Franz Schneider (Politiker, um 1488)
Franz Schneider (* um 1488; † 5. oder 9. Oktober 1560) war ein deutscher Politiker und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts neunmal Bürgermeister von Görlitz. 1536 wurde er von Karl V. geadelt.[1] Er ist Stammvater der Schnitter und der Begründer ihres Adels.
Leben
Franz Schneider war Bürgermeister von Görlitz in den Jahren 1515, 1518, 1523, 1528, 1531, 1537, 1540, 1544 und 1548.[2] Nach Erich Wentscher waren es insgesamt elf Verwaltungsjahre.[3]
Er wohnte wohl mindestens seit 1510 bis 1517/18 in der Neißgasse 7 oder 8 (nach Friedrich Pietsch Neißgasse 8, nach Erich Wentscher Neißgasse 7). Sein nächstes Wohnhaus, das Eckhaus in der Petersgasse (Peterstraße) 8, hatte der Vorbesitzer Caspar Canitz testamentarisch „nach dem Tode seiner Witwe Anna“ eigentlich der Peters- und Nikolaikirche überlassen. Anna heiratete nach dem Tod ihres Ehemannes ein weiteres Mal und zwar Caspar Hartmann. Von ihm erwarb Schneider das Haus, klärte 1517 den Sachverhalt mit Hartmann und den Kirchenvätern der zwei Kirchen aber noch ab.[4] Er ließ es 1528 durch Wendel Roskopf in ein repräsentatives Haus im Stil der frühen Renaissance umbauen.[5][6] Im Hinterhaus des Hofes befand sich ein Relief Franz Schneiders mit einem Wappenschild mit Hausmarke und Initialen.[5][4] Dieses Bildnis wurde in Görlitz fälschlich als Johann Tetzel identifiziert, wenngleich es sich hierbei sicher um Franz Schneider handelt.[4][7] Sein ehemaliges Wohnhaus ist heute das Hotel Tuchmacher, in dessen Foyer sich noch das Steinbild befindet.
1527 spielte Schneider eine Rolle im Görlitzer Tuchmacheraufstand, wessen Einfluss Erich Wentscher auf die Görlitzer Reformationsgeschichte ausweitete.[1] Nach Otto Kämmel war Schneider ein fester Katholik, wessen Zitat Friedrich Pietsch nur als Vermutung zuließ, aber nicht widersprach.[8]
Er war 1528, gemessen anhand der im Steuerregister von 1528 bis 1543 angegebenen Vermögenswerten, achtreichster Mann der Stadt Görlitz.[9] Die Hausmarke wurde 1536 von Karl V. durch ein Wappen ersetzt, als er, gemeinsam mit Johannes Haß, „wegen treuer Dienste, die er dem Reiche, König Ferdinand von Böhmen und der Stadt Görlitz oft und willig und höchsten Vermögens gethan“ einen Adels- und Wappenbrief erhielt.[5] 1538, noch als Bürgermeister seiner 1537 begonnenen Amtszeit, empfing er König Ferdinand I. bei dessen imposantem Einzug in Görlitz.[10][11]
1547 nach dem Pönfall zählte sich Schneider neben Michael Schmidt und Jakob Rösler zu den drei Personen, die im Rat blieben bzw. wie der Richter Franz Lindner bei der Stadt bedienstet blieben. Sie mussten dafür zusammen mit der Gemeinde mit ihren Händen neuen Gehorsam schwören und wurden schließlich in der Peterskirche gefeiert.[12]
Vorwurf persönlicher Bereicherung
Als es nach dem Pönfall Beschuldigungen der Tuchmacher gegen die Ratsmitglieder gab, sie würden sich am bürgerlichen Gemeingut bereichern, erklärte der Georg Röber 1548 im Verlauf des Strafgerichts von 1547,[13] „was die Familie des oftmaligen Bürgermeisters Franz Schneider besäße, sei alles gestohlen und er wolle noch einmal seinen Dolch in einem ‚Schneiderischen‘ umdrehen“.[14][5] Tobias Kober schrieb 1547 in seiner Chronik: „Schmählich ist zu gedenken, wie es unsere Herren als Johannes Haß und Franz Schneider mit der Stadt haben vorgenommen, welches hernach sich an ihren Nachkommen erfunden und sonderlich der Haßens, welche nach großer Vorbitt in die Spital sind genommen worden“.[5] Auch Bartholomäus Scultetus schrieb in seiner zweiten Chronik einige Zeit später: „Also haben sie jemmerlich diese Stadt umb alles bracht. Also wol haben sie alle Herrschaften und Ratsherren in allen Sechsstädten geregiret, das ihnen Gott sampt allen iren Kindern und an iren gantzen nachkommenden Geschlecht widerumb redlich vergelten wolte.