Flammpunkt

Der Flammpunkt eines Stoffes ist nach DIN V 14011 die niedrigste Temperatur, bei der sich über einem Stoff ein zündfähiges Dampf-Luft-Gemisch bilden kann.[1]

Weitere Details

Durch den Dampfdruck von Flüssigkeiten verdunstet auch unterhalb des Normalsiedepunktes ein Teil der Flüssigkeit. Der Dampfdruck steigt mit der Flüssigkeitstemperatur, d. h. je höher die Temperatur der Flüssigkeit ist, desto mehr der Flüssigkeit geht durch Verdunsten in den Gaszustand über. Die gasförmigen Teile der Flüssigkeit reichern sich im Raum über der Flüssigkeitsoberfläche an und bilden dort ein Dampf/Luft-Gemisch. Überschreitet die Dampfkonzentration die untere Explosionsgrenze, so kann dieses Gemisch durch eine geeignete Zündquelle entzündet werden. Schon eine Beimischung von wenigen Prozenten einer Flüssigkeit mit niedrigem Flammpunkt zu einer Flüssigkeit mit hohem bzw. keinem Flammpunkt kann eine Mischung mit niedrigem Flammpunkt ergeben.[1] Der Verbrennungsvorgang stoppt in der Regel kurze Zeit nach der Zündung wieder, da bei dieser Temperatur noch nicht genügend brennbare Dämpfe entstehen, um die Verbrennung aufrechtzuerhalten.[2] Ist das Volumen des Gemisches groß genug, kann es explodieren. Unterhalb des Flammpunktes kann sich die Flammenfront nicht von der Zündquelle weg ausbreiten, da die Wärme aus der Oxidation nicht ausreicht, um das Gemisch auf die zur Verbrennung nötige Temperatur aufzuheizen. Eine brennbare Flüssigkeit mit einem Flammpunkt, der im Bereich oder unterhalb der Normaltemperatur von etwa 20 °C liegt, ist am gefährlichsten, weil sie jederzeit ohne weitere Wärmezufuhr schon mit einem Funken gezündet werden kann. Bei brennbaren Flüssigkeiten, die wasserlöslich sind (z. B. Alkohol), ist der Flammpunkt abhängig von der Konzentration der Flüssigkeit. Das Verdünnen mit Wasser führt zur Heraufsetzung des Flammpunktes.[3] Literaturwerte für Flammpunkte gelten allgemein für einen Luftdruck von 1013 mbar (1 atm). Bei höherem Druck steigt zwar der Dampfdruck geringfügig,[4] der Flammpunkt erhöht sich jedoch, weil der brennbare Dampf durch mehr Moleküle der Luft „verdünnt“ wird.

Die Zündquelle (z. B. elektrostatischer Funke oder Flamme) muss eine Mindestzündenergie erzeugen (z. B. für Methan 0,2 mJ)[1] und die Atmosphäre muss einen Mindestgehalt an Sauerstoff aufweisen (z. B. für Bisphenol A 2,0 Vol.-%).

Zur Aufrechterhaltung der Verbrennung muss zusätzlich zumindest die Verdampfungsenthalpie aufgebracht werden (Viele Stoffe befinden sich an ihrem Flammpunkt bereits im flüssigen Aggregatzustand, andere sind fest und sublimieren, manche sind am Flammpunkt nicht stabil, sodass der Dampf Zersetzungsprodukte enthält). Die dazu nötige, höhere Dampfkonzentration entsteht bei einer um wenige Grad höheren Temperatur, dem Brennpunkt. Vom Flamm- und Brennpunkt zu unterscheiden ist die Zündtemperatur, bei der eine Zündquelle nicht mehr nötig ist.

Brandversuch

Dieselkraftstoff oder Heizöl mit einem Flammpunkt von etwa 55 °C lassen sich bei Raumtemperatur mit einem brennenden Streichholz nicht entflammen. Wird jedoch das Streichholz lange genug an die Flüssigkeit gehalten, steigt lokal die Temperatur an der Flüssigkeitsoberfläche, wodurch der Flammpunkt erreicht und damit die Flüssigkeit lokal entflammt wird. Von hier breitet sich die Flamme dann kreisförmig auf der Oberfläche aus.[5]

Flammpunktbestimmung

Automatischer Flammpunktprüfer nach der Pensky-Martens-Methode mit integrierter Feuerlöscheinrichtung

