Fadenkeulchen

Die Fadenkeulchen (Typhula) sind eine Pilzgattung aus der Familie der Fadenkeulchenverwandten (Typhulaceae). Die Arten zersetzen hauptsächlich Laub, Zweige oder Kräuter und bilden meist kleine, keulige oder schmal zylindrische, aber stets unverzweigte Fruchtkörper. Häufig entwachsen sie einem harten, linsenförmigen bis knolligen Überdauerungsorgan (Sklerotium). Sclerotium war auch die Gattungsbezeichnung für die schimmelartigen Nebenfruchtformen (Anamorphen) der Fadenkeulchen, bevor sie in die Gattung Typhula mit den Hauptfruchtformen (Teleomorphen) gestellt wurden.

Fadenkeulchen

Linsen-Fadenkeulchen Typhula phacorrhiza

Systematik
Unterabteilung: Agaricomycotina
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: Agaricomycetidae
Ordnung: Champignonartige (Agaricales)
Familie: Fadenkeulchenverwandte (Typhulaceae)
Gattung: Fadenkeulchen
Wissenschaftlicher Name
Typhula
(Pers.) Fr.

Einige wenige Arten befallen auch lebende Pflanzen und verursachen dadurch beispielsweise auf Rasenflächen die Typhulafäule. Das Krankheitsbild wird auch „Schneeschimmel“ genannt, weil sich die Infektion gerne unter der Schneedecke ausbreitet und erst nach der Schmelze ausgeblichene Stellen aus abgestorbenem Gras und weißem bis pinkfarbenem Schimmel an den Rändern sichtbar werden.

Merkmale

Makroskopische Merkmale

Die kleinen Fruchtkörper entstehen einzeln oder zu mehreren aus einem Sklerotium heraus oder direkt aus dem Substrat. Sie sind schmal zylindrisch bis schmal oder breit keulig und in der Regel in einen deutlich abgesetzten sterilen Stiel und den fertilen Kopf gegliedert. Die Fruchtkörper sind normalerweise weiß, bei einigen Arten auch ockergelb bis rosa oder sie haben einen dunkel rötlichen Stiel. Das Fleisch ist meist weiß, wachsartig, weich, knorpelig oder hornartig. Die Sklerotien (falls vorhanden) sind kugel- bis linsenförmig, hart und hornig und gelb-braun bis schwarzbraun gefärbt.[1]

Mikroskopische Merkmale

Das Hyphensystem ist monomitisch. An den Septen der hyalinen Hyphen kommen meistens Schnallen vor, diese können aber auch fehlen. Die Basidien bilden 2–4, hyaline, meist ellipsoide, selten zylindrische Basidiosporen, die meist glatt sind und amyloid oder inamyloid sein können. Bei mindestens einer Art sind die Sporen gelappt.[1][2]

Ökologie

Typhula Arten leben meist saprotroph auf totem Pflanzenmaterial wie Gras, Farn, Kräutern, Laub oder Totholz. Einige Arten haben ein breites Spektrum an Wirtspflanzen, andere scheinen recht wirtsspezifisch zu sein. Einige wenige Arten sind fakultative oder opportunistische Parasiten von Pflanzen und Gräsern – wie etwa Typhula quisquiliaris der auf Adlerfarn parasitiert.[2]

Die meisten Arten die beschrieben wurden, stammen aus der nördlichen, gemäßigten Zone. In den Tropen oder auf der südlichen Hemisphäre ist die Gattung entweder weniger häufig oder wurde bisher weitgehend übersehen.

Arten

Heute umfasst die Gattung weltweit 68 Arten[3], in Europa kommen 44 Spezies vor bzw. sind dort zu erwarten[4].

