F. W. Borchardt

Das Unternehmen F. W. Borchardt ist ein traditionsreicher Gastronomiebetrieb in der Französischen Straße 47 im Berliner Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks.

Unternehmenssitz von F. W. Borchardt in Berlin-Mitte

Geschichte

1850–1945

Stammhaus mit der Inschrift F. W. Borchardt MDCCCLIII, 1902

Gegründet wurde das Unternehmen 1853 als Delicatessen- und Wein-Großhandlung von August F. W. Borchardt in der Französischen Straße 47–48.[1] Das heutige Gebäude unter der Hausnummer 47 wurde erst 1895 vom Architekten K. Gause neu errichtet.

Durch seinen Fleiß und Geschäftssinn wurde Borchardt rasch in Berlin und im Deutschen Reich sowie im Ausland erfolgreich. Borchardt betrieb darüber hinaus eine Versandküche, was zu der Zeit etwas Ungewöhnliches war. Zu den Kunden gehörte nicht nur das gehobene Bürgertum, sondern auch der Adel und der preußische Hof.

In der wilhelminischen Ära wurde Borchardt schließlich zum Hoflieferanten ernannt. Nachfolger von August F. W. Borchardt waren Hanns und Fritz Borchardt. Um die Jahrhundertwende wurden sie zu k.u.k. Hoflieferanten ernannt.[2] Nach dem Ausscheiden von Hanns Borchardt wurde Fritz alleiniger Inhaber.[3]

Wegen der Arisierung in der Zeit des Nationalsozialismus kam das Haus Kempinski, das frühere Haus Vaterland am Potsdamer Platz, am 1. Dezember 1941 als Filiale in den Besitz der Familie Borchardt. Es erhielt die Bezeichnung F. W. Borchardt.[4] Alle größeren Gebäude um den Potsdamer Platz fielen den Bomben und Kämpfen am Ende des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Das Haupthaus in der Französischen Straße war aber kaum beschädigt.

Seit 1945

Das Restaurant war zwischen 1945 und 1948 geschlossen. Am 16. November 1948 eröffneten in Berlin zwei „freie Gaststätten“ (hier konnten die Gäste teilweise ohne Abgabe von Lebensmittelkarten allerdings zu hohen Preisen essen), darunter das frühere Borchardt.[5] Als 1949 die HO gebildet wurde, ging das Borchardt in deren Besitz über. Es erhielt den Namen Lukullus und spezialisierte sich schrittweise als Fischrestaurant. Es diente später zunächst als Jugend-Tanzlokal und in den 1980er Jahren als Gaststätte für Bauarbeiter der mit dem Aufbau der Friedrichstraße beauftragten Firmen. 1990 kam mit der politischen Wende das Aus für das Restaurant. Das Gebäude wurde reprivatisiert, saniert und am 5. März 1992 unter seinem traditionsreichen Namen borchardt vom bis heute amtierenden Geschäftsführer Roland Mary wiedereröffnet.[6]

Am Standort Französische Straße zählen seit dem Jahr 2000 prominente Persönlichkeiten, Bundesministerien und das Bundespräsidialamt, Botschaften und DAX-Unternehmen zu den Kunden des Borchardt.[7]

Das Restaurant Borchardt ist heute außerdem im Catering-Bereich tätig.

Stammsitz

Innenansicht des Restaurants borchardt

Das Gebäude von F. W. Borchardt an der Französischen Straße 47 wurde 1899–1900 von Carl Gause als Erweiterung eines heute nicht mehr erhaltenen Nachbarhauses erbaut. Das Gebäude erstreckt sich einschließlich Dachgeschoss auf fünf Etagen. Die repräsentative Fassade aus rotem Sandstein weist Neorenaissance- und Neobarock-Einflüsse auf. Zwei Straßeneingänge, vier Fensterreihen und der langgezogene Balkon auf drei kräftigen Doppelkonsolen am zweiten Stockwerk dominieren die Gebäudeansicht.

Über den Eingängen ist das Monogramm des Unternehmens in Gusseisen auf dem Balkon befestigt. Ganz oben sind der Schriftzug F. W. Borchardt und die Jahreszahl der Gründung in römischen Ziffern MDCCCLIII (1853) angebracht. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.[8]

Besonderheiten

Das Gedicht Silvester bei den Kannibalen von Joachim Ringelnatz nennt als Vergleich die Borchardt-Küche, Berlin.[9]

Literatur

  • Andreas Krause, Sven Grüß, Ursula Fabian: Im Borchardt. Menschen, Geschichten, Rezepte. Nicolai, Berlin 2001, ISBN 3-87584-834-9.
  • Roland Mary und Rainer Schmidt: Gefahrenzone: Geschichten aus dem Bauch eines Restaurants. Goldmann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-442-31333-4.
  • Guido Mingels: Im ewigen Geklimper. In: Der Spiegel. Nr. 51, 17. Dezember 2022, S. 30–33.
  • Jan Thomsen: Restaurant Borchardt wehrt sich gegen WASG. In: Berliner Zeitung, 13. September 2006
Commons: F. W. Borchardt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Französische Straße. In: Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Adreß- und Geschäftshandbuch für Berlin, 1860, Teil 2, S. 33 (In Nummer 47 als „Weinhändler“ und Nummer 48 als „Kaufmann“ eingetragen).
  2. Handbuch des Allerhöchsten Hofes und des Hofstaates Seiner K. und K. Apostolischen Majestät für 1910. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien. S. 444.
  3. Handbuch des Allerhöchsten Hofes und des Hofstaates Seiner K. und K. Apostolischen Majestät für 1917. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien. S. 519.
  4. 1. Dezember (Jahr 1941) in: Tagesfakten des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim DHM)
  5. Gerhard Keiderling: Freie Läden und freie Restaurants. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 12, 1998, ISSN 0944-5560, S. 46 ff. (luise-berlin.de).
  6. Karl-Heinz Arnold: Borchardt hatte mehr als 50 Jahre Pause. Zur Geschichte der HO-Gaststätten von Ende 1948 bis 1990. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 7, 2000, ISSN 0944-5560, S. 37–45 (luise-berlin.de).
  7. Ein Auszug aus unserer Kundenliste. Borchardt, abgerufen am 14. September 2009.
  8. Eintrag 09080291 in der Berliner Landesdenkmalliste
  9. Joachim Ringelnatz: Silvester bei den Kannibalen auf Wikisource

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