Der Flammpunkt ist ausschlaggebend bei der Einstufung und Klassifizierung als Gefahrstoff bzw. nach der BetrSichV.[3]

Es gibt verschiedene standardisierte Apparaturen, um den Flammpunkt einer Flüssigkeit zu bestimmen:[6]

  • Methode nach Pensky-Martens (> 50 °C; DIN 51758, EN 22719, aktuell Standardapparatur)
  • Methode nach Abel-Pensky (< 50 °C; DIN 51755, geschlossener Tiegel = c. c. closed cup)
  • Methode nach Cleveland (DIN 51376, offener Tiegel = open cup)
  • Methode nach Marcusson (DIN 51584, offener Tiegel, veraltete Methode von 1959)

Generell liefern Closed-cup-Methoden niedrigere Flammpunkte als die veralteten Open-cup-Methoden.[7] Letztere dienten in Abwandlungen zur Bestimmung des heute nicht mehr gebräuchlichen Brennpunkts.

Den oben beschriebenen Gleichgewichtspunkt aus Dampfdruck und Explosionsgrenze erreichen jedoch diese Methoden nicht, da durch das Öffnen des Tiegels für die Zündung das Gleichgewicht gestört wird. Somit liegt der Flammpunkt immer oberhalb der kleinsten Temperatur, ab der sich die Atmosphäre oberhalb der Flüssigkeit entzünden lässt. Dieser Gleichgewichtszustand wird durch den unteren Explosionspunkt abgebildet.

Gemische brennbarer Stoffe

In Gemischen bestimmt der Dampfdruck der am niedrigsten siedenden Substanz den Flammpunkt des Gemischs.[1]

  • Dem Ottokraftstoff (Benzin) sind neuerdings leichtsiedende Ether (Methyl-tert-butylether, Ethyl-tert-butylether) beigemischt, die seinen Flammpunkt und auch seine Zündtemperatur senken.
  • Hefeweizenbier (= 5 Vol.-% Ethanol in Wasser) hat einen Flammpunkt von 81 °C; d. h. 5-prozentiges Ethanol entwickelt bei 81 °C die zur Zündung notwendige Konzentration an brennbaren Dämpfen von 3,5 % (= Untere Explosionsgrenze).

Das lässt sich mit dem Raoultschen Gesetz über die Partialdampfdrücke von Wasser und Ethanol auch errechnen.

Beispiele

Hinweis: 1,0 Vol.-% entspricht 10.000 ppm

Substanz Siedepunkt Flammpunkt Untere
Explosions-
grenze
Obere
Explosions-
grenze
Zünd-
temperatur
[°C][°C][Vol.-%][Vol.-%][°C]
Wasserstoff00−253000004000077000560
Methan (Erdgas)00−162000004,4000016,5000595
Ethan000–89000−135000003000012,4000515
Ethin (Acetylen)000−84000002,3000082000305
Propan000−42000−104000001,7000010,9000470
n-Butan000000000−60000001,4000009,3000365
Acetaldehyd000020000−30000004000057000155
n-Pentan000036000−35000001,4000008,0000285
Diethylether000036000−40000001,7000036000160
Schwefelkohlenstoff000046000−30000001,0000060000102
Propionaldehyd000047000−40000002,3000021000175
Methyl-tert-butylether000055000−28000001,6000008,4000460
Aceton000056000−18000002,1000013000540
Methanol000065000011000005,5000037000455
n-Hexan000069000−22000001,0000008,1000240
Ethyl-tert-butylether000071000−19000001,2000007,7
Ethanol (Brennspiritus)000078000013000003,5000015000425
2-Propanol000082000012000002000012000425
Ethylenglycoldimethylether000084 … 860000−6000001,6000010,4000200
n-Heptan0000980000−4000001,0000007000215 = ROZ=0
Isooctan, 2,2,4-Trimethylpentan000099000−12000001,0000006000410 = ROZ=100
1,4-Dioxan000101000011000001,7000025000300
1-Butanol000117000034000001,4000011,3000340
Propylenglycolmonomethylether000119 … 121000032000001,7000011,5000270
n-Octan000126000012000000,8000006,5000210
Diglykoldimethylether000155 … 165000051000001,4000017,4000190
Dipropylenglycoldimethylether000175000065000000,85000165
Dipropylenglycolmonomethylether000185 … 195000080000001,1000014000205
Glycerin000290 Zers.000176000400
Benzin für Kfz (KW-Gemisch)000070 … 2100< −20000000,6000008000200 … 410
Diesel für Kfz (KW-Gemisch)000150 … 39000> 55000000,6000006,5000220 (ca.)
Biodiesel (FS-Methylester)000300 (ca.)000180000250 (ca.)
Jet-A1 Flugturbinentreibstoff000150 (ca.)000038000000,6000006,5000220 (ca.)
Rapsöl (FS-Triglycerid)000350 (ca.)000230000300 (ca.)
Feuerzeugbenzin[8]000113 … 143000007000000,7000006000380

