FLINTA*

FLINTA* (alternativ auch FLINTA oder FLINT) ist ein Akronym, welches für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen steht. Der angehängte Asterisk dient dabei als Platzhalter für alle Personen, die sich in keinem der Buchstaben wiederfinden, aber dennoch aufgrund deren sexueller bzw. geschlechtlicher Identität von Marginalisierung betroffen sind. Mit der Abkürzung wird oft auf die Einladungspolitik bestimmter Räume verwiesen, die dadurch als inklusiv und für Personen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten offen dargestellt werden.

Geschichte

Anfang der 1970er-Jahre entstanden die ersten sogenannten Frauenräume in Westdeutschland und West-Berlin. Diese sollten ein Ort sein, an dem Frauen unter sich sein und sich frei von patriarchalen Strukturen austauschen konnten.[1] Aus den Frauenräumen heraus entstanden dann viele verschiedene Projekte, wie Lesbengruppen, Frauencafés und 1976 auch das erste Frauenhaus in West-Berlin.[2] In den 1980ern gab es bereits rund 100 verschiedene Frauengruppen, inzwischen auch mit deutlich lesbischem Anteil. Einige der Schutzräume und Gruppierungen wurden daraufhin in FrauenLesben-Räume umbenannt, um die zusätzliche Diskriminierung von Lesben – auch durch Frauen – sichtbarer zu machen.

Etwa seit den 1990ern gab es immer wieder Debatten darüber, ob solche Schutzräume auch für z. B. transgeschlechtliche oder nicht-binäre Personen geöffnet werden sollen. Während es nach wie vor Projekte und Räume gibt, die an der Bezeichnung FrauenLesben festhalten, gibt es einige, die ihre Räume weiter geöffnet und die Bezeichnung z. B. auf FLT* – Frauen, Lesben, Trans* – erweitert haben.[3] Dieser Begriff wurde teilweise auf FLTI*, FLIT* oder FLINT* (nicht immer mit Inklusivitäts-Stern) erweitert, um Intergeschlechtlichkeit und nichtbinäre Geschlechtsidentitäten ebenfalls explizit zu machen. Die teilweise unterschiedliche Reihung der Buchstaben innerhalb der Abkürzung spiegelt innerfeministische Auseinandersetzungen um die Bedeutung der unterschiedlichen Gruppen wieder.[4] Im weiteren Verlauf wurde innerhalb der LGBT-Gemeinschaft versucht, einen Begriff zu finden, der alle mit einschließt, die auf Grund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden. Alle diese Personen sollen sich in den jeweiligen Räumen und Veranstaltungen sicher fühlen können. Deshalb wird aktuell häufig der Begriff FLINTA* (wobei A für Agender steht) benutzt, wobei das Sternchen am Ende als Platzhalter dient, um alle, die dieser Gruppe angehören, aber eventuell nicht aufgezählt wurden, mit einzuschließen.[5][4]

Weiterhin existiert der Begriff TINA*. Dieser steht für trans- und intergeschlechtliche, nicht-binäre und agender* Personen und dient als Bezeichnung für alle Menschen, die nicht cisgeschlechtlich sind. Menschen, die sich diesem Begriff zuordnen, passen nicht in das binäre Geschlechtersystem von Mann und Frau und sind dadurch anders von Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechtes betroffen als cisgeschlechtliche Frauen.[6]

Zweck

Der Begriff FLINTA*, oder Variationen davon, wird häufig genutzt, um bei Veranstaltungen einen Schutzraum für Menschen zu schaffen, „die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden“.[7] Im Gegensatz zum Begriff LGBTQIA+, der auch asexuelle und nicht-heterosexuelle Orientierung umfasst, bezieht sich FLINTA* ausschließlich auf die Geschlechtsidentität von Personen.

Eine Ausnahme bildet hierbei nur das L, das für Lesben steht, denn „Obwohl Lesbischsein gemeinhin als sexuelle Orientierung und nicht als Geschlechtsidentität gilt, wurde der Begriff in die Abkürzung aufgenommen, um feministische Errungenschaften sichtbar zu machen, die zum großen Teil der Lesbenbewegung zu verdanken sind.[8] Außerdem soll kritisiert werden, dass in der heteronormativen Gesellschaft häufig davon ausgegangen wird, Sex und Liebesbeziehungen mit cisgeschlechtlichen Männern sei ein fester Bestandteil von Weiblichkeit.“[7] Thesen wie: „Lesben sind keine Frauen“ (1978) der radikalen Feministin Monique Wittig und lesbischer Separatismus generell trugen dazu bei, dass Lesben zusätzlich zu Frauen erwähnt werden.

Der Begriff FLINTA* hebt Menschen hervor, die sich nicht als cisgeschlechtliche Männer identifizieren und dadurch noch zusätzliche Diskriminierung, wie Queerfeindlichkeit, erfahren.[9] Der Begriff soll Vielgeschlechtlichkeit bzw. Nichtbinarität darstellen und normalisieren.[6]