“[4] Diesen Vorwürfen lag, zufolge Friedrich Pietsch, die „unruhvolle Unordnung“ der damaligen Zeit zugrunde, wobei während Kampf um Recht auch Kampf um wirtschaftliche Vorteile sein kann, „die Grenzen zwischen unberechtigter Anmaßung, berechtigtem Widerstand und unberechtigtem Ungehorsam“ verschwammen,[14] bzw. das Unverständnis über „das gefährlich Schicksalhafte der großen Politik, ihre Verkettung in die Geschehnisse eines großen Raumes und die untrennbare Verflechtung von Schicksal und Anteil in ihrem Bereich“.[4] Erstere Zustände habe Martin Luther vor seinem Tode als „entsetzliche Verwirrung“ für Deutschland vorausgesehen[14] und bei Scultetus habe nur seine „allerfrüheste Jugend“ in die Zeit vor dem Pönfall zurückgereicht, als die Zeit der großen Politik der Stadt endgültig zu Ende ging.[4]
Familie
Franz Schneiders Eltern hießen Dorothea (geb. Wenscher) und Matthäus Schneider. Matthäus Schneider war Brauer. Dorotheas Eltern hießen Margarete (geb. Alischer) und Hans Wenscher (auch: Wentscher), Mätthaus’ Vater hieß Christoph und dessen Vater Hans.[3]
Matthäus Schneider heiratete 1482[15] die Witwe Urban Emmerichs († Anfang April 1472) Anna Behr (auch Anna Valentin, was nach Erich Wentscher jedoch ein Missverständnis spätestens seit dem Görlitzer Genealogen Christian Schäffer ist),[16][15] Tochter eines angesehenen Behr unbekannten Taufnamens und Barbara Behr. Urban hatte Anna 1459 aus Hirschberg entführt und dann zur Frau genommen. Matthäus bezahlte (nach 1482) einige oder die gesamten Schulden Urban Emmerichs, der dem berühmten Görlitzer Patriziergeschlecht Emmerich entstammte, mit dem Franz Schneider also verschwägert gewesen ist. Urbans jüngerer Bruder war Georg Emmerich.[16]
Franz heiratete etwa 1510 Agnes Uthmann aus Breslau,[17] Witwe des Stadtbaumeisters Blasius Börer († 11. Mai 1505). Im Jahr 1522[18] heiratete er Katharina, eine Tochter Bernhard Berndts.[19][13][20] Seine dritte Ehefrau hieß Anna Gleinich und stammte aus Glogau.[5]
Der Adel Franz Schneiders Familie lebte mit der Adelsbestätigung seiner Brüder Hieronymus und Onophrius und Söhne Georg, Lukas und Elias durch Ferdinand I. am 15. Juli 1562 weiter. Bartholomäus und Valentin, der zweitälteste bzw. zweitjüngste der fünf Brüder waren noch vor 1539 verstorben.[1] Die noch lebenden der Familie Schneider lauteten ihren Namen in Schnitter um, da bereits ein 1464 eingewandertes Ratsgeschlecht Schneider, das sich auch Langschneider nannte, in Görlitz ansässig gewesen ist.[13]
Kinder
Kinder aus erster Ehe (1510–1527):[21]
- Katharina (⚭ Peter Frenzel; † 21. Dezember 1570)
- Lukas (vermögender Görlitzer Kaufmann und Ratsherr 1558–1566, erste Ehe ca. 1544 mit der Tochter Caspar Zehkorns; Magdalene Beyer, „Beier“ ist nach Christian Schäffer Lukas’ Ehefrau, Erich Wentscher betrachtete dies als widersprüchlich, obgleich ein gemeinsames Epitaph in St. Peter überliefert ist; † 21. Februar 1566)
- Margarete (⚭ Johann Troger, „Tröger“)
- Georg († nach 1562)
- Anna (⚭ Joachim Frenzel; † 26. Februar 1561)
Aus zweiter Ehe (nach 1527):[21]
- Lorenz[22]
- Sabina (⚭ Georg Uthmann; † 11. September 1580)
- Katharina (⚭ Christoph Sattler)
- Brigitte (⚭ Hans Willer, der 1537 einen Wappenbrief erhielt)
- Elias (⚭ Elisabeth Emerich; † 23. Januar 1580)
- Ruffina (* 1529, ⚭ David Cunrad; „doch“ nach dem Görlitzer Traubuch 1564 jungfräulich getraut mit Franz Fleischer)
- Dorothea (⚭ Joachim Gerlach, Stadtschreiber in Breslau)
- Helena († wohl jung)
- Corona († wohl jung)
- Concordia († wohl jung)
- Franz († wohl jung).
