Erratischer Block

Als erratischer Block, Erratikum, deutsch Irrblock (lateinisch errare‚ [umher]irren), werden in den Geowissenschaften diejenigen Steinblöcke bezeichnet, die durch seltenere geophysikalische Prozesse oder menschliches Zutun nicht dort liegen, wo man sie erwartet hätte. Man spricht auch von ortsfremdem Gestein (Fremdling).

Erratischer Block in Sitzenroda (Sachsen), ein Findling

Beschreibung

Allgemein liegen Steine (also lose gewordener Felsen, Lockergestein) in situ (am Originalort, etwa bei der Wollsackverwitterung). Hangschutt, Geschiebe (durch fluvatile Verfrachtung), Sediment oder Gesteinsreste sind normalerweise in dem Boden vorhanden, der in situ oder als Sediment aus diesem Muttergestein entsteht, – ein Beispiel hierfür sind Lesesteine. Es gehört zum normalen Verwitterungskreislauf, dass sich das Sediment wieder verfestigt und zu Gestein wird. Manche Steine sind aber irregulärer Herkunft, da sie durch seltenere geophysikalische Prozesse verfrachtet wurden.[1][2]

Beispiele erratischer Blöcke im eigentlichen Sinne sind:

  • Findlinge, sind von Gletschern verfrachtete Felsblöcke (glaziale Erratika) – die weitaus häufigste Form
  • Driftblöcke (Dropsteine), von Treibeis verfrachtetes Gestein (glaziomarine Findlinge am Meeresboden, aber auch an Land, etwa mit der Flut landeinwärts verfrachtet)[3]
  • Erratisches Geschiebe im Allgemeinen (neben Findlingen auch Gerölle außerhalb der regulären Flussbetten, etwa durch extreme Ausnahme-Hochwässer)[4]
  • (erratische) Korallenblöcke, von Sturm und Gezeiten verfrachtetes Abbruchmaterial von Korallenriffen.[5][1]
  • in der Höhlenkunde bezeichnen Erratika von außen in die Höhle eingebrachtes Material (erratisches Sediment, selten in Form großer Blöcke)[1]
  • Wandernde Felsen (Windverfrachtung auf Eisunterlage)

Noch im Gestein können erratische Psephite auftauchen, in Konglomerat oder Breccie, selten auch in Sandsteinen und vergleichbarem Feinsediment. Innerhalb dieses (klastischen) Sedimentits bezeichnet man sie auch als exotische Klasten.[6]

Sehr selten sind Erratika biogener Herkunft (etwa fossile Magensteine, Gastrolithe),[7] etwas häufiger solche durch biogenen Transport, etwa mit verschwemmten Wurzelstöcken.[6][7]

Weitaus häufiger sind aber vom Menschen verschleppte Steine (anthropogene Erratika). Abgesehen von Handelsware wie Feuerstein und Edelsteinen transportiert der Mensch spätestens seit der Jungsteinzeit auch größere Steinblöcke über weitere Entfernungen. Daher ist bei einem Erratikum unklarer Herkunft immer zuerst die Frage, ob es einen geologischen oder archäologischen Sachverhalt darstellt. Diese Nutzsteine gehen vergleichsweise schnell wieder in den natürlichen Kreislauf über (etwa durch Hochwasser weggerissene Uferbauten im Geschiebe). Neben diversem Baumaterial finden sich am Meeresboden oder sogar an Stränden beispielsweise auch Ballaststeine.[8] Im weitesten Sinne gehören dazu auch die vom Menschen hergestellten „Gesteine“ (mineralische Materialien wie gebrannte Tone, Glas, Beton etc.).[8]

In den Fokus der geologischen Untersuchen traten die Erratika schon im 17. Jahrhundert – hier findet sich der Ausdruck Lapis Tragomontanus.[9] Ab dem 19. Jahrhundert, als die glaziale Deutung gesichert war,[10] wurde dann zunehmend erratischer Block und Findling als synonym gedeutet,[11] bis einzelne modernere Fachgebiete weitere irreguläre Verfrachtungen klassierten und den Begriff wieder erweiterten.

Bildergalerie

Siehe auch

  • Allochthon (Geologie) – im Allgemeinen Gesteine, die nicht mehr im Entstehungsgebiet liegen
  • Tektonische Schuppe – von größeren verschobenen Gesteinsformationen abgehobelte Reste des Untergrunds, über den diese Gesteinsmasse gefahren ist, und die sich an seiner Vorderfront ansammeln (Randschuppe), oder umgekehrt von seiner Unterseite abgehobelte Reste, die sich dem Untergestein auflagern
  • Meteor – Steinblöcke aus dem Weltall
Commons: Glacial erratics – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Vergl. erratic (block), erratic cave deposit, (erratic) coral block. In: Herbert Bucksch: Dictionary Geotechnical Engineering / Wörterbuch GeoTechnik. Volume I: English · German / Band I: Englisch · Deutsch, Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-366203325-8, S. 219, Sp. 2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Erratischer Block. In: Hans Murawski, Wilhelm Meyer: Geologisches Wörterbuch, 12. Auflage, Springer-Verlag, 2010, ISBN 978-382742244-6, S. 43 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. glaziomarin. In: Murawski, Meyer: Geologisches Wörterbuch, 2010, S. 63.
  4. Harald Zepp: Geomorphologie: Eine Einführung. Band 2164 von Grundriss Allgemeine Geographie Verlag UTB, 2011, ISBN 978-382523593-2, S. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche);
    ein Beispiel ist Geschiebe der eiszeitlichen Missoula Floods im Erratic Rock State Natural Site, Oregon.
  5. David Hopley: Encyclopedia of Modern Coral Reefs: Structure, Form and Process. Reihe Encyclopedia of Modern Coral Reefs, Springer Science & Business Media, 2011, ISBN 978-904812638-5, vergl. Fig. 1 Reef Front Wave Energy, S. 887; Literaturangaben auch S. 682 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Roland Vinx: Gesteinsbestimmung im Gelände. 4. Auflage, Springer-Verlag, 2015, ISBN 978-364255418-6, Kapitel Klastische Sedimentite, 6.3.2. Konglomerat, Brekzie, Kies, Steine, Blöcke (Psephite), S. 281 Sp. 2 f.
  7. Jennifer B. Paduan, David A. Clague, Alicé S. Davis: Erratic continental rocks on volcanic seamounts off the US west coast. In: Marine Geology Vol. 246, Iss. 1 (28. November 2007), S. 1–8, doi:10.1016/j.margeo.2007.07.007 – dort werden etwa Magensteine von Robben genannt, aber auch von abgerissenem Kelp mitverschleppte Steine.
  8. Hopley: Encyclopedia of Modern Coral Reefs. 2011, S. 108 (genaue Angaben s. o.)
  9. Und auch der Geißbergerstein. Vergl. R.F. Rutsch: Eine vergessene Veröffentlichung über erratische Blöcke. In: Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern. Neue Folge, Band 27 (1970), S. 6–9 (doi:10.5169/seals-319561, E-Periodica, ETH Zürich).
  10. So etwa Lorenz Oken, Friedrich August Walchner: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände. Band 1, Verlag Hoffmann, 1839, Abschnitt Gebirgsschutt und lose Felsblöcke. S. 673 (Google eBook, vollständige Ansicht).
  11. Vergl. Marianne Schuller: Moderne, Verluste: literarischer Prozess und Wissen. Band 29 von Nexus. Verlag Stroemfeld, 1997, ISBN 978-386109129-5, S. 58 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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