Frambösie
Frambösie ist eine in tropischen Regionen auftretende nicht-venerische Infektionskrankheit aus der Gruppe der tropischen Treponematosen, die durch das Bakterium Treponema pertenue hervorgerufen wird.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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A66.0 | Primärläsion bei Frambösie |
A66.1 | Multiple Papillome und Krabbenframbösie |
A66.2 | Sonstige Hautläsionen im Frühstadium der Frambösie |
A66.3 | Hyperkeratose bei Frambösie |
A66.4 | Gummata und Ulzera bei Frambösie |
A66.5 | Gangosa |
A66.6 | Knochen- und Gelenkveränderungen bei Frambösie |
A66.7 | Sonstige Manifestationen bei Frambösie |
A66.8 | Latente Frambösie |
A66.9 | Frambösie, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Krankheitsbezeichnung
Die Bezeichnung Frambösie oder Framboesia tropica für diese Krankheit geht auf das französische Wort framboise für Himbeere zurück, womit das Aussehen der hervorgerufenen Hautveränderungen charakterisiert wird.[1]
Für diese Erkrankung sind verschiedene weitere Namen geläufig, neben Polypapilloma tropicum und Buba im Deutschen Himbeerseuche oder Himbeerpocken. Im Englischen wird die Krankheit auch Yaws genannt, französisch pian, spanisch pián, portugiesisch piã oder bouba, malaiisch heißt sie Parangi oder Paru.[2]
Erreger
Erreger der Frambösie ist das erstmals von Aldo Castellani 1905 nachgewiesene Bakterium Treponema pertenue aus der Familie der Spirochäten, die auch für die Syphilis verantwortlich sind.[3] Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt von Haut zu Haut oder Insektenstiche (zum Beispiel Fleischfliegen) oft schon in früher Kindheit oder bei Jugendlichen. Besonders betroffen sind ärmere Bevölkerungsschichten, mutmaßlich aufgrund beengter Lebensverhältnisse.
Der früheste Beleg für eine Verbreitung in Europa fand sich in einem Grab von Pestopfern in Litauen aus dem 15. Jahrhundert.[3]
Epidemiologie
Vor den breitflächig durchgeführten Therapiekampagnen der WHO in den 1950er-Jahren waren an die 50 bis 100 Millionen Menschen mit Treponema pertenue infiziert. In den 1980er-Jahren traten in der westlichen Hemisphäre weniger als 500 Fälle jährlich auf. Bei der Schätzung der WHO von 1995 ging man von 2 bis 5 Millionen Erkrankten aus. 2007 wurde berichtet, dass sich diese Seuche der armen Landbevölkerung mangels hinreichender Prävention wieder ausbreite, besonders in Afrika, Lateinamerika und Asien.[5] 2015 wurde die Zahl der jährlichen Erkrankungen in 13 Ländern mit 65.000 angegeben;[6] allerdings ist davon auszugehen, dass dabei nicht alle Fälle, insbesondere nicht alle betroffenen Länder, erfasst wurden.[7] 84 % der erfassten Fälle waren in nur drei Staaten aufgetreten (Papua-Neuguinea, Salomonen, und Ghana).[6][7] Die für 2016 berichteten Fallzahlen waren für die Länder Papua-Neuguinea 33.891, Salomonen 18.082, Indonesien 2762, Elfenbeinküste 1581 und Ghana 1481.[8] 2017 wurde die Zahl der jährlichen Erkrankungen auf 46.000 geschätzt.[1] 2018 meldeten 14 Staaten Fälle der Krankheit an die WHO, wobei Indien 2016 offiziell als von der Krankheit befreit erklärt wurde.[9]
Symptome
Erstes Stadium
Nach einer Inkubationszeit von drei bis vier Wochen bildet sich meist am Unterschenkel, bei Kindern auch im Gesicht und bei stillenden Frauen auch an der Brust, als Primäraffekt eine schmerzlose, juckende, nässende „himbeerartige“ Papel – manchmal auch ein schmerzloses Ulcus – aus, das von einer regionalen Lymphknotenschwellung begleitet wird.
Zweites Stadium
Einige Wochen nach deren Abheilen treten im zweiten Stadium, dem sogenannten Sekundärstadium, generalisiert auch an Handflächen und Fußsohlen Papeln auf, die der Primärläsion ähneln, aber häufig superinfiziert werden.
Drittes Stadium
Im sogenannten Latenzstadium sind die Patienten für fünf bis zehn Jahre beschwerdefrei, Rezidive können allerdings auftreten.
Viertes Stadium
Das vierte oder „Tertiärstadium“ der Erkrankung ist durch gummaartige Veränderungen an den Knochen sowie der Gelenke gekennzeichnet, die zu deren Zerstörung führen, so dass zum Beispiel das Schienbein zur Säbelscheidentibia deformiert werden kann. Desgleichen kann es zur Bildung einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder einer Sattelnase, wie etwa bei der Lues, kommen.