Kritik

Der Begriff und die mit ihm zusammenhängende Sprachpolitik stießen auf Kritik, weil er vermeintlich zu einer „Verhunzung“ der Sprache beitrage und für diejenigen, die mit den Debatten nicht vertraut sind, nicht verständlich sei.[10] Kritisiert wird außerdem, dass trotz der Begrifflichkeiten nicht eindeutig festgelegt sei, wer in den Räumen willkommen ist. Maya Joleen Kokits und Marion Thuswald verweisen darauf, dass sich transgeschlechtliche Menschen auch in Räumen, die in ihrer Einladungspolitik auf das T im Akronym verweisen, unwohl fühlen können. So können trans Frauen wegen männlicher Zuschreibungen Ausgrenzung erfahren oder trans Männer mit der Erwartung konfrontiert sein, dass es sich um (cis-)Frauenräume handele.[3] Die Tatsache, dass sich die Geschlechtsidentität nicht immer anhand des äußeren Erscheinungsbildes erkennen lässt, kann auch dazu führen, dass Menschen sich outen müssen, um Zugang zu entsprechenden Räumen zu erhalten.[11] Wo eigentlich ein Schutzraum für alle entstehen sollte, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden, komme es auf diese Weise zu zusätzlichen Ausschlüssen.[3][7][12] Zudem sind FLINTA*-Räume oft dominiert von cisgeschlechtlichen und „weißen“ Menschen, wodurch sich mehrfach marginalisierte FLINTA* ausgeschlossen fühlen können oder befürchten, in dem eigentlichen Schutzraum weiterhin Diskriminierung zu erfahren.[13]

Inter-Aktivisten kritisieren die Vereinnahmung von Intergeschlechtlichkeit durch queere Theorie und Aktivismus „zur Dekonstruktion des Zweigeschlechtersystems“. Obwohl sie ihre Schutzräume zunehmend für sie öffnen, würden ihre politischen Anliegen von queerfeministischen Gruppen selten thematisiert.[3] Cordula Trunk weist darauf hin, dass die Erfahrungen der im Akronym FLINTA* eingeschlossenen Menschen nicht nur deswegen identisch sind, weil sie sich „aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität patriarchal diskriminiert“ sehen. Der Begriff unterstelle „ein Bündnis, das nicht automatisch besteht, sondern nur durch einen mühsamen Aushandlungsprozess über gemeinsame politische Ziele hergestellt werden kann.“[14] Der Begriff schreibe, so queere Kritik, „Identitäten fest, statt konkret zu benennen – wer Teil einer Flinta*-Veranstaltung sein wolle, stehe wiederum vor einem Zwangsouting.“[10]

Siehe auch

Literatur

  • Ellen Wagner, Elizabeth Adjei-Acheamfour, Mia Hoàng Dung Vũ, Meieli Borowsky-Islam (Hg.): Was uns empowert. Geschichten von FLINTA of Color. Unrast, Münster 2023, ISBN 978-3-89771-615-5.
  • Lydia Meyer: Die Zukunft ist nicht binär. Rowohlt, Hamburg 2023, ISBN 978-3-499-01060-6.

Einzelnachweise

  1. Henning von Bargen: Von Welle zu Welle. Heinrich-Böll-Stiftung, 7. März 2018, abgerufen am 25. Dezember 2023.
  2. Liane von Billerbec: 40 Jahre Frauenhaus - Ein Schutzraum, der immer noch gebraucht wird. In: deutschlandfunkkultur.de. 1. November 2016, abgerufen am 25. Dezember 2023.
  3. Maya Joleen Kokits, Marion Thuswald: gleich sicher? sicher gleich? Konzeptionen (queer) feministischer Schutzräume. In: Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft. Band 24, Nr. 1, 18. Mai 2015, ISSN 2196-1646 (budrich-journals.de [abgerufen am 8. Mai 2022]).
  4. Cordula Trunk: Feministische Subjektkonstitution: Zur Bedeutung der Freiwilligenarbeit in der Neuen Frauenbewegung. In: Historische Anthropologie. Band 31, Nr. 2, 16. Oktober 2023, ISSN 0942-8704, S. 307–330, doi:10.7788/hian.2023.31.2.307 (vr-elibrary.de [abgerufen am 2. Dezember 2023]).
  5. Arn Sauer: FLTI*. In: LSBTIQ-Lexikon. Grundständig überarbeitete Lizenzausgabe des Glossars des Netzwerkes Trans*Inter*Sektionalität. Bundeszentrale für politische Bildung, 2018, abgerufen am 2. Dezember 2023.
  6. WECF: Sprache und Gender. In: WECF. Abgerufen am 22. November 2023 (deutsch).
  7. Was bedeutet FLINTA*? In: Der Tagesspiegel Online. 3. März 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 11. Juli 2022]).
  8. Annette Keinhorst: Lesben jenseits der Metropolen: Frauenbewegung, Diskriminierung, Vernetzung. In: Digitales Deutsches Frauenarchiv. Digitales Deutsches Frauenarchiv, 2020, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  9. Redaktion: Was ist eine Flinta-Person? In: Magazin WISSEN. 7. Oktober 2023, abgerufen am 22. November 2023 (deutsch).
  10. Brigitte Theißl: Flinta: Kampf um sprachliche Sichtbarkeit. In: Der Standard. 18. Januar 2023, abgerufen am 2. Dezember 2023 (österreichisches Deutsch).
  11. Martina Stackelbeck: #KLARGESTELLT FLINTA* (Abk.). In: gleichstellung.tu-dortmund. Gleichstellungsbüro TU Dortmund, 31. März 2023, abgerufen am 6. Dezember 2023.
  12. Luca Lang: Gender und Toiletten: Ein Türschild allein ändert keine Einstellung. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 2. Dezember 2023]).
  13. Herausforderungen feministischer Projektarbeit – eine Reflexion zu trans*Misogynie. Stiftung Leben und Umwelt | Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen, 4. Juli 2022, abgerufen am 24. Januar 2024.
  14. Cordula Trunk: Am Anfang ist das Wort. In: neues deutschland. 7. Oktober 2022, abgerufen am 2. Dezember 2023.
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