Weblinks
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und Zittau. In: Herold (Hrsg.): Der Herold. Band 10, S. 232.
- Verzeichnis der Bürgermeister zu Görlitz nebst einer historischen Einleitung. Görlitz 1. Juli 1839, S. 15 (slub-dresden.de).
- Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und Zittau. In: Herold (Hrsg.): Der Herold. Band 10, S. 230–231.
- Friedrich Pietsch: Görlitz im Pönfall. In: Neues Lausitzisches Magazin. S. 137 (slub-dresden.de).
- Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und Zittau. In: Herold (Hrsg.): Der Herold. Band 10, S. 233.
- Achim Bourmer, Rainer Eisenschmid: Sachsen. Lonely Planet, 2011, ISBN 978-3-8297-1263-7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Oktober 2021]).
- Richard Jecht: Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte unter Kaiser Sigmund. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 87. Im Selbstverlag der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und in Kommission von H. Tzschaschel, 1911 (archive.org [abgerufen am 11. September 2021]).
- Friedrich Pietsch: Görlitz im Pönfall. In: Richard Jecht (Hrsg.): Neues Lausitzisches Magazin. Band 111. Görlitz 1935, S. 54.
- Ratsarchiv der Stadt Görlitz: Schriftenreihe. 1972, S. 17 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- André Micklitza: Görlitz: Sehenswürdigkeiten, Kultur, Szene, Umland, Reiseinfos. Trescher Verlag, 2021, ISBN 978-3-89794-562-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Julia Ricker: In Görlitz entdeckten Denkmalpfleger ein Gesetz- und Gnade-Bild: „Plötzlich blickte ich in ein Gesicht“. In: Monumente. April 2012 (monumente-online.de [abgerufen am 4. November 2021]).
- Friedrich Pietsch: Görlitz im Pönfall. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 111, 1935, S. 119.
- Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und Zittau. In: Herold (Hrsg.): Der Herold. Band 10, S. 232–233.
- Friedrich Pietsch: Görlitz im Pönfall. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 111, S. 66.
- Richard Jecht: Urkundliche Nachrichten über Georg Emerich. Eine von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften gekrönte Preisschrift. In: Neues Lausitzisches Magazin: unter Mitwirkung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften. Görlitz: Die Gesellschaft, 1821, S. 92 (archive.org [abgerufen am 28. Januar 2021]).
- Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und Zittau. In: Herold (Hrsg.): Der Herold. Band 10, S. 230.
- Friedrich Wilhelm Engemann: Oberlausitzer sippenkundliche Beiträge. Festschrift d. Sippenkundl. Landesvereins f. d. gesamte Oberlausitz zum 10jährigen Bestehen. Band 1. Selbstverlag; Starke [in Komm.], 1937, S. 103.
- C. G. Theodor Neumann: Geschichte von Görlitz. in commission der Heyn'schen buchhandlung, E. Remer, 1850, S. 55 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Christian Speer: „Vita mercatoris“. Die Autobiographie des Fernhändlers Hans Frenzel aus Görlitz. S. 152 (uni-halle.de [PDF]).
- Neues Lausitzisches Magazin. Band 51, S. 32 (archive.org).
- Erich Wentscher: Die Entfaltung der Schnitter in Görlitz und Zittau. In: Herold (Hrsg.): Der Herold. Band 10, S. 233–235.
- Für das Leben von Lorenz Schneider gibt es verschiedene, sich aber nicht zwingend ausschließende Versionen: Nach Erich Wentscher starb er als Leipziger Student. Nach Hermann Kinne studierte er 1544 in Frankfurt a. d. O., nachdem er bereits 1517 Vikar in Bautzen und ab 1538 Kanoniker gewesen ist. Wahrscheinlich schon 1539 nach dem Tod Paul Schwofheims, sicher aber erst 1555, wurde Lorenz Schneider Schwofheims Nachfolger als Cancellarius, als er 1555 aber auch schon auf dieses Patronat verzichtete. vergl. Hermann Kinne: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg. Das (exemte) Bistum Meißen 1. Das Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen von der Gründung bis 1569. Berlin: de Gruyter 2014.