seit etwa 1816/1822 im Gebiete des heutigen Landes Hessen bis zum 1. Juli 1968. Hg.: Hessisches Ministerium der Justiz, Wiesbaden [1984].

Anmerkungen

  1. Kurmainz gehörten drei Viertel, Nassau-Saarbrücken ein Viertel des Kondominiums (Wöllstein in Rheinhessen auf: regionalgeschichte.net).

Einzelnachweise

  1. Kraft, Karte.
  2. Werner Schubert: Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts = Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte 24. Böhlau, Köln 1977. ISBN 3-412-04976-X, S. 23, Anm. 60 (hier ist das Datum des Revolutionskalenders unzutreffend auf den 4. Dezember 1795 berechnet).
  3. Reus [ohne Seitenangabe], Abschnitt: „Friedensgericht Wöllstein“.
  4. Friedrich Lehne: Historisch-statistisches Jahrbuch des Departements vom Donnersberge für das Jahr 9 der fränkischen Republik. Pfeiffer, Mainz 1801, S. 170–174.
  5. §§ 1, 3 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
  6. Reus [ohne Seitenangabe], Abschnitt: „Amtsgericht Wöllstein“.
  7. Kraft, S. 4.
  8. Kraft, S. 5.
  9. Kraft, S. 6.
  10. Kraft, S. 7.
  11. Kraft, S. 8.
  12. Kraft, S. 9.
  13. Kraft, S. 10.
  14. Kraft, S. 13.
  15. Kraft, S. 15.
  16. Kraft, S. 19.
  17. Kraft, S. 16.
  18. Kraft, S. 17.
  19. So: Statistik des Grossherzogthums Hessen Großherzogliche Centralstelle für die Landes-Statistik: Beiträge zur Statistik des Großherzogthums Hessen, Band 1. Hofbuchhandlung Jonghaus, Darmstadt 1862, S. 59, Nr. 1154.
  20. Kraft, S. 18.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.