Fadenkeulchen (Typhula) in Europa0
Deutscher NameWissenschaftlicher NameAutorenzitat
Gelbstieliges Fichten-Fadenkeulchen Typhula abietina (Fuckel 1871) Corner 1950
Typhula anceps P. Karsten 1889
Pfeifengras-Fadenkeulchen Typhula berthieri Olariaga et al. 2008
Typhula brunneola (Patouillard 1886) Courtecuisse 2008
Buchsbaum-Fadenkeulchen Typhula buxi Maire 1933
Kopfiges Fadenkeulchen Typhula capitata (Patouillard 1883) Berthier 1974
Typhula caricina P. Karsten 1876
Typhula chamaemori L. Holm & K. Holm 1977
Typhula crassipes Fuckel 1870
Herzsporiges Fadenkeulchen Typhula culmigena (Montagne & Fries 1836) Berthier 1974
Typhula curvispora (Corner 1970) Berthier 1976
Typhula erumpens Corner 1950
Rotstieliges Fadenkeulchen Typhula erythropus (Persoon 1794 : Fries 1821) Fries 1818
Typhula euphorbiae (Fuckel 1870) Fries 1874
Typhula fruticum (P. Karsten 1882) P. Karsten 1889
Typhula graminum P. Karsten 1868
Typhula hedericola (Cesati 1855) Corner 1950
Typhula hollandii D.A. Reid 1965
Typhula humulina D.P. Kusnezowa 1953
Fleischrotes Fadenkeulchen Typhula incarnata Lasch in Fries 1838
Gelbstieliges Fadenkeulchen Typhula lutescens Boudier 1901 ('1900')
Schimmerndes Fadenkeulchen Typhula micans (Persoon 1797 : Fries 1821) Berthier 1974
Typhula muelleri (Sauter 1852) Corner 1950
Gelbknolliges Fadenkeulchen Typhula ochraceosclerotiata Olariaga & Salcedo 2009
Typhula olivascens Berthier 1974
Typhula pachypus Berthier 1976
Typhula paradoxa (P. Karsten 1868) anon. ined.
Linsen-Fadenkeulchen Typhula phacorrhiza
(„phacorhiza“)
(Reichard 1780 : Fries 1821) Fries 1818
Typhula piceicola Berthier 1974
Typhula pragensis Pilát 1959
Zwerg-Fadenkeulchen Typhula pusilla (Persoon 1797 : Fries 1821) J. Schröter in Cohn 1888
Adlerfarn-Fadenkeulchen Typhula quisquiliaris (Fries 1818 : Fries 1821) Hennings 1896
Kopfried-Fadenkeulchen Typhula schoeni Olariaga & Salcedo 2009
Pestwurz-Fadenkeulchen Typhula sclerotioides (Persoon 1822) Fries 1838
Borstenfüßiges Fadenkeulchen Typhula setipes (Greville 1828) Berthier 1974 s. l.
Schneeweißes Fadenkeulchen Typhula spathulata (Peck 1875) Berthier 1976
Typhula struthiopteridis Corner 1970
Typhula subhyalina Courtecuisse 1984
Typhula subvariabilis Berthier 1974
Typhula thaxteri (Burt 1916) Berthier 1974
Typhula todei Fries 1818 : Fries 1821
Typhula trifolii Rostrup 1890
Kolbenförmiges Fadenkeulchen Typhula uncialis (Greville 1824 : Fries 1828) Berthier 1974
Veränderliches Fadenkeulchen Typhula variabilis Riess 1853

Systematik

Das Taxon wurde erstmals 1801 durch den Mykologen Christiaan Hendrik Persoon als Clavaria sect. Typhula beschrieben.[5] Er unterschied Typhula von Clavaria aufgrund der Form des Fruchtkörpers, der bei Typhula deutlich in Hut- und Stielteil gegliedert ist. 1818 erhob Elias Magnus Fries in seinem Werk „Observationes mycologicae“ das Taxon zur Gattung.[6] Innerhalb der neu geschaffenen Gattung beschrieb Fries neben der Typusart Typhula phacorrhiza drei weitere Arten. Heute hat die Gattung etwa 150 Arten.[7]

Die Gattung wurde 1950 von E.J.H Corner überarbeitet. Er glaubte, dass man die ansonsten sehr ähnlichen Arten der Gattungen Pistillaria und Pistillina abtrennen müsse, da bei diesen, anders als bei Typhula, sich die Fruchtkörper nicht aus Sklerotien entwickeln.[8] Bei einer weiteren Überarbeitung der Gattung durch Jacques Berthier (1976) wurden die beiden abgetrennten Gattungen wieder mit der Gattung Typhula vereint.[2] Durch molekularbiologische Untersuchungen der rDNA-Gene konnte gezeigt werden, dass die Gattung innerhalb der Ordnung Agaricales steht.

