Musikfilm
Ein Musikfilm, Filmmusical oder Musicalfilm ist ein Film, der von vielen musikalischen Darbietungen geprägt ist.[1] Die verwendeten Musiknummern sind dabei – im Gegensatz zu „normalen Filmen“ – integraler Handlungsbestandteil.[2]
Entstehung
Die ersten Filme waren Stummfilme, deren Vorführung von einem Pianisten oder einem Live-Orchester untermalend begleitet wurde. Die technische Möglichkeit, Bild und Ton zu synchronisieren, erschien zunächst als interessante Möglichkeit, die Musik eines Orchesters auch in kleine Kinosäle zu tragen. Der erste Tonfilm in Spielfilmqualität Der Jazzsänger (1927) mit Al Jolson hat daher weiterhin die im Stummfilm üblichen Texttafeln und verwendet die Möglichkeit des Tons nur für einige Gesangseinlagen.[3]
Mit den verbesserten technischen Möglichkeiten, auch gesprochene Dialoge aufzuzeichnen, trat die Musik binnen kurzer Zeit (etwa ab 1930) in den Hintergrund zugunsten von dialogorientierten, handlungsgestützten Filmen. Jetzt erst kann man vom Musikfilm als eigenem Genre (in Abgrenzung zum „normalen“, dialogorientierten Film) sprechen. Der Musikfilm erlebte in Hollywood eine Blütezeit zwischen den 1930er und 1950er Jahren mit Stars wie Ginger Rogers, Fred Astaire und Gene Kelly. Die Prinzipien der zu jener Zeit üblichen großen Revue-Shows werden dabei in das Medium Film übertragen[2] (Revuefilm). In den 1950er Jahren wird in Deutschland Musik häufig genutzt, um die heile Welt des Heimatfilms zu illustrieren. Stars wie Peter Alexander haben mit ihren Filmen in Deutschland großen Erfolg. Daraus entwickelt sich als typisch deutsches Subgenre der Schlagerfilm in den 1950er Jahren. In den 1960er Jahren werden in den USA Musikstars wie Elvis Presley oder in Großbritannien die Beatles in Filmen eingesetzt, die auf sie speziell zugeschnitten sind.
Auch heute ist der Musikfilm noch ein wirtschaftlich erfolgreiches Genre. Musikfilme wie die oscarprämierten Streifen Moulin Rouge oder Black Swan finden neue und kreative Möglichkeiten, Musik im Rahmen eines Films einzusetzen. Auch die meisten Disney-Animations-Filme kann man als Musikfilme bezeichnen. Musikstars wie Alan Menken oder Elton John schreiben für diese sehr erfolgreichen Produktionen die Musik. Im indischen Film sind Musikeinlagen ein typischer und eigenständiger Bestandteil des kommerziellen Kinos.
In einem weiteren Sinn können auch Dokumentarfilme mit dem Schwerpunkt Musik als Musikfilme gelten.
Chronologie (Auswahl aus allen Richtungen)
- 1927 Der Jazzsänger (1927), USA, Spielfilm, Regie: Alan Crosland
- 1935 Top Hat, Regie: Mark Sandrich, USA, Spielfilm mit Fred Astaire und Ginger Rogers
- 1938 Wolga, Wolga (1938), Regie: Grigori Wassiljewitsch Alexandrow, Sowjetunion – Filmkomödie, Stalins Lieblingsfilm
- 1940 Wunschkonzert, Regie: Eduard von Borsody, Deutschland – NS-Propagandaspielfilm
- 1960 Jazz on a Summer’s Day, Dokumentarfilm über das Newport Jazz Festival 1958, USA, Regie: Bert Stern
- 1961 West Side Story (1961), Musicalfilm nach dem Musical von Leonard Bernstein, USA, Regie: Robert Wise und Jerome Robbins
- 1964 Les Parapluies de Cherbour, Musical, Regie: Jacques Demy, Frankreich
- 1965 Smith, James O., Organist, USA, Dokumentarfilm über die Europatournee des Jimmy-Smith-Trio, BRD, Regie: Klaus Wildenhahn
- 1966 John Cage, BRD, Dokumentarfilm, Regie: Klaus Wildenhahn
- 1967 Dont Look Back, Dokumentarfilm über Bob Dylans Großbritannien-Tournee im Jahr 1965, USA, Regie: Donn Alan Pennebaker
- 1968 Chronik der Anna Magdalena Bach, BRD, Regie: Jean-Marie Straub, Drehbuch: Jean-Marie Straub und Danièle Huillet
- 1968 Yellow Submarine, Zeichentrickfilm mit den The Beatles, Großbritannien, USA, Regie: George Dunning