Die Daten von Rapsöl gelten stellvertretend für alle Speisefette und Speiseöle. Den Flammpunkt von Rapsöl kann man anhand der Beispiele recht zuverlässig auf ca. 230 °C schätzen. Brände am Herd entstehen durch Überschreitung der Zündtemperatur (ca. 300 °C) von Speisefetten oder Ölen.

Druck- und Konzentrationsabhängigkeit des Flammpunkts

Die Daten der Tabelle wurden unter standardisierten Bedingungen mit Reinsubstanzen ermittelt. Bei Verdünnen mit Inertgasen und/oder unter Druck ist es wahrscheinlich, dass sich die Werte für die untere Explosionsgrenze um 20 % (pro 100 °C) verringern und die der oberen Explosionsgrenze um 10 % (pro 100 °C) erhöhen.[9][10] Die Absenkung der unteren Explosionsgrenze um 20 % entspricht ungefähr einem 5 °C niedrigeren Flammpunkt (vgl. Sättigungsdampfdruckkurve).

Siehe auch

  • Chemsafe: Datenbank für Flammpunkte (unter anderem) der PTB und der BAM

Literatur

  • Roy Bergdoll, Sebastian Breitenbach: Verbrennen und Löschen (= Die Roten Hefte. Heft 1). 18., überarbeitete Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-026968-2.
  • E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenngrößen. Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase. Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft, Bremerhaven 2003, ISBN 3-89701-745-8.
  • BG RCI Merkblatt R003 Sicherheitstechnische Kenngrößen. Jedermann-Verlag, Heidelberg, April 2016, (PDF-Download).
  • M. Kräft: Explosionsschutz mit Flammensperren. 2. Auflage. Mackensen, Berlin 2007, ISBN 978-3-926535-53-5.
  • Lothar Schott, Manfred Ritter: Feuerwehr Grundlehrgang FwDV 2. 21. Auflage. Wenzel-Verlag, Marburg 2022, ISBN 978-3-88293-121-1.
Wiktionary: Flammpunkt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gisbert Rodewald: Brandlehre. W. Kohlhammer Verlag, 2006, ISBN 3-17-019129-2, S. 172 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Henry Portz: Brand- und Explosionsschutz von A-Z Begriffserläuterungen und brandschutztechnische Kennwerte. Springer-Verlag, 2015, ISBN 978-3-322-80197-5, S. 68 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Praxishandbuch für den betrieblichen Brandschutz. WEKA Media, 2004, ISBN 3-8111-4471-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. G. Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie. 5. Auflage. Whiley-VCH, Weinheim 2004, ISBN 3-527-31066-5.
  5. Olaf Eduard Wolff: Brandleichen – Tatortarbeit und Ermittlungen Erscheinungsformen, Ursachen, Beweissicherung. Richard Boorberg Verlag, 2017, ISBN 978-3-415-05888-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Uwe J. Möller, Jamil Nassar: Schmierstoffe im Betrieb. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-56379-9, S. 124 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Henrikus Steen: Handbuch des Explosionsschutzes. John Wiley & Sons, 2012, ISBN 978-3-527-66086-5, S. 60 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. EU-Sicherheitsdatenblatt Feuerzeugbenzin F001: In: pearl.de, Zippo GmbH, 17. November 2009, abgerufen am 14. März 2013 (PDF; 72 kB).
  9. E. Brandes, M. Thedens: Kenngrößen des Explosionsschutzes bei nichtatmosphärischen Bedingungen. (PDF) In: PTB-Mitteilungen 113, Heft 2. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2003, S. 115–121, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. September 2007; abgerufen am 12. Juli 2016.
  10. E. Brandes, M. Thedens: Safety Characteristics at non Atmospheric Conditions. (PDF; 421 kB) Physikalisch-Technische Bundesanstalt, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 12. Juli 2016 (englisch, Vortragsfolien).
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