Fatou Bensouda
Fatou Bom Bensouda (* 31. Januar 1961 in Bathurst) ist eine gambische Juristin und Diplomatin. Von Juni 2012 bis Juni 2021 war sie Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Zuvor war Bensouda stellvertretende Anklägerin beim IStGH, von 1998 bis 2000 war sie Justizministerin in Gambia.
Studium, Juristin und Ministerin in Gambia
Fatou Bensouda wurde 1961 in Bathurst als Tochter eines Beamten geboren. Ihr Vater starb an Diabetes, als sie noch ein junges Mädchen war. Nach dem Besuch der Grund- und Oberschule ermöglichte ihr ein Regierungsstipendium die Aufnahme eines Studiums an der University of Ife (heute: Obafemi Awolowo University – OAU) in Ile-Ife, Nigeria.[1][2] Nach ihrem Abschluss an der OAU ging sie zur Nigerian Law School in Bwari (in der Nähe von Abuja)[3] und von dort weiter zum International Maritime Law Institute der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation, einer Institution der Vereinten Nationen auf Malta.[4] Dieses Aufbaustudium schloss sie mit einer Dissertation zum Thema The 1986 United Nations Convention on Conditions for Registration of Ships: An Endorsement of the Open Registry Concept? ab.[5] Mit ihren Kenntnissen war sie Gambias erste Expertin für Internationales Seerecht. Nach Abschluss ihrer Studien begann sie 1987 ihre Laufbahn als Staatsanwältin und Oberstaatsanwältin im Justizdienst Gambias.
1993 erfolgte ihre Berufung zur Stellvertretenden Direktorin für öffentliche Anklagen im Amt des Generalstaatsanwaltes von Gambia. 1996 wurde sie dort Generalanwältin und Sekretärin für Rechtsangelegenheiten. Bereits 1998 erfolgte ihre Ernennung zum Attorney General (teilweise vergleichbar mit einer Generalstaatsanwältin) und Justizministerin. Schon während dieser Tätigkeiten nahm sie immer wieder an internationalen Tagungen zu unterschiedlichen Rechtsthemen teil.
Im März 2000 verließ Bensouda den juristischen Staatsdienst und ließ sich als Rechtsanwältin in Banjul nieder. Seit Januar 2002 war sie dann als Geschäftsführerin der Internationalen Handels- und Industriebank in Gambia tätig.
Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda und Internationaler Strafgerichtshof
Diese Tätigkeit beendete sie jedoch schon nach vier Monaten im Mai 2002, als sie Rechtsberaterin des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda (ICTR) wurde. Dieses Amt übte sie bis zu ihrer Berufung zur stellvertretenden Anklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) im November 2004 aus. In dieses Amt wurde sie mit 58 von 78 Stimmen gewählt und setzte sich damit gegen zwei Gegenkandidaten durch. Bensouda war somit neben dem für Ermittlungen zuständigen Ankläger Serge Brammertz weitere Vertreterin des Chefanklägers Luis Moreno Ocampo.[6]
Im November 2011 wurde bekannt, dass sich die Unterzeichnerstaaten des Römischen Statuts auf die Nominierung von Bensouda als nächste Chefanklägerin des IStGH geeinigt hatten. Ihre Ernennung wurde am 1. Dezember eingereicht.[7] Am 12. Dezember wurde Bensouda ohne Gegenkandidaten in das Amt gewählt[8], das sie am 15. Juni 2012 antrat.[9]
Als der Internationale Strafgerichtshof bekannt gab, den Konflikt in Afghanistan untersuchen zu wollen, verhängte die US-Regierung unter Präsident Trump Sanktionen gegen sie. Sie hatte im November 2017 die Eröffnung eines Strafverfahrens betreffend den Afghanistan-Krieg beantragt, dabei sollen Vorwürfe gegen die radikalislamische Taliban geprüft werden, aber auch gegen afghanische Regierungstruppen und das mit ihnen verbündete US-Militär.[10] Da Afghanistan dem Römischen Statut beigetreten ist, konnte sie Angehörige aller Nationalitäten anklagen, die im Land Kriegsverbrechen begangen haben.[11][12] Der spätere Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John R. Bolton, griff sie daraufhin persönlich in der Presse an.[13] Im April 2019 entzogen ihr die USA als Reaktion auf die Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen das Einreisevisum in die USA. Ein solcher Schritt war zuvor von US-Außenminister Mike Pompeo angekündigt worden.[14]
Im März 2020 machte der IStGH den Weg für Ermittlungsverfahren zu möglichen Kriegsverbrechen in Afghanistan frei. Dies schloss auch Ermittlungen gegen US-Soldaten und Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA ein. Ihr Vorbericht belegte Folter und Vergewaltigungen. Daraufhin genehmigte US-Präsident Trump drei Monate später eine Verfügung, wonach u. a. etwaige Besitztümer von Mitarbeitern des Gerichtshofs in den USA eingefroren werden können. Im September 2020 kündigte US-Außenminister Mike Pompeo an, Bensouda auf die Specially Designated Nationals and Blocked Persons zu setzen. Auch Mitarbeiter von ihr würden von der US-Regierung mit Strafmaßnahmen belegt. Der IStGH sowie 72 IStGH-Mitgliedstaaten[15] verurteilten die Sanktionen.[16] Der deutsche Bundesaußenminister Heiko Maas kritisierte die US-Sanktionen Ende Oktober 2020 in einer Bundestagsdebatte.[17]