Die Gattung Sclerotium

Die Gattung Sclerotium wurde von dem deutschen Mykologen und Theologen Heinrich Julius Tode im Jahre 1790 erstmals beschrieben. Sie fasste verschiedene Pilze in einer Gattung zusammen, die Sklerotien bilden. Jene sind fruchtkörperartige Dauerformen, die von sehr dickwandigen Hyphen gebildet werden. Nach und nach wurden über 400 Arten in dieses reine Formtaxon gestellt, die als einziges verbindendes Merkmal die Fähigkeit hatten, Sklerotien oder sklerotien-ähnliche Strukturen zu bilden, ansonsten gehörten sie zu ganz unterschiedlichen Zweigen der Ascomycota und Basidiomycota.[9]

Um ein monophyletisches Taxon zu schaffen, wurden alle Arten, die nicht zur Gattung Typhula gehören, aus der Gattung entfernt, da die Typusart der Gattung, Sclerotium complanatum, eine Nebenfruchtform (Anamorphe) von Typhula setipes ist. Allerdings ist der Gattungsname Sclerotium, der nur für die Nebenfruchtformen verwendet wird, heute nur noch ein Synonym von Typhula.

Bedeutung

Die psychrophilen Arten Typhula ishikariensis und Typhula incarnata sind die Erreger des Schneeschimmel oder der Typhulafäule. Diese Krankheit kann Rasen zerstören, die für eine lange Zeit mit Schnee bedeckt sind. Dies ist besonders dann ein Problem, wenn Golfplätze einen ungeeigneten Standort haben.[10] Außerdem können die beiden Arten genauso wie Typhula phacorrhiza Schäden an Winterweizen verursachen.[11]

Einzelnachweise

  1. German Josef Krieglsteiner (Hrsg.), Andreas Gminder, Wulfard Winterhoff: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 2: Ständerpilze: Leisten-, Keulen-, Korallen- und Stoppelpilze, Bauchpilze, Röhrlings- und Täublingsartige. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3531-0, S. 44.
  2. J. Berthier: Monographie des Typhula, Pistillaria et genres voisins. Société Linnéenne de Lyon, 1976.
  3. Paul M. Kirk, Paul F. Cannon, David W. Minter, J.A. Stalpers: Dictionary of the Fungi. 10. Auflage. CABI Europe, Wallingford, Oxfordshire (UK) 2008, ISBN 978-0-85199-826-8 (784 S.).
  4. Eric Strittmatter: Die Gattung Typhula. In: Fungiworld.com. Pilz-Taxa-Datenbank. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Januar 2014; abgerufen am 6. Januar 2014.
  5. Christiaan Henrik Persoon: Synopsis methodica fungorum. sistens enumerationem omnium huc usque detectarum specierum, cum brevibus descriptionibus nec non synonymis et observationibus selectis. Henricum Dieterich, 1801, S. XVIII (Latein, Bibliothèque nationale de France).
  6. Elias Magnus Fries: Observationes mycologicae. Hrsg.: sumptibus G. Bonnieri [Hauniae]. Band 2, 1818, S. 296 (gallica.bnf.fr).
  7. Typhula (Pers.) Fr., 2:296, 1818. In: MycoBank.org. International Mycological Association, abgerufen am 21. Februar 2013 (englisch).
  8. EJH. Corner: A monograph of Clavariaand allied genera. Cambridge University Press, 1950.
  9. Z, Xu, TC. Harrington, M.L. Gleason & J.C. Batzer: Phylogenetic placement of plant pathogenic Sclerotium species among teleomorph genera. In: Mycologia. Band 102, Nr. 2, 2010, S. 337–346, doi:10.3852/08-189 (englisch, public.iastate.edu [PDF; 423 kB]).
  10. George Barron: Snow Moulds. In: George Barron’s Website on Fungi. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Februar 2002; abgerufen am 21. Februar 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uoguelph.ca
  11. Edward F. Schneider, W. L. Seaman: Typhula phacorrhiza on winter wheat. In: Canadian Journal of Plant Pathology. Band 8, Nr. 3, September 1986, ISSN 0706-0661, S. 269–276, doi:10.1080/07060668609501799.
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