- 1968 One plus One/Sympathy for the Devil, Regie: Jean-Luc Godard – Dokumentarfilm über die Rolling Stones und einiges andere
- 1969 L’amour de la vie, engl. Arthur Rubinstein – The Love of Life, 1969, Regie: Gérard Patris, François Reichenbach
- 1970 Woodstock (Film), USA, Regie: Michael Wadleigh
- 1972 The Harder They Come, Jamaika, Regie: Perry Henzell
- 1974 Antonia: A Portrait of the Woman, Regie: Judy Collins und Jill Godmilow, USA über die Dirigentin Antonia Brico
- 1980 The Great Rock ’n’ Roll Swindle, UK, Regie: Julien Temple, halbfiktiver Film über die Sex Pistols
- 1983 La Tragédie de Carmen, Regie: Peter Brook, nach seiner Inszenierung der Oper von Bizet
- 1985 Ornette: Made in America, Dokumentarfilm über Ornette Coleman, USA, Regie: Shirley Clarke, 86'
- 1985 Vladimir Horowitz: The Last Romantic, Regie: Albert Maysles und David Maysles, USA
- 1988 Thelonious Monk: Straight, no Chaser, Dokumentarfilm, USA 1988, Regie: Charlotte Zwerin
- 1988 Let’s get lost, Dokumentarfilm über Chet Baker, USA, Regie: Bruce Weber
- 1988 Bird (Film), Spielfilm über Charlie Parker, USA, Regie: Clint Eastwood
- 1991 Tous les matins du monde, Frankreich, Regie: Alain Corneau, Spielfilm über klassische Musik
- Musik im 20. Jahrhundert – Die Revolution der Klänge, Vol. 1–7, mit Simon Rattle („Tanz auf dem Vulkan“, „Rhythmus“, „Klangfarbe“, „Drei Schicksale“, „Made in America“, „Nach der Katastrophe“, „Zu neuen Ufern“); BBC 1996; als DVD-Set 2005
- 1997 Blue Note – A Story of Modern Jazz, Dokumentarfilm über das Label Blue Note Records, Deutschland/USA, Regie: Julian Benedikt
- 1999 Buena Vista Social Club, Deutschland, USA, Großbritannien, Frankreich, Kuba, Regie Wim Wenders
- 2001 Made in Sheffield, Dokumentarfilm über die Geschichte der Musikszene in Sheffield, England von 1975 bis 1983, Großbritannien 2001, Regie: Eve Wood, Bands: The Human League, Cabaret Voltaire, Clock DVA, Pulp (who ABC) und Heaven 17.
- 2009 El Sistema, Dokumentarfilm über Musikerziehung in Venezuela, Deutschland, Regie: Paul Smaczny
- 2021 Helmut Lachenman – My Way, Regie: Wiebke Pöpel, Deutschland, Deutscher Dokumentarfilmpreis 2021
- 2022 Moonage Daydream, Regie: Brett Morgen, Dokumentarfilm über David Bowie, Deutschland, USA
Literatur
- Singen und Tanzen im Film Paul Zsolnay Verlag, Wien 2003. ISBN 978-3-552-05272-7.
- Für Auge und Ohr: Musik als Film: oder die Verwandlung von Kompositionen ins Licht-Spiel Frank & Timme, 2005. ISBN 978-3-86596-019-1.
- Der deutsche Musikfilm: Archäologie eines Genres 1914–1945 Verlag Neues Leben, München 2007. ISBN 978-3-88377-835-8.
- Der Musikfilm: Ein Handbuch für die pädagogische Praxis Schott Music, 2008. ISBN 978-3-7957-0597-8.
- Daniela Schulz: Wenn die Musik spielt …: Der deutsche Schlagerfilm der 1950er bis 1970er Jahre transcript Verlag, Bielefeld 2012. ISBN 978-3-8376-1882-2.
- Laura Niebling: Rockumentary: Theorie, Geschichte und Industrie (Marburger Schriften zur Medienforschung), Marburg: Schüren, 2018
- Arne Stollberg, Stephan Ahrens, Jörg Königsdorf, Stefan Willer (Hg.): Oper und Film. Geschichten einer Beziehung, München: edition text + kritik 2019
Weblinks
- kinofenster.de (Bundeszentrale für politische Bildung) / Carl Gula: Der „Musikfilm“ – Facetten einer innigen Beziehung (2004)
- Your guide to the essential riot grrrl films
Einzelnachweise
- Musikfilm, in duden.de, abgerufen am 12. Juni 2013
- Werner Faulstich: Grundkurs Filmanalyse, UTB Stuttgart 2008, S. 52, online in Google Bücher
- „Souvenir program cover for The Jazz Singer, starring Al Jolson.“; abgerufen am 6. April 2013 (englisch).