Flechtheimspeicher

Der Flechtheimspeicher ist ein unter Denkmalschutz stehender Getreidespeicher auf der Südseite des Hafenbeckens des Hafens Münster in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Kohlebunker der Stadtwerke sowie dem aus dem Jahre 1962 stammenden Verladekran, dem Wahrzeichen des Münsteraner Hafens.[1] Der als erhaltenswert eingestufte Rhenusspeicher, errichtet von der Firma Rhenus mit Hauptsitz in Hamm, schließt sich an dieses Gebäude an.[1][2][3] Die beiden Speicher sind in jeder Etage über das gemeinsame Treppenhaus miteinander verbunden.[4] Zur Gesamtquadratmeterfläche sind unterschiedliche Angaben zu finden, die von mindestens 1.720 Quadratmetern sprechen.[5] Weiterhin heißt es, der Flechtheimspeicher umfasse in jedem seiner fünf Stockwerke 1.620 Quadratmeter.[6] Andere Quellen sprechen für beide Speichergebäude von einer Nutzfläche von rund 8.600 Quadratmetern, auf denen einst 12.000 Tonnen Getreide gelagert wurden.[7] Die Geschosshöhe der einzelnen Stockwerke des Flechtheimspeichers liegt zwischen 3,10 Meter und 3,80 Meter.[5] Die Grundstücke des Rhenus- und Flechtheimspeichers befinden sich in der Flur 148 auf den Flurstücken 563 bis 569, die insgesamt 13.600 Quadratmeter umfassen.[8]

Flechtheimspeicher, Rhenusspeicher, Hafenkran und Lehnkering-Gefahrengutlager (v. r. n. l.)
Wärmespeicher rechts, dahinter Flechtheimspeicher mit Hafenkran

Geschichte

Der fünfgeschossige Mauerwerksbau wurde 1899 für den jüdischen Getreidegroßhändler Emil Flechtheim (* 1850; † 1933), Vater von Alfred Flechtheim, errichtet.[6][3] Die international tätige Firma M. Flechtheim und Comp. zählte zu dieser Zeit zu den größten Unternehmen im Getreidehandel und war unter anderem im Duisburger Innenhafen ansässig.[9][10] Anfang der 1930er Jahre entstand der Rhenusspeicher, der zehn Stockwerke umfasst.[7] Zur Zeit der Bebauung, wie auch im Jahr 2012, befand sich das Grundstück in einem GI-Industriegebiet.[8]

Die Kapitelle der aus Gusseisen gefertigten Mittelstützen tragen eine aus Holzbohlen gefertigte Decke und erinnern an ägyptische Kunst.[5][4][6][11] Zudem wurde der Dachstuhl kunstvoll gearbeitet.[4] Der Flechtheimspeicher wurde unter Denkmalschutz gestellt, da er „als einer der wenigen noch erhaltenen historischen Industriebauten“ als „Beleg für die wirtschaftliche Entwicklung Münsters zu Anfang des 20. Jahrhunderts“ steht.[7] Damit gilt er als ein „als Erinnerungszeichen der industriellen Vergangenheit prägende[s] Gebäude“ des Stadthafens und ist laut einer Bestandsaufnahme hafentypischer Objekte in Münster aus dem Jahr 2001 zu erhalten.[12][13]

Der Flechtheimspeicher wurde 1939 von Rhenus gekauft.[6] 1969 konnten die Stadtwerke Münster die Grundstücke des Flechtheim- sowie des Rhenusspeichers erwerben.[14] Laut Grundbucheintragungen gingen die Grundstücke bereits 1968 in den Besitz der Stadtwerke über.[5] Seit 1999 befindet sich der Flechtheimspeicher – wie auch der angrenzende Rhenusspeicher – im Besitz der Stadtwerke.[15][2] Nach Angaben der Stadtwerke Münster lief der Erbbaurechtvertrag der Firma Rhenus bereits 1996 aus, wodurch die Stadtwerke Eigentümer der beiden Speichergebäude wurden.[5] Der Flechtheimspeicher wurde bis Januar 2007 genutzt.[6][3] Nach einem Architektenwettbewerb aus dem Jahr 2007 gab es den Plan, den Speicher auf lange Sicht als Hotel oder Bürofläche zu sanieren.[15][3] Dabei sollte dieser im Besitz der Stadtwerke bleiben, nicht zuletzt, um den Betrieb des nahegelegenen Kraftwerks der Stadtwerke aufgrund von Umbaumaßnahmen zur Reduzierung der Geräuschemission nicht zu beeinträchtigen.[16][17] Dies gab letztlich den Ausschlag für die Büro-, Archiv- und Kulturnutzung des Speichers.[18][19][20] Im März 2012 entschied der Aufsichtsrat des städtischen Unternehmens, den Speicher für diese Nutzung umzubauen.[19] Für den Umbau der Speichergebäude sind seitens der Stadtwerke 18 Millionen Euro aus dem eigenen Budget im Gespräch.[21] In den Jahren 2010 bis 2012 drohte der Flechtheimspeicher in einen baulich bedrohlichen Zustand zu geraten, dessen langsamer Verfall erst durch die Umnutzung Einhalt geboten wurde.[17] Im Februar 2013 begannen die Stadtwerke mit der Sanierung der Räumlichkeiten, nachdem sie im ersten Schritt die Förderbänder des ehemaligen Getreidelagers demontiert hatten.[11] Der Einzug des Wolfgang Borchert Theaters erfolgte zum 6. September 2014 mit der Aufführung des Eröffnungsstücks „Die letzte Soirée“, welches die Berliner Autorin Arna Aley im Auftrag des WBT geschrieben hat. Im Zentrum steht Namensgeber und Vorbesitzer des Speichers, der Kunsthändler und Verleger Alfred Flechtheim. Regie führt Intendant Meinhard Zanger.[22][23]