Am 12. Februar 2021 wurde der Brite Karim Ahmad Khan zu ihrem Nachfolger als Chefankläger gewählt.[18] Anfang April 2021 zog die im Januar 2021 ins Amt eingeführte Regierung Biden die verhängten Sanktionen der Vorgängerregierung gegen Bensouda zurück.[19] Ihr Nachfolger Khan erklärte er wolle wieder in Afghanistan ermitteln, aber die Vorwürfe gegen die USA dabei aber aussparen.[20]
Diplomatische Tätigkeit
Im Juni 2022 wurde sie zur Hochkommissarin Gambias im Vereinigten Königreich ernannt.[21] Damit ist sie zugleich Botschafterin ihres Landes in Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Österreich, Irland, Israel und gegenüber dem Heiligen Stuhl.[22]
Ehrungen und Auszeichnungen
- 2011 – Officer of the Order of the Republic of The Gambia.[23]
- 2014 – Ehrenmitgliedschaft der Amerikanischen Gesellschaft für internationales Recht
- 2017 – Ehrendoktorwürde der University of Dundee[24]
- 2020 – Eine von Africa’s 50 Most Powerful Women laut Forbes[25]
- 2021 – Commandeur de l’ordre national du Lion (Senegal)[26]
Privates
Bensouda ist Mitglied im Netzwerk International Gender Champions, das sich für Geschlechtergerechtigkeit in internationalen Organisationen einsetzt.[27]
Weblinks
- Biographische Notizen in africadatabase.org (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
- Biographie auf der Homepage des International Crime Court
- Interview in „USNews.com“ (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive)
- Hintergrundbericht zur Arbeit des IStGH auf der Homepage des Auswärtigen Amtes (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Arnold Hughes, David Perf: Historical dictionary of the Gambia (= Historical dictionaries of Africa. Bd. 109). 4th edition. Scarecrow Press, Lanham MD 2008, ISBN 0-8108-5825-8
- International Bar Association 2. Dezember 2011: International Criminal Court: the next chief prosecutor? Fatou Bensouda (Memento des vom 8. Januar 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Nigerian Law School – Lagos Campus – Homepage
- IMO-Homepage
- IMO – International Maritime Law Institute: Fatou Bensouda (Memento des vom 14. März 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Erstmals Verfahren zu Kindersoldaten (tagesschau.de-Archiv) tagesschau.de, 9. November 2006.
- Nächste Chefanklägerin am ICC kommt aus Gambia. In: Neue Zürcher Zeitung. 1. Dezember 2011, abgerufen am 1. Dezember 2011.
- tagesschau.de (Memento vom 7. Januar 2012 im Internet Archive) Meldung der Tagesschau, 12. Dezember 2011.
- 15.06.12 – ICC/Prosecution – Gambian Fatou Bensouda Takes Oath as New ICC Prosecutor. In: JusticeInfo.net. 15. Juni 2012, abgerufen am 10. Juni 2022 (englisch).
- ICC-02/17
- Hague Prosecutor Seeks to Pursue Afghan Case That Could Ensnare Americans.
- Sie legt sich mit allen an: Die Juristin Fatour Bensouda will die USA wegen Kriegsverbrechen anklagen. Tages-Anzeiger
- «Liebe Frau Anklägerin, soweit es uns betrifft, sind Sie tot», Tages-Anzeiger, 2. April 2018
- https://www.reuters.com/article/us-usa-icc-prosecutor/u-s-revokes-icc-prosecutors-entry-visa-over-afghanistan-investigation-idUSKCN1RG2NP
- Den Haag: Deutschland und 71 Staaten verurteilen US-Sanktionen. In: Der Spiegel – Ausland. 3. November 2020, abgerufen am 4. November 2020.
- Chefanklägerin Bensouda auf US-Sanktionsliste. In: tagesschau.de, 2. September 2020, abgerufen am 2. September 2020.
- https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2020/Strafgerichtshof-Endlich-Gerechtigkeit-fuer-CIA-Opfer,strafgerichtshof100.html
- Neuer Chefankläger am Weltstrafgericht. In: Süddeutsche Zeitung. 13. Februar 2021, abgerufen am 14. Februar 2021.
- USA heben Sanktionen gegen Internationalen Strafgerichtshof auf. In: Der Spiegel. Abgerufen am 3. April 2021.
- Internationaler Strafgerichtshof will wieder in Afghanistan ermitteln, Die Zeit, 27. September 2021
- Former ICC prosecutor appointed ambassador to UK, The Standard, 2. Juni 2022
- Webseite der High Commission
- Over 200 listed for National Awards. The Daily Observer, 7. März 2011, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 9. Dezember 2012; abgerufen am 22. Oktober 2011 (englisch).
- Fatou Bensouda bags doctorate degree – The Point Newspaper, Banjul, The Gambia. In: thepoint.gm. Abgerufen am 29. Juni 2017 (englisch).
- Forbes Africa: Africa’s 50 Most Powerful Women. In: Forbes Africa. 6. März 2020, abgerufen am 30. Januar 2021 (englisch).
- Macky decorates ICC Prosecutor Bensouda with “Commander in the Order of the Lion” Award – The Point. In: thepoint.gm. Abgerufen am 24. Mai 2021 (englisch).
- Fatou Bensouda: Prosecutor, International Criminal Court. In: GenderChampions.com. Abgerufen am 26. Dezember 2019 (englisch).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Hawa Sisay-Sabally | Attorney General und Justizminister von Gambia 1998–2000 | Pap Cheyassin Secka |
Luis Moreno Ocampo | Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag 15. Juni 2012 bis 15. Juni 2021 | Karim Khan |