Therapie
Die Krankheit kann durch Antibiotika wie Penicillin mit guten Heilungsaussichten therapiert werden. Eine Studie in Papua-Neuguinea zeigte 2012, dass bei Kindern eine einzige Tablette des Antibiotikums Azithromycin so gut wirkt wie eine Penicillin-Injektion.[10] Dadurch wurde die Therapie erheblich vereinfacht, da das Penicillin per Injektion verabreicht werden muss. Die WHO beschloss daraufhin 2012 eine Strategie zur Auslöschung der Krankheit bis zum Jahr 2020.[11] Der Erfolg dieser Bemühungen wird dadurch bedroht, dass das Bakterium gegen Azithromycin resistent werden kann.[12]
Literatur
- Yaws: A forgotten disease. WHO Fact sheet N° 316, Januar 2012
- R. Amin u. a.: Eradication of yaws. (PDF; 633 kB) In: Journal of Clinical Medicine and Research. Vol. 2(3) S. 49–54, März 2010.
- Sascha Knauf, Jane Raphael u. a.: Isolation of Treponema DNA from Necrophagous Flies in a Natural Ecosystem. In: EBioMedicine. 2016, doi:10.1016/j.ebiom.2016.07.033.
- Werner Köhler: Frambösie (Yaws, Pian, Parangi). In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 419.
Weblinks
- Martin Winkelheide: Himbeerkrankheit leichter heilbar. In: Deutschlandfunk-Sendung Forschung aktuell. 17. Januar 2012 .
Einzelnachweise, Fußnoten
- Leonie Müßig: Im Fokus: Frambösie – vernachlässigte Kinderkrankheit. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW), 20. Juni 2017, abgerufen am 17. Juli 2020.
- B. Dofitas, S. Kalim, C. Toledo, J. Richardus: Yaws in the Philippines: first reported cases since the 1970s. In: Infectious Diseases of Poverty . Band 9, Nr. 1, 30. Januar 2020, doi:10.1186/s40249-019-0617-6, PMID 31996251, PMC 6990502 (freier Volltext).
- Julia Merlot: Mittelalterliches Epidemie-Opfer litt an Tropenkrankheit. In: Spiegel Online. 14. Juni 2020, abgerufen am 27. September 2022.
Michael Stang: Frambösie und Syphilis – Neue Hinweise auf Ursprung der Infektionskrankheiten. (mp3-Audio; 4,7 MB; 5:07 Minuten) In: Deutschlandfunk-Sendung Forschung aktuell. 26. September 2022, abgerufen am 26. September 2022. - Yaws status of endemicity and number of cases. In: Our World in Data. Abgerufen am 5. März 2020.
- Rückkehr der Frambösie. In: Deutsches Ärzteblatt. 30. Januar 2007, archiviert vom am 14. September 2013; abgerufen am 27. September 2022.
- Oriol Mitjà, Michael Marks, Diby J P Konan, Gilbert Ayelo, Camila Gonzalez-Beiras, Bernard Boua, Wendy Houinei, Yiragnima Kobara, Earnest N Tabah, Agana Nsiire, Damas Obvala, Fasiah Taleo, Rita Djupuri, Zhang Zaixing, Jürg Utzinger, Lasse S Vestergaard, Quique Bassat, Kingsley Asiedu: Global epidemiology of yaws: a systematic review. In: The Lancet. Global Health. Band 3, Nr. 6, 19. Mai 2015, ISSN 2214-109X, S. e324–e331, doi:10.1016/S2214-109X(15)00011-X, PMID 26001576, PMC 4696519 (freier Volltext).
- David Mabey: Mapping the geographical distribution of yaws. In: The Lancet Global Health. Band 3, Nr. 6, Juni 2015, S. e300–e301, doi:10.1016/S2214-109X(15)00003-0.
- By category – Number of cases of yaws reported – Data by country. In: Global Health Observatory data repository. World Health Organization (WHO), abgerufen am 18. Juli 2020 (englisch).
- Yaws eradication. In: Yaws > Facts in pictures. World Health Organization WHO, 28. Februar 2018, abgerufen am 17. Juli 2020 (englisch).
- Oriol Mitjà, Russell Hays, Anthony Ipai, Moses Penias, Raymond Paru, David Fagaho, Elisa de Lazzari, Quique Bassat: Single-dose azithromycin versus benzathine benzylpenicillin for treatment of yaws in children in Papua New Guinea: an open-label, non-inferiority, randomised trial. In: The Lancet. Band 379, Nr. 9813. Elsevier B.V., Januar 2012, S. 342–347, doi:10.1016/S0140-6736(11)61624-3 (who.int [PDF]).
- WHO / Department of Control of Neglected Tropical Diseases: WHO | Eradication of yaws – the Morges Strategy. In: Neglected tropical diseases. World Health Organization WHO, 18. Mai 2012, abgerufen am 18. Juli 2020 (englisch).
- Michael Marks: Advances in the Treatment of Yaws. In: Tropical Medicine and Infectious Disease. Band 3, Nr. 3. MDPI, 29. August 2018, ISSN 2414-6366, S. 92, doi:10.3390/tropicalmed3030092, PMID 30274488, PMC 6161241 (freier Volltext).