Die Südseite des Hafenbeckens ist stadtentwicklungstechnisch bisher nicht erschlossen. An der südlichen Stirnseite liegt der ehemalige Kohlebunker des 2005 abgeschalteten Kohlekraftwerks der Stadtwerke. 2007 wurde er in einem Wärmespeicher für die Fernwärme des neuen GuD-Kraftwerks umgerüstet, so dass dieser bestehen bleiben wird. Am Flechtheimspeicher steht auch das Wahrzeichen des Hafens, ein alter Entladekran aus dem Jahr 1962.[24]

Einzelnachweise

  1. Münstersche Zeitung: Stahltrichter verschwinden vom Rhenus-Speicher am Hafen@1@2Vorlage:Toter Link/www.muensterschezeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Helmut P. Etzkorn, 16. Oktober 2008
  2. Stadt Münster: Niederschrift über die 30. Sitzung (Etat) (öffentlicher Teil) des Ausschusses für Stadtplanung, Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaft@1@2Vorlage:Toter Link/www.stadt-muenster.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 88 kB), Münster, 20. Februar 2008
  3. Stadt Münster: Revitalisierung Flechtheim-Rhenus-Speicher / Vorlage an den Aufsichtsrat der Stadtwerke Nr. 06/2012, Öffentliche Berichtsvorlage, Vorlagen-Nr. V/0174/2012, 27. Februar 2012
  4. Westfälische Nachrichten: Speicher vor der Sanierung: Industriegigant im Dornröschenschlaf, Münster, Martin Kalitschke, 8. März 2012
  5. Stadtwerke Münster: In historische Speicher am Hafen sollen Archiv und Büros einziehen – auch Platz für Theater und Ausstellungen: Stadtwerke-Aufsichtsrat hat entschieden/ Planungen beginnen umgehend (Memento des Originals vom 3. Februar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stadtwerke-muenster.de, 12. März 2012
  6. Westfälische Nachrichten: Hintergrund: Speicher in Zahlen, Martin Kalitschke, 7. März 2012
  7. Westfälische Nachrichten: Speicher, Wolfgang Schemann, 3. Februar 2009
  8. Stadtwerke Münster: Grundstücksangelegenheiten: Revitalisierung Flechtheim-/Rhenus-Speicher, Vorlage an den Aufsichtsrat Nr. 06/2012, Dr. Müller-Tengelmann
  9. Stadt Münster: Münster im Modell – Hafen 1934, abgerufen am 14. November 2021
  10. innenhafen-portal.de: Der Innenhafen – Brotkorb des Ruhrgebiets (Memento des Originals vom 17. Oktober 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.innenhafen-portal.de
  11. Münstersche Zeitung: Neue Borchert-Spielstätte: Im Flechtheim-Speicher geht es langsam los (Memento vom 1. Juni 2013 im Internet Archive), Münster, Manuel Jennen, 1. Februar 2013
  12. Stadt Münster: Masterplan – Integriertes Handlungskonzept: Stadthäfen Münster@1@2Vorlage:Toter Link/www.muenster.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Januar 2004, S. 5
  13. Bestandsaufnahme hafentypischer Objekte in Münster, Vorlage Nr. 531/2002, März 2001
  14. Münstersche Zeitung: Flechtheim- und Rhenus-Speicher: Stadtwerke sagen Nein zu Hotelplänen am Hafen (Memento des Originals vom 18. Mai 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.muensterschezeitung.de, Münster, 12. März 2012
  15. Westfälische Nachrichten: Diskussion um Flechtheim-Speicher: Betten oder Büros am Hafen?, Wolfgang Schemann, 3. Februar 2009
  16. Westfälische Nachrichten: Visionen am Hafen: Archive und Architekten, Münster, Wolfgang Schemann, 13. Mai 2008
  17. Münstersche Zeitung: Interview mit dem Chef – Sind die Stadtwerke Abzocker, Herr Müller-Tengelmann?@1@2Vorlage:Toter Link/www.muensterschezeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Münster, Ralf Heimann, Ulrich Breulmann, 6. August 2010
  18. Westfälische Nachrichten: Zum Thema: Speicher-Pläne (Memento des Originals vom 20. Dezember 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wn.de, Martin Kalitschke, 7. März 2012
  19. Westfälische Nachrichten: Hotelpläne vom Tisch: Flechtheimspeicher: Politik plädiert für Theater und Archiv, Münster, Klaus Baumeister, 9. März 2012
  20. Westfälische Nachrichten: Sonstiges: Unter Dach und Fach: Archive kommen in den Speicher, Dirk Anger, 12. März 2012
  21. Münstersche Zeitung: LWL braucht kein Archiv im Rhenus-Speicher@1@2Vorlage:Toter Link/www.muensterschezeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Stefan Bergmann, 27. Juli 2008
  22. Flechtheimspeicher. In: wolfgang-borchert-theater.de. 7. September 2014, abgerufen am 10. Mai 2016.
  23. Manuel Jennen: Neues Borchert-Theater: Spektakulärer Umbau des Flechtheimspeichers. In: Ruhrnachrichten. 9. Juli 2013, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 7. Oktober 2013.@1@2Vorlage:Toter Link/www.ruhrnachrichten.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  24. Münstersche Zeitung: Stahltrichter verschwinden vom Rhenus-Speicher am Hafen@1@2Vorlage:Toter Link/www.muensterschezeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Münster, Helmut P. Etzkorn, 16. Oktober 2008
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